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Fotografie
Die Ästhetik der Paparazzi

Paparazzi lassen sich die verrücktesten Dinge einfallen, um an exklusive Bilder der Schönen und Reichen zu gelangen. Manchmal werden die Fotojäger aber auch selbst zum Motiv. So auch in der Ausstellung "Paparazzi! Fotografen, Stars und Künstler" in der Schirn Kunsthalle Frankfurt.

Von Julian Ignatowitsch | 27.06.2014
    In der Ausstellung "Paparazzi! Fotografen, Stars und Künstler" in der Frankfurter Schirn symbolisiert eine Installation das Blitzlichtgewitter von Fotokameras.
    In der Ausstellung symbolisiert eine Installation das Blitzlichtgewitter von Fotokameras. (picture alliance / dpa - Boris Roessler)
    Plötzlich stehen Sie im Spotlight. Umzingelt von Kameras und Mikrofonen, unter Blitzlichtgewitter, auf dem roten Teppich betreten Sie die Ausstellung in der Schirn Kunsthalle Frankfurt. Sie sind der Star!
    Der Besucher solle ruhig die Gewalt des Starseins spüren, sagt Kurator Clement Cheroux. Paparazzo - der Begriff stammt aus Federico Fellinis Meisterwerk "La Dolce Vita" und verheißt nichts Gutes. "Pappataci", die Stechmücke, "razzi", das Blitzlicht und "ragazzi", der junge Mann, stecken in dem Wort.
    "Das Phänomen des Fotografen, der Stars bedrängt, der Stars verfolgt. Dieses lästige kleine Tierchen... "
    Kuratorin Katharina Dohm bemüht noch eine andere Metapher, wenn sie von Paparazzi spricht:
    "Wie ein Jäger im Jagdbereich, auch was das Vokabular betrifft: Man sagt, man wird abgeschossen, die Fotografen liegen auf der Lauer, sie jagen - das Opfer sind die Frauen."
    Nein, sie, Lady Gaga, ist nicht dabei. Dafür ihre mindestens genauso begnadete Musikerkollegin Britney Spears, die Filmdiven Liz Taylor und Brigitte Bardot, First Lady Jacky Kennedy, Prinzengattin Lady Diana und It-Girl Paris Hilton. Nostalgie und Zeitgeist vereint: Damals, die Enthüllung der Liebesaffäre von Taylor und Richard Burton, die Nacktbilder von Bardot und Gunter Sachs; heute, die entblößte Brust von Paris beim Baden oder Britneys Unten-ohne-Fauxpas.
    "The photographers are mainly men; but the subject, the one they are hunting, are mainly women. That is a question of sexuality and gender."
    Aber sie wehren sich.
    Wurfgeschoss und Mittelfinger - Waffen gegen Paparazzi
    Legendär ist der Rechtsstreit "Galella vs. Onassis". Jackie Kennedy Onassis erwirkte vor Gericht, dass der Fotograf Ron Galella sich ihr und ihren Kindern auf nicht mehr als 7,50 Meter nähern durfte. Das Bild "Maßband" zeugt von dieser skurrilen Regel. Bardot, die anfangs noch mit ihren Verfolgern kokettierte, sperrte sie bald konsequent aus, mied jeden Kontakt zur Paparazzi-Meute, die daraufhin mit Plakaten auf der Straße protestierten. Und es geht auch brachialer - natürlich: die Männer. Ob als faust-echter Beschützer wie Anthony Steel für Anita Ekberg, ob mit einem Baseball als Wurfgeschoss wie George Clooney oder lässig Rock'n Roll, der Mittelfinger a la Mick Jagger.
    "All these things at the end make a type of aesthetic, which is the paparazzi aesthetic."
    Und diese Paparazzi-Ästhetik macht sich auch die Bildende Kunst zu eigen. Nach den Fotografen und Stars zeigt die Ausstellung im letzten Drittel die Künstler, darunter Andy Warhol mit einem Siebdruck von Titelseiten des Klatschblatts "Bunte". Besonders amüsant sind die Paparazzi-Fantasien von Alison Jackson. George Bush sitzt verdattert vor einem Zauberwürfel, die Queen auf der Toilette, und Lady Di geht - shoppen mit Marilyn Monroe. Natürlich nicht wirklich. Alle Abgelichteten sind Doubles. Ihren Vorbildern stehen sie aber in Nichts nach.
    Und dann ist da noch Jonathan Horowitz' "Daily Mirror". Er nimmt den Spiegel wörtlich. Die Besucher können sich selbst auf die Titelseite des Magazins spiegeln. Ja, und dann denken Sie womöglich: Ich bin ein Star!