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Forscher rehabilitiert

Umweltforschung. - Vor einem Jahr begann "Climategate", ein Skandal, der das Renommee der Klimaforschung in der Öffentlichkeit schwer beeinträchtigte, mit dem Diebstahl von Emails aus dem Zentrum für Klimaforschung an der Universität von East Anglia. Zahlreiche Untersuchungen konnten freilich kein größeres Vergehen beweisen als dass die Beteiligten anderen den Zugang zu ihren Klimadaten nur sehr restriktiv gestatteten. Damit soll, so heißt es heute, jetzt Schluss sein.

Von Volker Mrasek | 18.11.2010
    Zum Teil sind es skurrile Blüten, die die Affäre um gestohlene Forscher-Emails bis heute treibt. Bei Youtube gibt es sogar ein Lied über Climategate. So wurde der Vorfall von manchen genannt, in Anlehnung an den Watergate-Skandal. Ein Jahr ist jetzt seit dem Datenklau aus der Klimaforschungsabteilung der Universität von East Anglia vergangen. Von den Anschuldigungen gegen führende Wissenschaftler wie Phil Jones in England oder Michael Mann in den USA blieb dabei nicht viel übrig. Aus der Sicht sogenannter Klimaskeptiker waren die Emails ein Beleg dafür, dass die Forscher unsauber gearbeitet und Daten manipuliert haben. Wichtige Studien, die die Theorie von der globalen Erwärmung stützten, seien deshalb zweifelhaft, wurde behauptet ...

    "Could I welcome our first panel on the disclosure of climate data from the Climatic Research Unit of the University of East Anglia."

    Doch inzwischen dürfen sich die Klimaforscher als rehabilitiert betrachten. Gleich mehrere Untersuchungsausschüsse befassten sich mit dem Vorfall, eingesetzt unter anderem vom britischen Parlament, der Universität von East Anglia und Michael Manns Hochschule in den USA.

    Das übereinstimmende Urteil der Gutachter: Den Forschern sei kein wissenschaftliches Fehlverhalten vorzuwerfen. Bemängelt wurde allerdings, dass Phil Jones und seine Kollegen die Glaubwürdigkeit der Klimaforschung aufs Spiel gesetzt hätten. Und zwar dadurch, dass sie sich weigerten, Skeptikern Daten zu überlassen, nach denen diese gefragt hatten, unter Berufung auf das Gesetz zur Informationsfreiheit. Mehrere britische Universitäten reagieren nun auf diese Kritik. Künftig sollen die Daten ihrer Klimaforscher vernetzt werden und zentral zugänglich sein, über eine neue Internetseite. Simon Hodson, einer der Projektbeteiligten:

    "Die Forscher wollten ihre Computer-Codes nicht offenlegen, die sie benutzen, wenn sie Klima-Rohdaten verarbeiten. Solche Informationen werden durch unser Projekt frei zugänglich. So dass sich künftig nachvollziehen lässt, auf welcher Grundlage Klimaforscher zu ihren Ergebnissen kommen."

    Phil Jones und Michael Mann wurden in den zurückliegenden Monaten sogar mit Morddrohungen konfrontiert. Inzwischen versuchen die beiden Professoren, zum Alltag zurückzukehren, wie er vor Climategate aussah. Jones ist wieder Forschungsdirektor an seinem Institut, nachdem er sein Amt vorübergehend ruhen ließ. Mann leitet weiterhin das Zentrum für Erdsystemwissenschaft an der Penn State University in den USA:

    "Wenn ich mich durch diese Angriffe von meiner Forschungsarbeit abhalten ließe, würde das bedeuten, dass unsere Gegner am Ende erfolgreich sind. Sicher, es kostet Kraft, sich gegen die ständigen Anfeindungen zu wehren. Meine Tage sind dadurch länger und meine Wochenenden nicht so entspannend. Aber irgendwie muss ich es hinkriegen."

    Michael Mann geht davon aus, dass die Klimaskeptiker ihre Kampagnen nicht so schnell beenden werden. Und dass der Diebstahl der Emails vor einem Jahr nur der Auftakt für weitere Aktionen dieser Art gewesen sein könnte. Auch in den USA gibt es laut dem Physiker inzwischen offizielle Anfragen, um an Emails und Daten von Klimaforschern zu kommen, sowohl an Universitäten wie auch bei der Raumfahrtbehörde NASA. Dahinter stünden konservative Kreise. Mann spricht von einer konzertierten Aktion energischer Klimaschutz-Gegner. Michael Mann:

    "Ich denke, sie wollen an noch mehr private Emails von Klimaforschern kommen und sie ausschlachten. Bisher konnte man nichts finden, was belegt, dass der Klimawandel ein Schwindel ist. Also versucht man es weiter."

    Wer damals in den Rechner der britischen Klimaforscher eingebrochen ist, steht übrigens auch ein Jahr später noch nicht fest. Die Polizei tappt immer noch im Dunkeln.