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Forschungsstation in den USA
Der Kampf um das Überleben der Lemuren

Auf Madagaskar leben rund 100 Arten einer einzigartigen Affenordnung - der Lemuren. 15 dieser Arten leben im Lemurenzentrum der Duke University im US-Bundesstaat North Carolina. Die Forscher dort wollen helfen, die bedrohten Tiere zu erhalten.

Von Joachim Budde | 20.10.2017
    Indris sind die größten lebenden Lemuren
    Indris sind die größten lebenden Lemuren (imago / blickwinkel)
    Wenn die Coquerel-Sifakas zum Fressen kommen, hat das etwas von Volkstanz. Denn die blond bepelzten, etwa einen halben Meter großen Affen schreiten seitwärts. Das sei einmalig, sagt Andrea Katz, die Tierkuratorin am Duke Lemur Center.
    "Keine andere Lemurengruppe macht das."
    Eigentlich können sich die Sifakas auf dem Gelände frei bewegen. Doch zum Fressen kommen die Tiere in einen großen Käfig, sagt Julie McKinney. Um sie vor den Kattas zu schützen.
    "Die Sifakas sind zwar größer – die Kattas sind aber dominanter und klauen ihnen das Fressen."
    Für die grauen Kattas mit ihrem langen, schwarz-grau geringelten Schwanz stehen um den Käfig herum Tröge aus Maschengitter mit Obst und Knödeln aus speziellen Futtermischungen. Nirgends auf der Welt außerhalb Madagaskars gibt es so viele Lemuren wie hier am Lemur Center der Duke University in Durham, North Carolina. Etwa 220 Tiere aus 15 Lemurenarten leben auf dem 32 Hektar großen mit lichtem Wald bewachsenen Gelände. Als das Lemur Center vor gut 50 Jahren gegründet wurde, war es eine reine Forschungseinrichtung. Heute dient es aber vermehrt auch als Basis für Initiativen zum Erhalt dieser Primaten. Denn den Lemuren geht es in freier Wildbahn schlecht, sagt Andrea Katz.
    "90 Prozent der Lemurenarten, von denen es noch vor zehn Jahren halbwegs gesunde Populationen gab, stehen inzwischen auf der Roten Liste als stark gefährdet oder vom Aussterben bedroht."
    Krasses Beispiel für die Bedrohung der Affen
    Damit sind die Lemuren besonders krasse Beispiele für die Situation vieler Affen: Eine kürzlich erschienene Studie stuft 60 Prozent aller Affenarten als gefährdet ein. Das ist deshalb so besorgniserregend, weil Affenarten wichtige Dienstleistungen in ihren Lebensräumen übernehmen.
    Auch das lässt sich an den Lemuren deutlich zeigen: Sie dienen Beutegreifern wie den Fossas als Nahrung – madegassischen Raubkatzen, die wie große braune Frettchen aussehen. Andere bestäuben Blütenpflanzen, sagt Tara Clarke.
    "Wie kleine nachtaktive Makis. Sie trinken Nektar aus Blüten, die sich nur nachts öffnen, und verteilen dabei den Pollen. "
    Allesfresser wie die Kattas, die im DLC auf ihren Futterknödeln herumkauen, verteilen zudem die Samen der Pflanzen, deren Früchte sie fressen – und zwar auf ihren Wanderungen über weite Strecken. Darunter ist der Baum der Reisenden, der in Madagaskar große wirtschaftliche Bedeutung hat.
    Tara Clarke verbringt jeden Nordhalbkugel-Sommer mehrere Wochen in Madagaskar und beobachtet die Tiere im Tsimanampesotse-Nationalpark. Sie sammelt Kotproben für ihre Forschung und findet darin Kerne und Samen.
    "Ich habe schon riesige Ficussamen unter einer dünnen Schicht Kot gefunden. Das Geschäft hat bestimmt wehgetan!"
    Mensch zerstört Lebensraum
    Eigentlich untersucht Tara Clarke den Kot, um die Verwandtschaftsverhältnisse der Katta-Gruppen zu erforschen. Aber die Daten sollen auch mit genetischen Proben von Kattas aus dem illegalen Handel für Haustiere abgeglichen werden, um festzustellen, woher die Tiere auf dem Schwarzmarkt stammen. Denn auch das gilt für die Kattas wie für andere gefährdete Affenarten: Der Mensch bedroht sie auf vielerlei Weise.
    "Der Mensch zerstört ihren Lebensraum, hat sie aus vielen Gebieten verjagt, und jetzt kommt noch hinzu, dass sie für den Verzehr oder als Haustiere verkauft werden – das war bis vor zehn Jahren auch noch kein Thema. Das kann nicht einmal eine so anpassungsfähige Art wie die Kattas überleben."
    Im Jahr 2000 hat der Anthropologe Robert Sussman die Katta-Population in freier Wildbahn noch auf 700.000 Tiere geschätzt. Heute taxiert Tara Clarke ihre Zahl nur noch auf zwischen 2.500 und 5.000 Exemplare.
    "Es gibt also mehr Kattas in Gefangenschaft in den USA als auf Madagaskar. Das ist schockierend."
    Das Problem ist: Die Menschen in den entlegenen Gegenden Madagaskars leben von dem, was sie im Wald finden. Sintflutartige Regenfälle und lange Dürreperioden rauben ihnen die Lebensgrundlage.
    "Dort hungern Menschen. Die internationale Gemeinschaft tut zu wenig, um ihnen zu helfen. Die Leute aus dem Dorf, mit denen wir arbeiten, hatten im vergangenen Jahr für ihre Familien zwei Tage lang nichts zu essen."
    Tara Clarke hat die Organisation Lemurlove gegründet, um den Primaten auf Madagaskar zu helfen. Dazu unterstützt Lemurlove auch die Menschen, damit sie sich ernähren können, ohne den Wald zu zerstören. Denn nur, wenn der Wald sich erholen kann, haben auch die Lemuren eine Chance.