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Forsa-Chef: Sympathiepolster Guttenbergs schmilzt

Ein neuer Vorwurf gegen Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg: Auch in einem Aufsatz soll er abgeschrieben haben. Dennoch sagt eine Mehrheit der Deutschen in Umfragen, zu Guttenberg solle Minister bleiben. Manfred Güllner, Chef des Meinungsforschungsinstituts Forsa warnt allerdings vor Manipulationen bei Telefonumfragen.

Manfred Güllner im Gespräch mit Martin Zagatta | 26.02.2011
    Martin Zagatta: Guten Morgen, Herr Güllner!

    Manfred Güllner: Ja, schönen guten Morgen!

    Zagatta: Herr Güllner, gibt es dafür eine plausible Erklärung: Ganz ernsthafte und nicht von der Hand zu weisende Vorwürfe gegen zu Guttenberg, und dennoch scheint sich die Mehrheit daran nicht sonderlich zu stören?

    Güllner: Na ja, es ist ja so, dass Guttenberg sich sozusagen ein Sympathiepolster ja zugelegt hatte oder er hat es zugelegt bekommen, weil er eben ja doch als sehr netter Mensch, sympathischer Mensch galt, als eine gewisse Ausnahmeerscheinung im Berliner Politikzirkus. Und dieses Sympathiepolster ist so groß, dass es erst langsam schmilzt. Das ist so, wie wenn ein Tier sich für die Winterpause ein Fettpolster anfrisst, dann zehrt es ja auch eine Weile von diesem Vorrat. Und so ist es bei Guttenberg, also der ... Sie sehen schon deutliche Sympathie-Dellen, und ich denke, dass dieses Sympathiepolster schon langsam, aber eben erst langsam abschmelzen wird.

    Zagatta: Wo machen Sie diese Sympathie-Dellen aus? In Umfragen ja offensichtlich nicht, wenn mehr als 70 Prozent der Menschen laut Meinungsforscher sagen, er soll Minister bleiben. Die Bild-Zeitung, die ihre Leser abstimmen lässt, da sind es um die 90 Prozent, also noch deutlich mehr, die das so sehen. Also da sind ja so große Dellen noch nicht zu erkennen.

    Güllner: Na wir haben einerseits Werte in der letzten Woche gemessen und dann Anfang dieser Woche, einmal für den "Stern", einmal für RTL, und da konnten wir durchaus sehen, dass schon der Anteil derer, die für einen Verbleib im Amt ist, zulegt, und ich gehe davon aus, dass im Laufe der gesamten Woche oder auch der nächsten Woche der Anteil weiter schrumpfen wird. Also wie gesagt, wenn ich acht Heiligenscheine habe und fünf sind weg, habe ich immer noch drei. Und das ist jetzt im Augenblick bei Guttenberg der Fall. Und die guten Werte etwa bei der Bild-Zeitung, die können ja ganz schnell herbeimanipuliert werden. Ich kann ja so oft diese Nummer wählen, wenn ich Guttenberg-Fan bin, wie ich will. Und es gab ja vor Jahren mal einen Test bei der Bild-Zeitung, wo 39 Prozent den Rechtsradikalen Schönhuber als Kanzler angeblich haben wollen. Ich hab das damals untersucht und geprüft, das waren ganze drei Prozent. Und warum: Da brauchte man 50 Rechtsradikale, die vier Stunden diese Nummer gewählt haben, dann haben sie das Ergebnis herbeimanipuliert.

    Zagatta: Aber das, was die Bild-Zeitung da ermittelt hat, das deckt sich ja in etwa mit dem, was die Meinungsforscher auch herausgefunden haben. Wenn man mal berücksichtigt, dass die Bild-Zeitungsleser wahrscheinlich noch stärker mit zu Guttenberg sympathisieren. Wie erklären Sie sich denn die Unterschiede, die in diesen Umfragen zutage kommen, wenn man telefonisch fragt, wie das die Bild-Zeitung macht, oder auf der Bild-Zeitungswebseite, also im Internet, da gibt es ja sogar dann eine Mehrheit, die für eine Ablösung Guttenbergs ist. Wo kommen diese Unterschiede her?

    Güllner: Das eine ist, die Bild-Zeitung, sie hat ja nicht gefragt, sondern sie hat ihre, hat sozusagen Nummern angeboten, wie das beim TED der Fall ist, wo man eben aktiv anrufen muss. Und wenn ich das organisiere, wie gesagt, dann kann ich hier jedes Ergebnis herbeimanipulieren. Und bei Online-Umfragen, da ist es ja auch nicht ausgeschlossen, dass hier im Hintergrund - ja ich will ruhig von Manipulation sprechen. Das heißt, dass hier die Gegner sich sozusagen vorgenommen haben - und das kann man ja über die verschiedenen Netze heute sehr schnell organisieren -, nun dem Guttenberg mal eins mitzugeben. Also das sind alles keine repräsentativen Instrumente, die wir hier haben, und verlässliche Angaben haben wir wirklich nur durch repräsentative Umfragen. Und da wie gesagt ist es so, dass dieses Sympathiepolster zunächst da ist, aber im Laufe der Zeit sicherlich abschmelzen wird.

    Zagatta: Und wenn sich da Hunderttausende beteiligen wie im Moment bei diesen Umfragen, dann stellt das Ihre Arbeit nicht infrage? Weil das ist ja aussagekräftiger als die paar Menschen, die paar Leute, die Sie befragen.

