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Folgen des Wechseldienstes
Schicht im Schacht für die Gesundheit?

Rückenschmerzen, Dauererschöpfung, Magen- und Darmbeschwerden - durch langjährigen Schichtdienst entstehen gesundheitliche Probleme, ermittelt eine aktuelle Studie. Unternehmen sollten ihre Mitarbeiter besser unterstützen - etwa durch gesündere Ernährung oder Schichtsysteme, die sich am Biorhytmus orientieren.

Von Uschi Götz | 21.07.2017
    Mit einer "Notaufnahme"-Aufschrift ist der Eingang zur Notaufnahme-Station im Klinikum in Braunschweig gekennzeichnet.
    Wer - wie hier im Krankenhaus - lange nachts arbeiten muss, hat eine bis zu acht Jahre kürzere Lebenserwartung. (picture alliance / dpa - Holger Hollemann)
    Die Ergebnisse sind alarmierend: Etwa jeder zweite Schichtarbeiter klagt über Rückenschmerzen, je länger die Schichtarbeit andauert, desto schlimmer werden die Beschwerden. Rund 80 Prozent Menschen, die über 20 Jahre auch nachts arbeiten, haben vielschichtige Probleme.
    "Durch die verkürzte Schlafdauer und vor allem den qualitativ schlechten Schlaf nach der Nachtschicht am Tag, dass das natürlich auch insgesamt auch zu gesundheitlichen Problem kommt, teilweise zu psychischen Problemen, die insgesamt einfach, eine Mattigkeit oder eine Dauererschöpfung ergibt, die vielen Beschäftigten, die in Wechselschicht mit Nachtarbeit arbeiten, auch bekunden."
    Zwei Jahre lang, von 2015 bis 2017, haben Wissenschaftler unter der Leitung von Thomas Langhoff, Professor für Arbeitswissenschaft an der Hochschule Niederrhein, Schichtarbeiter befragt. Im Rahmen des Forschungsprojekts "Gestaltung von Schichtarbeit in der Produktion" standen dabei Beschäftigte der Metall- und Elektroindustrie in Baden-Württemberg im Fokus der Untersuchung.
    Magen und Darm schalten eigentlich nachts auf Ruhemodus
    Bereits aus früheren Studien vor allem im Medizinwesen geht hervor: Wer lange nachts arbeiten muss, hat eine bis zu acht Jahre kürzere Lebenserwartung. Bislang völlig unterschätzt sei die gesundheitliche Belastung von Schichtarbeitern, was das Risiko von Magen- Darmerkrankungen beträfe, so Langhoff.
    "Die innere Uhr besagt, dass man eigentlich nachts auf Ruhemodus stellt, auch Magen und Darm, und wenn dann nachts Ernährung zu sich genommen wird, werden eigentlich Magen- Darmprobleme erzeugt, und das bestätigen 75 bis 80 Prozent aller Schichtarbeiter, haben Probleme."
    Wer nachts arbeiten muss, sollte sich vor allem fettarm ernähren, rät Professor Langhoff dringend: "In den Unternehmen stehen Automaten mit Schokoriegeln und Chips-Tüten. Das ist ernährungsphysiologisch alles katastrophal. Also auf der einen Seite sollte man es versuchen, mit Aufklärung von allen Seiten. Auf der anderen Seite würde ich mir auch wünschen, dass Unternehmen aufgefordert werden, wenn sie meinen, in Nachtarbeit arbeiten zu müssen, dass sie dann den Beschäftigten auch die entsprechende gesunde Ernährung für die Nachtschicht bereitstellen."
    Vorwärtsrollieren statt Dauernachtschichten
    Ebenso sollten bei der Schichtplangestaltung Dauernachtschichten der Vergangenheit angehören, das gilt auch für mehrere Nächte am Stück. Bewährt haben sich rollierende Schichten, wie sie etwa Bosch am Standort Reutlingen anbietet.
    Betriebsrat Thorsten Dietter: "Da wird jetzt von der Früh- in die Spät- in die Nachtschicht gearbeitet. Das nennt sich Vorwärtsrollieren, so wie der Biorhythmus auch funktioniert. Wir haben nicht mehr vier gleiche Schichten in einem Block, sondern wir haben jetzt einen Block, der geht sechs Tage: Zwei Frühschichten, dann kommen zwei Spätschichten und dann zwei Nachtschichten und im Anschluss sechs Tage frei."
    In Auftrag gegeben wurde die Schichtarbeitsstudie von der IG Metall. Es sei höchste Zeit, dass Unternehmen gemeinsam mit Beschäftigten und Betriebsräten die Verbesserung ihrer Schichtsysteme anpackten, appellierte heute der baden-württembergische IG Metall Bezirksleiter Roman Zitzelsberger.