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Forderung nach Ausweisung

Der stellvertretende Vorsitzende der Unions-Bundestagsfraktion, Wolfgang Bosbach, hat die Forderungen aus der CSU nach rascher Ausweisung von ausländischen Intensivtätern bekräftigt. Im Fall der beiden wegen Mordversuchs an einem Rentner in der Münchner U-Bahn verurteilten jungen Männer sollte damit nicht gewartet werden, bis die Täter ihre Strafe verbüßt hätten. Sobald das Urteil rechtskräftig werde, sei eine Ausweisung möglich, sagte Bosbach.

Moderation: Dirk-Oliver Heckmann | 09.07.2008
    Dirk-Oliver Heckmann: Sie sorgten für das Thema des hessischen Landtagswahlkampfs, die beiden U-Bahn-Schläger aus München. Kurz vor Weihnachten hatten sie einen pensionierten Schulleiter in der U-Bahn lebensgefährlich verletzt, nachdem der auf das Rauchverbot hingewiesen hatte. Der Fall löste Entsetzen in der Öffentlichkeit aus und auch die Politik reagierte. Der hessische Ministerpräsident Roland Koch nämlich trat eine hitzige Debatte um die Verschärfung des Jugendstrafrechts und die Abschiebung krimineller Ausländer los - aus wahltaktischen Gründen, wie seine politischen Gegner beklagten. Gestern sprach das Landgericht München sein Urteil gegen die beiden Täter. Die Jugendkammer wertete die Tat als versuchten Mord und verurteilte den 20 Jahre alten Türken zu 12 Jahren Haft. Der damals 17jährige Grieche erhielt achteinhalb Jahre Jugendstrafe. Am Telefon ist Wolfgang Bosbach, stellvertretender Vorsitzender der CDU/CSU-Bundestagsfraktion. Guten Morgen Herr Bosbach.

    Wolfgang Bosbach: Guten Morgen Herr Heckmann.

    Heckmann: Ein angemessenes Urteil?

    Bosbach: Ja, denn die beiden haben schwere Schuld auf sich geladen. Es ist natürlich ein relativ hohes Strafmaß, aber es entspricht auch der Schwere der Schuld der beiden Angeklagten.

    Heckmann: Der Innenminister Bayerns Joachim Herrmann hat schon vor dem Urteil angekündigt, dass die beiden Täter abgeschoben werden sollen. Wie verträgt sich das mit der Unabhängigkeit der Justiz und ist das möglicherweise ein erneuter Versuch der Stimmungsmache vor den Landtagswahlen in Bayern?

    Bosbach: Nein, nein. Herr Herrmann hat gesagt, sollten sie verurteilt werden - und das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Ich gehe auch davon aus, dass man gegen dieses Urteil Revision einlegen wird. Natürlich können die ausländerrechtlichen Konsequenzen erst gezogen werden, wenn wir ein rechtskräftiges Urteil haben.

    Heckmann: Aber ist es denn - Herr Bosbach entschuldigen Sie, dass ich da einhake - in Ordnung, sich am Tag vor der Urteilsverkündung quasi einzuschalten als Innenminister?

    Bosbach: Ja, weil das die logische Konsequenz ist. Das hat mit einer Einflussnahme auf das Gericht überhaupt nichts zu tun, denn wenn die beiden Angeklagten freigesprochen worden wären, wäre auch Ausweisung oder Abschiebung nicht in Betracht gekommen. Der Tatablauf war bekannt. Die ganze Bevölkerung konnte ja sehen, was die beiden mit dem armen Rentner angestellt haben, und die beiden waren geständig vor Gericht. Also konnte Herr Herrmann natürlich davon ausgehen, dass die beiden verurteilt würden. Fraglich war nur, welches Delikt das Gericht annehmen würde. Es hat versuchten Mord angenommen und da ist die logische Konsequenz Ausweisung und Abschiebung.

    Heckmann: Aber es ist auch bekannt, dass es Jahre dauern kann, bis diese Frage "Abschiebung ja oder nein" überhaupt behandelt und entschieden werden kann. Insofern liegt der Verdacht des Populismus doch nicht ganz so fern oder?

