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Folgen des Missbrauchsskandals
Odenwaldschule stellt Insolvenzantrag

Die Odenwaldschule hat Insolvenz angemeldet. Den Angestellten seien schon im Mai keine Gehälter mehr bezahlt worden, teilte der Trägerverein jetzt mit. Auch eine Spendenaktion blieb wirkungslos. Hintergrund der Insolvenz ist der Missbrauchsskandal, von dem die Schule sich nicht mehr erholt hat. Von den 1960er- bis in die 1990er-Jahre hatten Lehrer der Odenwaldschule mindestens 132 Schüler sexuell missbraucht. Lange wurde das vertuscht.

Von Ludger Fittkau | 17.06.2015
    Ein Schild weist an einer Kreuzung in Heppenheim zur Odenwaldschule.
    Ein Schild weist zur Odenwaldschule. (dpa / picture alliance / Arne Dedert)
    In den letzten Wochen war bei den verbliebenden Schülern und vielen Lehrern noch einmal Hoffnung aufgekommen, die Schule sei doch noch zu retten. Denn die Spendenaktion, zu der angesichts der drohenden Schließung aufgerufen worden war, hatte Bürgschaften in Millionenhöhe zusammengebracht. Doch letztlich sei es nicht gelungen, "den Nachweis der gesicherten Finanzierung für die nächsten Schuljahre in der von den Behörden verlangten Form zu erbringen". Das teilten die Vereinsvorsitzende Christiane Streitz und der Geschäftsführer Marcus Halfen-Kieper im HR-Fernsehen mit:
    "Es ist viel Vertrauen verspielt worden in der Vergangenheit, durch unterlassene Entscheidungen, durch falsche Entscheidungen."
    Halfen-Kieper: "Als dann die unglaublichen Verbrechen der Vergangenheit publik wurden, hat das einen zusätzlichen Knacks gegeben. Also kam das organisatorische Unvermögen zu den Problemen mit den Verbrechen hinzu."
    Viel Vertrauen verspielt
    Die Odenwaldschule, eine der bekanntesten Reformschulen Deutschlands, war auch wegen der schleppenden Aufarbeitung des Missbrauchsskandals seit 2010 in die Kritik geraten. Der ehemalige Odenwaldschüler und heutige Publizist Tilman Jens gehörte zu denjenigen, die nach Bekanntwerden des Skandals versucht hatten, die Schule zu retten:
    "Ich wollte etwas dafür tun, die Schule wieder in ein sicheres Fahrwasser zu bringen. Die Schwierigkeiten waren so groß, dass ich sagen muss: Es hat nicht funktioniert."
    Zu spät erhielt die Schule nach dem Missbrauchsskandal etwa eine neue Organisationsstruktur: Lehrer an der Schule durften seit einigen Monaten keine Gruppen im Internat mehr leiten, eine neue, unbelastete Geschäftsführung wurde installiert. Trotzdem nahm die Zahl der Schüler-Anmeldungen ab. Ein Grund dürfte auch gewesen sein, dass unklar war, ob die Schule überhaupt würde weitermachen dürfen.
    Kreis rät verbliebenen Schülern zum Schulwechsel
    Noch vor wenigen Wochen hatten verbliebene Schüler der Odenwaldschule auf dem Schulgelände für den Erhalt der Schule demonstriert. Jetzt hat eine Insolvenzverwalterin die Geschäfte der Einrichtung übernommen. Während sie prüfen will, ob es doch noch einen Weg gibt, die Schule zu retten, empfiehlt der Kreis Bergstraße, in dem die Odenwaldschule liegt, den verbleibenden Schülern, sich eine andere Schule zu suchen. Der Kreis hatte dazu in den vergangenen Wochen bereits Beratungsangebote gemacht.
    Stand heute ist somit, davon auszugehen, dass die insolvente Odenwaldschule nach den Sommerferien ihre Pforten wohl nicht mehr öffnen wird.