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Fotosynthese
Turbotabak mit Blaualgenmotor

Genetik. - Die Fotosynthese ist die Basis des Lebens auf der Erde. Pflanzen nutzen dabei die Energie des Sonnenlichts, um aus CO2 Zucker und andere organische Verbindungen herzustellen. Gentechniker würden diesen Prozess nur allzu gern beschleunigen, aber das erwies sich als schwieriger als gedacht. Erst mit Genen aus Blaualgen konnten jetzt die Fotosyntheseleistung von Tabakpflanzen im Labor erheblich gesteigert werden.

Von Michael Lange | 18.09.2014
    Bei der Fotosynthese der Pflanzen steht ein Enzym im Mittelpunkt. Wissenschaftlich heißt es: Ribulose-1,5-Bisphosphat-Carboxylase. Aber wie alle Forscher spricht Maureen Hanson von der Cornell-Universität in Ithaca, New York, lieber von RuBisCO.
    "Rubisco ist das wahrscheinlich häufigste Enzym der Welt – und auch das wichtigste. Mit seiner Hilfe binden Pflanzen das Kohlendioxid der Luft – das CO2 - und sie speichern es als organische Verbindungen. Der Kohlenstoff für alle Pflanzen, Tiere und Menschen stammt letztlich von Rubisco, denn dieses Enzym gewinnt Kohlenstoff aus der Atmosphäre."
    Hunderte Millionen Jahre hat die Natur Zeit gehabt, das Enzym Rubisco zu optimieren. Und dennoch ist Rubisco längst nicht so leistungsfähig wie es sein könnte: Eher ein zuverlässiger Dieselmotor als ein Turbomotor für einen Sportwagen. Dabei hält die Natur auch eine Turbo-Variante bereit. Sie befindet sich im Innern winziger Cyanobakterien.
    "Cyanobakterien, auch Blaualgen genannt, können CO2 viel effizienter binden und verarbeiten als Pflanzen. Dazu müssen sie aber das CO2 im Innern ihrer Zellen anreichern. Das machen sie in winzigen Kammern – Carboxysomen genannt. Wir wollen nun die Strategie der Cyanobakterien auf Pflanzen übertragen. "
    Leistungsfähigeres Blaualgenenzym arbeitet in Tabakpflanzen
    Das Ziel der Forscher: Sie wollen die Fotosyntheserate steigern, damit die Pflanzen schneller wachsen. Dazu hat das Team um Maureen Hanson das zuständige Gen aus Cyanobakterien in Tabakpflanzen eingeschleust. Der Turbomotor für eine beschleunigte Fotosynthese stünde also bereit. Was noch fehlt ist der Brennstoff. Damit das Blaualgen-Enzym genug CO2 erhält, wachsen die Tabakpflanzen in luftdicht abgeschlossenen Klimakammern mit reichlich CO2.
    "Die Tabakpflanzen sehen völlig normal aus – wie Tabak auf einem Feld. Aber sie wachsen halt nur in unseren Spezialkammern. Denn sie brauchen die erhöhte CO2-Konzentration. Nur unter diesen künstlichen Bedingungen zeigen sie ihre Leistungsfähigkeit - aber leider noch nicht in der natürlichen Atmosphäre."
    Deshalb haben die Forscher der Cornell-Universität begonnen, nicht nur Gene, sondern auch die Carboxysomen der Cyanobakterien in Tabakpflanzen zu überführen. Wenn das gelingt, könnten auch Zellen des Tabaks CO2 in ihrem Innern anreichern. Die Tabakpflanzen könnten die Klimakammern verlassen und an der frischen Luft wachsen. Die Versuche haben bereits begonnen. Und auch andere Nutzpflanzen könnten nach diesem Prinzip gentechnisch manipuliert werden, meint Maureen Hanson.
    "Gerne würden wir das gleiche Prinzip bei anderen Nutzpflanzen ausprobieren, nicht nur beim Tabak. Aber bei vielen Arten steht die dazu notwendige Technik nicht zur Verfügung. Es gibt nur wenige Nutzpflanzen, wie die Sojabohne, auf die sich das Verfahren übertragen ließe."
    Die so manipulierten Pflanzen wären gentechnisch verändert – und zwar grundsätzlicher als bisherige Gentech-Pflanzen. Anders als ihre Vorgänger würden sie schneller wachsen und mehr produzieren als konventionell gezüchtete Artgenossen. Und auch die Risiken der Freisetzung müssten bei diesen Gentech-Pflanzen der nächsten Generation neu bewertet werden.