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Foo-Fighters-TV-Serie "Sonic Highways"
Eine faszinierende Wundertüte

Acht Städte, acht Songs, Hunderte Interviews: Die Foo Fighters haben parallel zu ihrem neuen Album "Sonic Highways" eine Fernsehserie produziert. Darin spürt Frontmann Dave Grohl den Wurzeln der amerikanischen Musik nach. Ein toller und filmisch vollkommen überzeugend umgesetzter Ansatz.

Von Hartmut Tegeler | 15.11.2014
    Foo-Fighters-Frontmann und Ex-Nirvana-Schlagzeuger Dave Grohl
    Foo-Fighters-Frontmann und Ex-Nirvana-Schlagzeuger Dave Grohl (dpa/picture alliance/Jean-Baptiste Quentin)
    Also, Teil vier der Doku-Reihe über die akustischen Pfade der US-amerikanischen Musik der letzten Jahrzehnte, ihre Traditionen, ihre Stile, die "Sonic Highways", der Teil also über Austin, Texas, eine Oase, ein verrückter Ort, in jedem Fall aber einer, an dem man sich frei fühlen konntest. Sagt Jimmie Vaughan, gebürtiger Texaner, Bruder des verstorbenen Gitarristen Stevie Ray, Gründungsmitglied der "Fabulous Thunderbirds" und einer der vielen Musiker, die Dave Grohl für die achtteilige HBO-Serie interviewt. Orte machen Menschen, im spezifischen Musiker, beeinflussen sie. Also, schau sie an, das ist das Credo von Dave Grohl, schau sie an als kulturellen Resonanzkörper, aus denen heraus die Musik, die Kultur, entsteht. Was ist das Besondere an diesen Orten? Spurensuche also. Oder, wie Rolling-Stone-Redakteur David Frick im "Austin"-Kapitel dieser Doku-Reihe meint:
    "Eine Sache ist es, Willie Nelson auf Spotify zu hören, eine andere ist es, ihn in Austin zu sehen und zu hören. Da siehst du, warum er ist, wie er ist."
    Die Stadt gibt dem Musiker, der Musiker gibt der Stadt. Konkretes Beispiel in Sachen Austin, Texas: Die Musik-Szene dort bekam einen kräftigen Schub, als Willie Nelson, geboren 1933 in Abbott, Texas, Anfang der 70er nach einer mäßigen Karriere in Nashville zurückkehrte nach Texas.
    "Where you the first? - I was the first."
    Und als erster - für 500 Dollar - auftrat bei der TV-Show Austin City Limits, die 36 Jahre lang im US-Fernsehen lief - und der Stadt internationale Anerkennung brachte, musikalisch, mit den Auftritten von Roy Orbison, Ray Charles oder Buddy Guy, den Black Keys oder Stevie Ray Vaughan oder Sonic Youth und und natürlich auch diesem Herrn in Schwarz:
    "Hello, I´m Johnny Cash. Good Evening."
    Dave Grohl ist Fan, Besessener, Rampensau
    Die Musik aus dieser Show: jenseits aller Genres. Sagt Terry Lickona, der Austin City Limits seit den Anfängen produziert. Lickona wird für Dave Grohl, den Foo-Fighters-Frontmann und hier nun den Musik-Doku-Regisseur Dave Grohl zu einer Art Tourguide durch die musikalische Geschichte von Austin. Einer Stadt, von der Anfang der 1970er - ja klar, Country & Western - aber wahrhaftig niemand eine Live-Musik-Show jenseits aller Genres erwartete. Gespielt und gesendet bis vor Kurzem aus einer Halle, immer noch voll intakt, meint Terry Lickona:
    "It´s completely intact."
    Dave Grohl kommt ins Nachdenken. Könnten wir da nicht aufnehmen. Wäre das möglich?
    "If we can go in this room and record on that stage, man." - "It´s totally possible."
    Kein Problem! Kommt´s aus Terry Lickona wie aus der Pistole geschossen.
    "So, if you want to do everything in there."
    Mann, das ist jetzt aber dokumentiert, Terry, meint Dave Grohl. Einen Rückzieher nicht möglich.
    Mitten im Terry-Lickona-Interview die alte Austin-City-Limits-Halle als Aufnahmeort für den Song "What did I do? God is my witness" zu buchen - wie vorher das Inner Ear Studio in Washington D.C. oder das SouthernGround Studio in Nashville für die anderen Songs und die anderen Filme -, das ist natürlich ziemlich komisch. Was die Stimmung und den Ton dieser Dokumentationen sehr schön auf den Punkt bringt. Dave Grohl erweist sich als Fan, als Besessener, als ungemein Neugieriger, als fulminante Rampensau und als Zeitgenosse, der großes Interesse daran hat, die eigenen musikalischen Wurzeln und Traditionen zu verstehen und sie lustvoll zu demonstrieren. Ein toller und filmisch vollkommen überzeugend umgesetzter Ansatz. Wobei, das muss man sagen, alle acht Filme jede Menge Überraschungen bereit halten und frei von jeglichen Scheuklappen sind.
    "Ganz schön verrückt, sich vorzustellen, dass es in den frühen 80er-Jahren in Texas eine Punk-Band gab, die Cross-Dressing Funk spielte."
    Quod erat demonstrandum: "Sonic Highways", diese achtstündige musikalische Landkarte der USA, sie ist eine faszinierende Wundertüte.