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Fotoprojekt "Dancing Shoes"
Was Schuhe über Musiker verraten

Seit bald zehn Jahren fotografiert Gerrit Starczewski regelmäßig die Schuhe von Musikern. Die Bilder sind inzwischen sein Markenzeichen und auf der ganzen Welt zu sehen. Schuhe sagen viel über den Menschen aus. Mancher Künstler entwickelt im Laufe seiner Karriere auch einen ganz neuen Schuhgeschmack.

Von Julia Batist | 21.08.2014
    Menschen hinterlassen feine Spuren im Sand des Strandbades Eldena bei Greifswald
    Gerrit Starczewski fotografiert Musiker-Schuhe, allerdings von oben (dpa/picture alliance/Stefan Sauer)
    Gerrit Starczewski:
    "Das sind die gleichen Schuhe, die ich auch auf meiner Vernissage anhatte. Aber da waren die noch ganz goldig, und wenn man jetzt sieht, sieht man sie sind grau, abgenutzt, voller Schlamm. Und nächste Woche glänzen sie wieder. Weil ich die Schuhe immer wieder mit Gold einsprühe. Und das Gold steht für Glanz, Glamour, den es im Rock'n Roll ja auch gibt aber das Graue, Abgenutzte steht natürlich auch für die Tristesse und auch für die Vergänglichkeit und für auch einsame Momente."
    Der Fotograf Gerrit Starczewski blickt auf seine Schuhe, halb hohe, dunkle Lederstiefeletten, vorne spitz zulaufend.
    "Abseits auch von Musikern schaue ich Menschen immer als erstes auf die Schuhe. Schuhe sind immer die Kleinigkeiten im Leben, die über einen Menschen viel verraten. Schuhe sind mitunter was Unscheinbares, wo doch aber eine sehr starke Aussage hinter steckt."
    REM, Depeche Mode oder auch Peaches
    2005 hat er sein erstes Schuhbild geschossen: die braunen Lederschnürer von Michael Stipe.
    "Michael Stipe von REM hat der Legende nach tatsächlich zwanzig Jahre auf der Bühne immer den gleichen Schuh getragen. Wenn man diesen Schuh sieht, sieht man der ist so abgenutzt, der hat so viele Falten, kann man dieser Legende durchaus auch Glauben schenken."
    2009 kam der erste Bildband heraus, für sein neues Buch hat Starczewski 150 weitere Musiker-Schuhe geknipst. Die Schnürstiefel von Peaches, die Leder-Sneaker von George Ezra oder die schwarzen Absatz-Schuhe von Depeche Mode-Sänger Dave Gahan. Starczewski ist viel auf Konzerten unterwegs. Seine Bilder entstehen meist direkt vor der Bühne.
    "Bei manchen Musikern, als sie kleiner waren, hatten sie abgefuckte Schuhe. Werden sie größer, siehst du die nur noch in glänzenden Schuhen. Weil sie auch irgendwie von jemanden ausgestattet werden. Das ist teilweise schon interessant zu sehen, wo das einfach komplett abgestimmt ist dem Image wegen.
    Mein Einstieg ist immer wenn ich den Musiker portraitiere, dass ich ihm in die Augen schaue aber dann mit der Kamera sofort auf die Füße gehe, ohne dass ich irgendwie was genau dazu sage. Weil dann hast Du ja genau so'n überraschenden Moment. Und das ist ja wiederum was total spannend ist."
    "Das hatte ich mal mit Franz Ferdinand, Alex Kapranos stellt sich hin mit einer Lederjacke, ja und guckt dich in so einer leicht arroganten Rockermanier an aber steht mit seinen Füßen so ineinander verschränkt. Das ist halt schon was, was durchaus spannend ist, was vielleicht auch widersprüchlich sein kann."
    Barfüßler ziehen für ihn Schuhe an
    Seit acht Jahren lebt Gerrit Starczewski von der Fotografie. Heute ist er 28. Die Musiker, die er vom Fotograben vor der Bühne aus ablichtet, lernt er oft persönlich kennen. Beth Ditto, die Frontfrau der Band Gossip, ließ sich schnell für ein Schuhbild begeistern. Und das obwohl die korpulente Sängerin am liebsten barfuß auf der Bühne steht.
    Beth Ditto:
    "Ich trage Schuhe sehr selten eng geschnürt. Ich fühle mich dann nicht wohl als ob ich die Musik nicht spüren kann. Ich weiß, das klingt albern aber ich kann dann wirklich nicht in meinem Körper sein. Ich ziehe sie für das Outfit an und dann ziehe ich sie aus."
    Starczewskis Bild zeigt beides – einen nackten Fuß, leicht bröckelnder, schwarzer Nagellack auf den Zehennägeln. Rechts daneben der Bühnenlook: schwarze, offene Damenschuhe mit Riemchen und Absatz. Schuhe erzählen Geschichten meint Beth Ditto.
    Beth Ditto:
    "Meine Mutter war Krankenschwester. Es gibt keinen anderen Menschen, bei dem ein Paar Schuhe, das ihr jemand gibt, so lange hält. Man konnte sehen, dass sie sie pflegte. Aber auch, dass sie abgetragen waren. Du sahst also, dass sie sich den Arsch abarbeitet aber sehr für Dinge sorgt, die sie von anderen bekommt. Wenn man darüber nachdenkt kann man doch sehr viel an den Schuhen der Leute ablesen."
    Seine Schuhbilder haben Gerrit Starczewski zu einem genauen Beobachter gemacht.
    "Mit den Schuhbildern möchte ich dem Betrachter einen anderen Blickwinkel auf die Musik und auf die Protagonisten des Rock'n Roll mitbringen und man an den Schuhen auch wieder sieht, dass auch die Musiker – selbst wenn sie auf der Bühne stehen und vor zig Tausend Menschen spielen – doch auch nur Menschen sind.
    Irgendwie haben davon doch schon viele Musiker erfahren und auch schon mal von gehört und so was ist natürlich schon halt sehr schmeichelnd. Oder auch schon mal ne Situation gehabt, dass dann halt ein Künstler sagt, warum hast Du mich nicht in Dein Buch gepackt."
    Die Bilder touren als Ausstellung seit 2008 durch die Welt. Allein 5000 Besucher haben sie in Amsterdam gesehen. Dank einer Kooperation mit dem Goethe Institut waren sie in Chile, Brasilien und Litauen. Aufhören will Gerrit Starczewski noch lange nicht.
    "Du bist ein kleiner, junger Typ vom Land und hast dann irgendwelche Ideen und setzt Deine Ideen um. Und dann siehst Du auf einmal, dass Deine Bilder international hängen und zig Tausende Menschen Deine Bilder gesehen haben. Das ist doch das Tollste. "