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Folgen der Katar-Blockade
Iranisches Gemüse und Kühe aus Deutschland

Katar ist eines der reichsten Länder der Welt. Seit der anhaltenden Blockade ist das Ziel des Emirats: Unabhängig werden von Saudi-Arabien und anderen Ländern - vor allem in der Lebensmittelversorgung. Dabei setzt das Land auf Freunde und 20.000 deutsche Kühe.

Von Anna Osius | 21.04.2018
    Milchflaschen aus Katar stehen in einem Regal
    Made in Katar: Das Emirat will mit Hilfe deutscher Kühe bei Milchprodukten zum Selbstversorger werden (Deutschlandradio / Anna Osius)
    Salat aus Holland, Äpfel aus China, Eier aus dem Oman. Die Regale in den Supermärkten der katarischen Hauptstadt Doha sind gut gefüllt. Dazwischen: zahlreiche Produkte aus dem Iran. Seit fast einem Jahr ist Katar auf die Versorgung unter anderem aus und via Iran angewiesen. Denn der Haupt-Lebensmittel-Lieferant, der große Nachbar Saudi-Arabien, hat jede Verbindung zu Katar gekappt. Das kleine Emirat am Golf lebt unter einer Blockade seiner direkten Nachbarn. Die Katarerin Fatima sieht es gelassen:
    "Was dich nicht umbringt, macht dich stärker, so sehe ich das. Es hat uns Katarer näher zusammenrücken lassen. Und das ist der positive Effekt."
    Der Nationalstolz hat bei den Bewohnern Katars seit der Blockade deutlich zugenommen. An vielen Häusern und Autoscheiben klebt das Konterfei des Emirs – als Zeichen der Standhaftigkeit in schweren Zeichen, sagen die Leute. Das Ziel von Katar: Unabhängig werden von Saudi-Arabien und anderen Ländern. Vor allem in der Lebensmittelversorgung.
    20.000 deutsche Kühe für das Emirat
    Eine Stunde Fahrtzeit außerhalb von Doha liegt Katars größtes Projekt auf dem Weg zur Unabhängigkeit: riesige Kuhställe, mitten in der Wüste. Insgesamt 20.000 Kühe der deutschen Rasse Friesisch-Holstein sollen hier bis Mitte des Jahres angekommen, per Flugzeug und Schiff, um das Emirat bei Milchprodukten zum Selbstversorger werden zu lassen. Stallmanager Rami Hamad:
    "Die Kühe mögen die Routine, also gehen sie jeden Tag zur gleichen Zeit zum Melken, dreimal am Tag. Wir tun alles, um es hier sauber zu halten, damit sich die Kühe wohlfühlen. Denn wenn sie glücklich sind, machen sie uns glücklich."
    Eine Kuh der deutschen Rasse Friesisch-Holstein in einem Stall
    Insgesamt 20.000 Kühe der deutschen Rasse Friesisch-Holstein sollen Katar mit Milch versorgen (Deutschlandradio / Anna Osius)
    In gigantischen Melk-Karussells werden 400 Kühe gleichzeitig gemolken. Die Technik ist hochmodern, der Betrieb durchorganisiert und klimatisiert auf 20 Grad. Die Sonne sehen die Kühe nie. Das Futter wird aus der ganzen Welt importiert, eine gigantische Investition.
    Es geht um Unabhängigkeit und um katarischen Stolz. Auch auf dem Basar mitten in Doha. In nahezu jedem Geschäft hängt ein Schild: "Ja zu Produkten aus Katar – und ja zu befreundeten Ländern".
    Auf dem Basar hängt ein Schild mit der Aufschrift: Schild: "Ja zu Produkten aus Katar – und ja zu befreundeten Ländern".
    Keine Kompromisse auf dem Basar von Doha: Die Händler werben für Produkte aus Katar (Deutschlandradio / Anna Osius)
    Iran und Türkei - die guten Freunde
    Und daran, wer diese befreundeten Länder sind, gibt es keine Zweifel. Die Türkei ist ein enger Verbündeter Katars und auch zum Iran pflegt Katar gute Beziehungen. Längst ist das Emirat nicht mehr der kleine Verbündete Saudi-Arabiens, sondern betreibt eine eigenständige Außenpolitik. Mit dem Iran teilt sich Katar ein Gasfeld und hat allein deswegen ein Interesse an stabilen Beziehungen. Lulwah Al Khater, Sprecherin des Außenministeriums:
    "Erinnern wir uns: Ein Jahr vor der Blockade hat Katar seine Beziehungen zum Iran abgebrochen – als Zeichen der Solidarität mit Saudi-Arabien. Wir haben kein nationales Interesse daran, es war einzig und allein Solidarität mit Riad. Und dann ist es wirklich ironisch, dass nur ein Jahr später Saudi-Arabien beschließt, uns zu blockieren, während der Iran den Himmel und den Seeweg für uns öffnet."
    Arbeiter im South-Pars-Gasfeld, das sich im Persischen Golf zwischen Katar und Iran erstreckt.
    Mit dem Iran teilt sich Katar ein Gasfeld (picture alliance / dpa / Abedin Taherkenareh)
    Saudi-Arabien passt Katars Nähe zum Iran überhaupt nicht. Offizieller Grund für die Blockade war der Vorwurf, Katar finanziere Terroristen. Doch Beobachter vermuten, es ging auch darum, Katars Beziehungen zum Iran zu rügen. Der Plan ist jedoch nicht aufgegangen – im Gegenteil, sagt Gerd Nonnemann, Professor an der Georgetown University Doha:
    "Katar hatte immer eine Arbeitsbeziehung zum Iran, aufgrund der geografischen Nähe und des gemeinsamen Gasfeldes. Die Politik war nie: Der Iran ist unser Freund, aber man kann mit ihm arbeiten und er bedroht uns nicht. Und durch die Blockade ist die Verbindung natürlich enger und wichtiger geworden, sie wurden näher zusammengebracht. Und für den Iran war die Blockade eine offene Flanke, ein Tor, das einfach geschossen werden musste."
    Ende der saudischen Blockade ungewiss
    Die Blockade – ein Eigentor der Saudis? Katar konnte sie wirtschaftlich jedenfalls weitestgehend gut auffangen. Dennoch, spürbar sind die Auswirkungen der Blockade schon. Die meisten internationalen Geschäftsleute reisen heute nach Dubai, vor der Blockade war problemlos ein Abstecher nach Doha möglich. Jetzt dauert es Stunden, weil es keine Direktflüge mehr nach Katar gibt. Hotels und Taxifahrer klagen über eine schlechtere Auslastung. Katar reagierte mit einer drastischen Öffnung: Visumfreiheit für mehr als 40 Länder, ausgeweitete Kontakte nach Europa. Wann die Blockade aufgehoben wird? Fragezeichen. Denn der Konflikt Saudi-Arabien versus Iran bleibt bestehen.
    "Der wird nicht so bald verschwinden, es gab immer schon Spannungen, denn das sind einfach die beiden großen Tiere der Region. Aber momentan ist es unnötig aufgeheizt. Und wenn das Atomabkommen mit dem Iran platzt, wird auch Saudi-Arabien nuklear aufrüsten und das wäre sehr gefährlich, auch für Katar."
    Die Eiszeit am Golf – sie scheint erst mal weiterzugehen. Und im großen Machtspiel zwischen Saudi-Arabien und Iran versucht Katar vor allem eines: Nicht zum Spielball zu werden.