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Fortschritt in der Molekular-Elektronik
Das Handy-Molekül

Die alte Halbleitertechnologie könnte irgendwann durch die sogenannte molekulare Elektronik abgelöst werden. Nicht mehr Schaltkreise aus Silizium, sondern einzelne Moleküle sollen die digitalen Rechenoperationen übernehmen. Physiker der TU Delft haben einen neuen Baustein für diese Zukunftstechnologie entwickelt - ein Molekül, das für Mobilfunk und WLAN wichtig werden könnte.

Von Frank Grotelüschen | 18.11.2014
    Das "Handymolekül" wird in farbigen Lösungen aufbewahrt.
    Das "Handymolekül" wird in farbigen Lösungen aufbewahrt. (Deutschlandradio - Frank Grotelüschen )
    "Wir sind in unserem Molekularelektronik-Labor. Hier untersuchen wir die elektronischen Eigenschaften von einzelnen Molekülen."
    Riccardo Frisenda, Physiker an der Technischen Universität Delft, steht zwischen Vakuumpumpen, Heliumkannen und selbst gebauten Messapparaturen. Aus einem Regal holt er ein kleines Fläschchen, darin eine leuchtend gelbe Flüssigkeit.
    "Dieses Gläschen enthält eine Flüssigkeit, in der eine bestimmte Sorte von Molekül gelöst ist. Ein Tröpfchen davon geben wir auf dieses Goldplättchen hier. In dessen Mitte sind ein paar Kontakte, die so winzig sind, dass man sie mit bloßem Auge gar nicht erkennen kann. An diese Kontakte lagert sich das Molekül an. Und nachdem die Flüssigkeit getrocknet ist, können wir an die Kontakte eine elektrische Spannung anlegen."
    Ein Teststand für die Nanowelt, mit dem sich präzise messen lässt, wie ein elektrischer Strom durch ein einzelnes Molekül fließt. Vor einiger Zeit haben Frisenda und seine Leute damit ein eigens aus Kohlenstoff und Wasserstoff designtes Molekül untersucht.
    "Dieses Molekül ist lang gestreckt, ähnelt also einem Draht. Es besteht aus zwei identischen Teilen, verbunden durch eine Art Kupplung. Und diese Kupplung verleiht ihm eine Eigenschaft, die viel interessanter ist als die eines simplen Drahts."
    Und zwar ist der Stromfluss durch dieses Molekül höchst ungewöhnlich. Steigert man bei einem gewöhnlichen Draht die Spannung, nimmt auch der Strom in ihm zu. Genau das passiert im Wohnzimmer, wenn man den Dimmer hochdreht und das Licht heller wird. Ganz anders beim Molekül aus Delft.
    "Dreht man bei unserem Molekül die Spannung hoch, nimmt der Stromfluss ab einem bestimmten Punkt wieder ab. Das wäre so, als würde das Licht, wenn man den Dimmer immer weiter aufdreht, erst ein bisschen heller, dann aber immer dunkler. Und das ist ein sehr brauchbarer Effekt, und zwar für die Elektronik."
    Molekül könnte Funktion der Resonanztunneldiode übernehmen
    Dahinter steckt ein Quantenphänomen: Solange nur eine schwache Spannung anliegt, befinden sich die beiden Hälften des Moleküls in Resonanz - mit der Folge, dass über die Kupplung Strom fließen kann. Doch wird die Spannung erhöht, verschwindet die Resonanz plötzlich. Damit sinkt die Leitfähigkeit der Kupplung - und auch der Stromfluss durchs Molekül.
    "Ein Bauteil, das denselben Effekt zeigt, gibt es auch in der gewöhnlichen Elektronik. Es heißt Resonanztunneldiode und wird in Handys und bei WLAN eingesetzt, um Funksignale zu senden. Genau diese Funktion könnte auch unser Molekül übernehmen, und zwar auf viel kleinerem Raum."
    Im Prinzip also ein Ansatz, mit dem sich eine deutlich kompaktere Elektronik bauen ließe. Doch ganz so weit ist die Forschung noch nicht, sagt Riccardo Frisenda.
    "Ein einzelnes Molekül ist zwar extrem klein, es misst nur wenige Nanometer. Aber das, was wir brauchen, um es anzusteuern, ist noch ziemlich groß - das sehen Sie hier an den Apparaten in unserem Labor. Die Herausforderung ist also, das ganze Drumherum zu verkleinern. Also: Von einer Massenfertigung sind wir noch ein gutes Stück entfernt."