    Bosbach: Nein! Es ist einfach falsch! Ich gehe davon aus, dass Rechtsmittel eingelegt wird. Das wird keine Jahre dauern. Wenn Revision eingelegt wird, wird das in absehbarer Zeit entschieden werden und dann werden wir ein rechtskräftiges Urteil haben. Es ist schlicht falsch, dass man mit ausländerrechtlichen Konsequenzen so lange warten muss, bis die Betroffenen ihre Strafe verbüßt haben. Selbstverständlich ist es möglich, schon nach einem rechtskräftigen Urteil, wenn die beiden die Strafhaft absitzen, die notwendigen Ausweisungsverfügungen ergehen zu lassen. Dann werden sämtliche Rechtsmittel ausgeschöpft werden, wie das in unserem Rechtsstaat nicht nur möglich, sondern auch die Regel ist, und dann wird es am Ende eine rechtskräftige Entscheidung in einem verwaltungsgerichtlichen Verfahren geben. Das sollte man sogar noch machen, solange die beiden sitzen, und nicht warten, bis die ihre Strafhaft abgesessen haben.

    Heckmann: Das heißt Sie sind dafür, dass die beiden Täter so schnell wie möglich abgeschoben werden?

    Bosbach: Das ist richtig. - Moment: Jetzt dürfen wir nicht verwechseln. Die Ausweisung ist die Verwaltungsentscheidung, dass sie das Land verlassen müssen. Abschiebung ist das tatsächliche Verbringen. Das ist etwas anderes. Dafür brauchen sie aber eine rechtskräftige Ausweisungsverfügung. Die Abschiebung ist natürlich erst möglich, wenn auf Strafvollstreckung verzichtet worden ist. Dafür werden sie zunächst einmal lange Zeit die Strafhaft absitzen müssen. Wir haben es hier mit einer Abwägung zu tun: Auf der einen Seite der Schutz der Bevölkerung vor weiteren Attacken dieser beiden. Die waren ja und sind polizeibekannt. Das sind ja schon vor diesem Mordversuch Intensivtäter gewesen. Und dann ist der Schutz der Bevölkerung wichtiger als das Interesse der beiden Täter an einem weiteren Verbleib in Deutschland.

    Heckmann: Ob jetzt Abschiebung oder Ausweisung, Herr Bosbach, kann man die beiden Täter, die beiden Verurteilten des Landes verweisen, die seit Jahrzehnten hier in Deutschland leben, die ihre Familien hier haben, die ihr Heimatland, wenn man davon überhaupt sprechen kann, so gut wie gar nicht kennen?

    Bosbach: Ja, das kann man, zumal der griechische Täter den überwiegenden Teil seines Lebens in Griechenland gelebt hat und nicht in Deutschland. Anders ist es bei dem türkischen Täter. Bei denen, die über einen längeren Zeitraum hinweg eine Beziehung zur Bundesrepublik Deutschland haben und hier auch Familienangehörige haben, gibt es ganz besonders hohe Hürden für die Ausweisung ausländischer Straftäter, was übrigens in Deutschland relativ selten vorkommt. Aber die beiden haben die ohnehin schon bestehenden hohen Hürden locker genommen. Wir sprechen ja hier nicht von Kleinkriminellen; wir sprechen hier nicht von Schwarzfahrern, sondern das Landgericht München hat versuchten Mord angenommen. Hohe Haftstrafen, zwölf Jahre und achteinhalb Jahre. Sie sind beide polizeibekannt, haben eine kriminelle Karriere. Dann muss der Schutz der Bevölkerung der Bundesrepublik Deutschland vor weiteren Angriffen wichtiger sein als das Interesse der Täter, weiterhin in Deutschland leben zu können. Wenn die beiden nicht ausgewiesen und abgeschoben werden können, wer denn dann?

    Heckmann: Aber ist es nicht irgendwo auch ein Armutszeugnis, wenn Deutschland sich auf den Standpunkt stellt, andere Länder sollen sich um die Probleme anschließend kümmern?

    Bosbach: Nein. Das ist ein legitimes Interesse, was die Länder haben, sich vor Schwerstkriminellen zu schützen, die nicht ihre eigene Staatsangehörigkeit haben. Ich bin übrigens auch nicht der Auffassung, dass Staat und Gesellschaft hier verantwortlich seien. Das ist ein bisschen sehr schlicht. Zunächst einmal ist jeder Straftäter selber für sein Tun verantwortlich. Dann werden auch oft schwere soziale Situationen als Tatbegründung herangezogen. Die gibt es auch in der Tat. Wenn man sich einmal viele kriminelle Karrieren insbesondere von jugendlichen Straftätern ansieht, dann merkt man: Viele sind Täter und Opfer zugleich. Sie haben schon in ihrer Kindheit Gewalterfahrung erlitten. Sie haben nie gelernt, Konflikte gewaltfrei zu lösen. Aber mit Verlaub: Das kann nicht alles erklären. Es gibt Hunderttausende, die in schwierigen sozialen Verhältnissen leben oder gelebt haben und nie straffällig werden.

