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Fotoausstellung im Brooklyn Museum
Israel als Ort und Metapher

Das Brooklyn Museum zeigt derzeit die Bilder zwölf internationaler Fotokünstler, die zwischen 2007 und 2012 wiederholt nach Israel und in die West Bank gereist sind. Der Auftrag: das Land als "Ort und Metapher" zu ergründen. Dabei hatten sie freie Wahl bei ihren Sujets, aber auch die Länge ihrer Aufenthalte waren sehr unterschiedlich. Entsprechend heterogen fällt das Ergebnis aus.

Von Sacha Verna |
    Ob bewegt oder unbewegt, die Bilder aus Israel sind immer furchtbar: Krieg, Trümmer, Menschen, Kriegstrümmermenschen.
    Nichts dergleichen ist auf den Fotografien des Amerikaners Fazal Sheikh in der Ausstellung im Brooklyn Museum zu sehen. Von einem Flugzeug über der Negev Wüste aus wirken menschliche und unmenschliche Spuren gleichermaßen wie fremde Schriftzeichen im Sand. Eine Entsorgungsanlage für Giftstoffe, eine unfertige Siedlung, Gräben für einen geplanten Olivenhain - so viel verraten die kurzen Beschreibungen. Doch implizieren diese Aufnahmen in ihrer Abstraktheit keine politische Stellungnahme und fordern vom Betrachter auch keine ein.
    "Die Idee war, Künstler dazu aufzufordern, über das Pro und Contra, über das binäre Muster 'Israel - Opfer oder Übeltäter' hinauszublicken. Künstler, die bereits über eine eigene fotografische Sprache verfügen. Sie sollten die Politik nicht ignorieren, denn das ist unmöglich. Aber sie sollten versuchen, dieses Land in seiner Komplexität zu erfassen, bevor es politisch und religiös wird."
    Frédéric Brenner ist der Initiator von "This Place". Der französische Fotograf hat unter seinen internationalen Kollegen elf für dieses Projekt ausgewählt, die zwischen 2007 und 2012 wiederholt für jeweils einige Wochen oder Monate nach Israel und in die West Bank reisten, um statt des Pulverfasses das Drumherum zu ergründen.
    Bekannt geworden ist Brenner mit Aufnahmen von jüdischen Gemeinden auf der ganzen Welt. Für "This Place" hat er hauptsächlich Familien fotografiert: einen orthodox-jüdischen Patriarchen mit seiner Frau und neun Kindern am Mittagstisch; eine andere, eher an Öko-Hipster erinnernd, mit ihren Schafen in den judäischen Hügeln.
    Keine Antworten liefern, sondern Fragen stellen
    Thomas Struth war während seiner sechs Aufenthalte auf der Suche nach Motiven, die über spezifische Details hinausdeuten. So formuliert der deutsche Fotokünstler es in einem Interview. Wie üblich im Großformat zeigt er einen Aussichtspunkt in den Golanhöhen, der in jedem anderen Land ideal für Wanderer wäre und den man nicht mit Beton und Maschendraht befestigt hätte. Daneben könnten die Maschinen und Schläuche im Plasma-Labor des renommierten Weitzmann Institutes einem gigantischen Roboter als Verdauungstrakt dienen.
    Sie wollten keine Antworten liefern, sondern Fragen stellen, sagt Frédéric Brenner. Beliebigkeit ist eine Folge davon. Oder Vielfalt, je nach Interpretation. Es sei ein fragmentarisches Projekt, weil es so viele Perspektiven enthalte wie Teilnehmer.
    Am fragmentarischsten ist die Perspektive der Amerikanerin Wendy Ewald. Ihre Arbeit umfasst über 400 postkartengroße Aufnahmen, die jedoch nicht von ihr selber stammen, sondern von ihren Sujets. Händler am Mahane Yehuda Markt in Jerusalem haben ihresgleichen beim täglichen Geschäft fotografiert. Sechstklässler in einem Beduinendorf fanden ein frisch geschlachtetes Lamm interessant und einen schiefen Solarkollektor mitten in der Einöde. Was abbildungswürdig ist, bestimmen in diesen Bildern jene, die das Land bewohnen, über das die meisten Außenstehenden bereits feste Ansichten haben.
    Manche Fotografien in dieser Ausstellung sind nicht weniger verstörend als die Bilder aus dem Nahen Osten, mit denen die Medien ihr Publikum füttern - mit dem entscheidenden Unterschied allerdings, dass man Bilder dieser Art noch nicht zu ignorieren gelernt hat. Und hinschauen tut not.
    Brooklyn Museum, New York: "This Place". Bis 5. Juni.