    Güllner: Ja das ist immer das, was manche fasziniert, auch in Ihrer Zunft, das heißt, da sind es, gibt es 200.000 Leute, die können nicht lügen! Aber wenn das 200.000 nur Guttenberg-Gegner sind, das nun nur Junge sind, nur Internetaffine und nur Leute, die gerade auch vor einer Examensarbeit oder einer Magister- oder Masterarbeit stehen, dann haben die nun mal eine Wut und lassen ihre Wut da raus. Aber das ist ja kein repräsentativer Querschnitt. Und wir können, selbst wenn wir nur 1000 Leute befragen, sicherstellen, dass wir hier Nordfriesen und Oberbayern, Alte und Junge, Leute mit Hauptschulabschluss und Leute mit Hochschulstudium, geringe Einkommen und hohe Einkommen so in der Stichprobe haben, wie sie in der gesamten Bevölkerung verteilt sind.

    Zagatta: Herr Güllner, wenn Sie glauben, wie Sie uns gesagt haben, dass diese Zustimmung zu Guttenberg jetzt nur momentan ist, dass die nachlassen wird: Gilt das auch für seine Partei? Also eine solch abgeschriebene Doktorarbeit vorzulegen, für viele ist das ja ein glatter Betrug und das widerspricht doch eigentlich dem Wertekontext einer konservativen Partei ganz besonders. Wird das der Union jetzt noch schaden oder eher nicht?

    Güllner: Ich denke, dass das der Union eher schaden wird, dass die so bedingungslos an Guttenberg festhält und ihn verteidigt. Das ist etwas, was man eigentlich nicht verteidigen kann aus Sicht einer Partei, die solche Werte wie die Union nun stützt. Und ich, meine These ist, ich kann es Ihnen jetzt noch nicht belegen, das werden wir in der nächsten Woche vielleicht dann auch mit Zahlen belegen können, aber meine feste Überzeugung und These und Hypothese ist, dass dieses Festhalten an Guttenberg auch der Union schaden wird.

    Zagatta: Aber die Union ist andererseits ja auch die Partei vieler Affären: die Parteispendenaffäre, der Blackout von Kanzler Kohl damals, ein Finanzminister Schäuble, der sich zuvor an Bargeldzahlungen des Waffenlobbyisten Schreiber nicht erinnern konnte und vieles mehr. Das hat im Endeffekt diesen Personen ja dann so sonderlich auch nicht geschadet?

    Güllner: Nein, aber der Union. Wenn Sie mal bedenken, dass die Union bei den meisten Bundestagswahlen bis '98 eher bei 45 Prozent, und nicht bei 40 Prozent lag, aber seit '98, seit doch diesen ganzen Affären deutlich unter die 40-Prozent-Marke gesunken ist, bei der Bundestagswahl knapp 34 Prozent erzielt und bei Umfragen nun auch nach wie vor irgendwo in der ersten Hälfte der 30er-Prozentzahlen liegt, dann zeigt das, dass der Vertrauensverlust für die Union durch diese ganzen Affären nun auch eingetreten ist, genau so wie bei der anderen großen Volkspartei, der SPD deutliche Vertrauensverluste zu registrieren sind.

    Zagatta: Hat das, hat diese Causa zu Guttenberg, hat das Einfluss jetzt schon auf Landtagswahlen? Gehen Sie davon aus?

    Güllner: Also in Hamburg war es, denke ich, eine Hamburg-Wahl, und da ist die Hamburger CDU abgestraft worden dafür, dass sie zu sehr auf die Position der Grünen eingegangen ist, einen Kandidaten angeboten hat mit Bürgermeister Ahlhaus, der nun in Hamburg gar nicht so richtig dahin passt und von den Hamburgern nicht akzeptiert wurde. Aber ich denke, in Baden-Württemberg könnte das schon anders sein, wenn bis dahin nicht die - wenn bis dahin die Union weiter an Guttenberg so bedingungslos festhält, dann könnte das in Baden-Württemberg durchaus eine Delle geben.

    Zagatta: Und von dem, was Sie aus Umfragen herauslesen, und mit Ihrer langjährigen Erfahrung, Herr Güllner, welche Zukunftschancen geben Sie Karl-Theodor zu Guttenberg jetzt?

    Güllner: Na es ist immer schwer, wenn einmal das Sympathiepolster weg ist und das Urteil eher in das Gegenteil kippt, da wieder herauszukommen. Denken Sie an Oskar Lafontaine, da ist das negative Urteil 1990 gefällt worden bei seiner Kanzlerkandidatur im Umfeld der Wiedervereinigung, wo er sich etwas merkwürdig für die Menschen verhalten hatte. Dieses ist bis heute geblieben, die Menschen haben keinen Grund gehabt, das negative Urteil über Lafontaine zu korrigieren, und er gehört immer noch heute zu den unbeliebtesten Politikern der Republik. Also es ist sehr schwer, ein einmal geprägtes Urteil wieder loszuwerden.

    Zagatta: Also dass Guttenberg irgendwann mal Kanzler wird, schließen Sie fast aus?

    Güllner: Ja gut, es ist nicht auszuschließen. Aber auch hier sind ja die Menschen relativ schlau, wir haben ja auch schon vor der Affäre gefragt und gesehen, dass Guttenberg als Mensch als sympathisch und nett beurteilt wurde, aber wenn wir gefragt haben, kann er denn auch Kanzler, da gab es durchaus Fragen und da haben die Leute nicht - auch die, die hohe Sympathien für ihn hatten -, nicht einhellig gesagt, das ist unsere größte Sehnsucht, dass Guttenberg Kanzler ist, sondern die haben gesagt, ja das müssen wir erst mal abwarten, das wissen wir nicht, ob er Kanzler kann. Das ist fraglich.

    Zagatta: Heute Morgen im Deutschlandfunk Manfred Güllner, der Chef des Meinungsforschungsinstituts forsa. Herr Güllner, danke schön für das Gespräch!

    Güllner: Bitte schön!