    Heckmann: Anfang des Jahres, Herr Bosbach, hat sich die Union auf die Seite des hessischen Ministerpräsidenten Roland Koch geschlagen, der in seinem Wahlkampf eine Verschärfung des Jugendstrafrechts gefordert hatte. Da war die Rede vom Warnschuss-Arrest, von der Jugendhöchststrafe, die auf 15 Jahre hochgesetzt werden sollte, vom Erwachsenenstrafrecht, das in der Regel auch für 18- bis 21-Jährige gelten sollte, von der Einrichtung von Erziehungscamps. Heute ist davon nicht mehr viel die Rede. Hat die Union also Kreide gefressen nach der Niederlage des Roland Koch?

    Bosbach: Nein. Es wäre schlimm, wenn wir dieses Thema ad Acta legen würden, denn auch die jüngste polizeiliche Kriminalstatistik hat ja ergeben, dass im Jahre 2007 die Zahl der Gewaltdelikte bei jugendlichen Straftätern wiederum gestiegen ist. Und nehmen Sie einmal das Thema Anwendung des Erwachsenenstrafrechtes. Im Jugendgerichtsgesetz steht das Gegenteil von der Spruchpraxis der Gerichte drin. Im Jugendgerichtsgesetz heißt es, im Regelfall soll das Erwachsenenstrafrecht bei 18- bis 21-Jährigen Anwendung finden und nur in Ausnahmefällen - zum Beispiel bei Reifeverzögerung - das Jugendstrafrecht. Nur die Spruchpraxis der Gerichte ist genau umgekehrt. Das ändert sich allerdings wiederum, wenn es sich bei Heranwachsenden um Verkehrsdelikte handelt. Bei Verkehrsdelikten gehen die Gerichte wiederum davon aus, dass es doch eigentlich Erwachsene seien und nach Erwachsenenstrafrecht geahndet werden müsste.
    Dass das Jugendstrafrecht keiner Veränderung bedarf, kann man auch jetzt nicht mit den hohen Strafen für Serkan und Spyridon begründen, denn die beiden sind ja nicht zum ersten Mal auffällig gewesen. Alles an Jugendhilferechten und jugenderzieherischen Maßnahmen ist an den beiden ausprobiert worden - erfolglos. Und es gibt nun einmal einen bestimmten Typ von Schwerkriminellen; die kann man nicht alleine mit jugenderzieherischen Maßnahmen beeindrucken. Da hilft nur Härte und die beiden gehören wohl dazu.

    Heckmann: Noch kurz zu einem anderen Thema. Am 20. Juli - dem Jahrestag des gescheiterten Hitler-Attentats - soll vor dem Reichstag ein Bundeswehrgelöbnis stattfinden. So jedenfalls plant es die Bundeswehr. Das hat das Berliner Grünflächenamt abgelehnt mit Verweis auf die weiträumigen Straßensperrungen, die dafür nötig wären, und mit Verweis auf ein entsprechendes Urteil des Verwaltungsgerichts, das eben diese Straßensperrungen unmöglich machen würde. Was halten Sie von dieser Entscheidung?

    Bosbach: Abstand! Ich kann diese Entscheidung nicht nachvollziehen. Das ist der richtige Ort für ein feierliches Gelöbnis unserer Bundeswehr und gerade wegen des Termins 20. Juli 1944. Ein solches Gelöbnis sollte im Herzen der Hauptstadt stattfinden, auch in unmittelbarer Nähe des Reichstagsgebäudes. Damit würde auch Deutschland dokumentieren, die Bundeswehr ist nicht Staat im Staate, sondern die Bundeswehr ist Teil unseres Landes Bundesrepublik Deutschland. Und wenn ich sehe, was alles in den letzten Jahren rund um den Reichstag in der Nähe am Brandenburger Tor, Pariser Platz im Herzen der Stadt veranstaltet worden ist, da frage ich mich: warum nicht auch ein Gelöbnis der Bundeswehr, das in der Regel sehr, sehr feierlich ist und das dem Ort des Geschehens auch gut anstehen würde.

    Heckmann: Live im Deutschlandfunk Wolfgang Bosbach, der stellvertretende Vorsitzende der Unionsbundestagsfraktion. Herr Bosbach, danke Ihnen für dieses Interview!