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Forschungsreaktor
Brennstäbe aus Jülich sollen zurück in die USA

Der ehemalige Forschungsreaktor Jülich bei Aachen ist seit Langem abgeschaltet. Trotzdem lagern dort noch rund 150 Behälter mit hoch radioaktiven Brennelementen. Lange war nicht klar, was mit ihnen passieren soll. Inzwischen steht fest: Das Material soll dahin, wo es hergekommen ist.

Von Heike Wipperfürth | 20.06.2014
    Der stillgelegte Atomversuchsreaktor am Donnerstag (21.01.2010) auf dem Gelände des Forschungszentrums (FZ) Jülich.
    Der stillgelegte Atomversuchsreaktor auf dem Gelände des Forschungszentrums (FZ) Jülich. (pipicture alliance / dpa / Oliver Berg)
    Mit höchst gefährlicher Fracht aus Deutschland könnte demnächst ein Schiff im Hafen von Savannah im US-Bundesstaat South Carolina ankommen. An Bord: hoch radioaktive Brennelemente des seit 1988 abgeschalteten Forschungsreaktors Jülich - bereit zur Ablieferung in die USA.
    Die Brennelemente, die hoch angereichertes Uran enthalten, aus dem eine Atombombe gebaut werden kann, wieder in ihr Herkunftsland USA zu verlegen, ist ein lang gehegter Wunsch von Bund und dem Land Nordrhein-Westfalen - und nun haben sie es bald geschafft: Anfang April unterschrieben das Bundesministerium für Bildung und Forschung, das NRW-Wissenschaftsministerium und das US-Energieministerium eine Absichtserklärung zur Zusammenarbeit beim Export des deutschen Atommülls in die USA. Eine Durchführbarkeitsstudie wird bereits erarbeitet, eine Umweltprüfung soll vorbereitet werden.
    Auch ein Empfänger der strahlenden Ware steht bereits fest: Es ist die Savannah River Site, ein umstrittenes Atomwaffenzentrum im US-Bundesstaat South Carolina. Hier lagern über 100 Millionen Liter Atommüll aus dem Kalten Krieg. Doch das Zentrum freut sich regelrecht auf die strahlende Ware aus Deutschland. Aus gutem Grund, sagt Bill Taylor, ein Sprecher vom US-Energieministerium.
    "Es handelt sich um 900 Kilogramm hoch angereicherten Urans. Das ist als Kraftstoff für Atomkraftwerke sehr viel wert. Wir wollen das Uran in unserem Chemiewerk von den anderen Materialien trennen und als günstige Energie für unsere Atomkraftwerke einsetzen."
    Die Grundlage für den Deal zwischen Deutschland und den USA ist das internationale Non-Proliferationsabkommen - auch bekannt als Atomwaffensperrvertrag. Danach nehmen Lieferstaaten spaltbares Material zurück, wenn es waffentauglich ist, damit das gefährliche Material nicht in falsche Hände gerät. So flog die sächsische Landesregierung bereits 2006 268 Kilogramm hoch angereicherten Urans nach Russland aus, das aus dem alten DDR-Forschungsreaktor Rossendorf bei Dresden kam.
    Widerstand in den USA
    Doch während Forscher der Savannah River Site neue Methoden entwickeln, um Uran von den anderen Produkten in den Brennelementen zu trennen, verlangen Kritiker etwas ganz anderes. Sie wollen keine Wiederaufbereitung von Uran, sondern eine dauerhafte und sichere Lagerung der gesamten Brennelemente.
    "In Savannah River Site wird nach einer neuen Methode gesucht, um Uran chemisch zu trennen. Doch das, was dort geplant wird, könnte die Vorzüge des internationalen Non- Proliferationsabkommens verwässern. Andere Länder könnten denken, dass wir versuchen, unseren Grundstock von waffenfähigem Uran zu vergrössern. Und dann wollen sie auch so etwas tun",
    warnt Ed Lyman von der Vereinigung besorgter Wissenschaftler, einer Nichtregierungsorganisation in den USA. Bill Taylor vom US-Energieministerium widerspricht: für solch eine Vermutung gäbe es keinen Anlass. Das Uran solle nur getrennt werden, um als Energiequelle zu dienen - eine lukrative Angelegenheit. Deutschland habe versprochen, die Vorbereitung und die Ausführung des Planes zum Export des Atommülls zu bezahlen. Dass eine Summe von 450 Millionen Euro im Gespräch sei, wie der "Spiegel" voriges Jahr berichtete, wollte er allerdings nicht bestätigen.
    "Ich habe noch keine Zahlen gesehen."
    Kritische Töne kommen auch von Umweltschützern wie Tom Clements, ein Gegner der Pläne der Savannah River Site. Für ihn steht fest, dass hier deutscher Atommüll in die USA verschoben werde. Dagegen will er kämpfen.
    "Es ist doch klar, dass die Savannah River Site keine Ahnung hat, was sie mit dem Atommüll aus Deutschland anfangen soll. Für mich ist es so, als ob Deutschland seinen Atommüll auf Amerika abwälzen will. Das geht doch nicht."
    Seine Meinung will der Umweltschützer weiter äussern - ebenso wie viele andere Gegner und Befürworter. Vor allem am 24.06., wenn das US-Energieministerium zu einer öffentlichen Versammlung einlädt, um die Pläne zur Zusammenarbeit beim Export deutschen Atommülls in die USA zu besprechen. Dass es zu einem Schlagaustausch kommen wird, ist jetzt schon sicher.