Mittwoch, 17. April 2024

Archiv

Fracking
"Weiterhin strenge Beschränkungen"

Fracking soll in Deutschland nur zu wissenschaftlichen Zwecken und nur unterhalb von 3.000 Metern Tiefe erlaubt werden, sagte Bundesumweltministerin Barbara Hendricks (SPD) im DLF. Daran werde auch die jetzt eingesetzte Expertenkommission nichts ändern.

Barbara Hendricks im Gespräch mit Friedbert Meurer | 17.11.2014
    Die Bundesumweltministerin Barbara Hendricks am 24.10.2014.
    Die Bundesumweltministerin Barbara Hendricks (Fredrik Von Erichsen / dpa)
    Die Experten könnten allenfalls Empfehlungen aussprechen, sagte Bundesumweltministerin Barbara Hendricks im Deutschlandfunk. Die zuständigen Wasserschutz- und Bergbaubehörden seien letztendlich für die Genehmigungen zuständig. Und dabei sei der Naturschutz das höchste Gut. "Alle umwelttoxischen Stoffe bleiben verboten. Das Grundwasser darf nicht gefährdet werden", sagte die Umweltministerin.
    Die Kommission bündele den Sachverstand. Aus ihren Empfehlungen resultiere kein Anspruch auf Genehmigung. Bis auf weiteres bleibe Fracking in Deutschland auch nur zum wissenschaftlichen Erkenntnisgewinn erlaubt. "Wirtschaftliche Zwecke sind nicht vorgesehen." Dennoch könne Fracking nicht für immer verboten werden. "Das geht nicht", sagte Hendricks. "Wir müssen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit berücksichtigen". Solle irgendwann einmal feststehen, dass Fracking völlig unbedenklich für die Umwelt sei, könne man es nicht dauerhaft verbieten.

    Das Interview in voller Länge:
    Friedbert Meurer: In Deutschland sollte Fracking eigentlich komplett verboten werden, aber jetzt gibt es in der Regierung einen Kompromiss. Es soll ein unbefristetes Moratorium geben für das Fracking. Aber auf der anderen Seite wird es eine Expertenkommission geben, ob nicht hier und da doch in Deutschland irgendwann gefrackt werden darf. Barbara Hendricks ist die Bundesumweltministerin von der SPD. Sie wollten ja Fracking eigentlich ganz verbieten. Kommt es jetzt anders?
    Hendricks: Nein, es kommt nicht anders. Generell wird das Fracken mit umwelttoxischen Stoffen verboten. So hatten wir das auch in der Koalitionsvereinbarung festgelegt und dieses Verbot ist absolut unbefristet. Man wird also keinerlei irgendwie wassergefährdende Stoffe einsetzen dürfen, auch nicht bei Probebohrungen. Und dann bleibt es dabei: Das Fracking wird in allen sensiblen Gebieten wie Wasserschutzgebiete oder Heilquellenschutzgebiete nicht erlaubt, bleibt verboten. Und es darf auch allenfalls nur zu Probezwecken, zu wissenschaftlichen Zwecken tiefer als 3000 Meter unter der Erde eingesetzt werden, also nicht oberhalb von 3000 Meter Tiefe. Das bedeutet, dass zunächst mal Probebohrungen zwar erlaubt sind und die auch wissenschaftlich ausgewertet werden dürfen, aber jedenfalls für wirtschaftliche Zwecke erst mal überhaupt gar kein Fracking erlaubt ist. Wenn es ausnahmsweise vielleicht doch auch zu wirtschaftlichen Zwecken angewandt werden dürfte, dann gilt weiterhin der wasserrechtliche Besorgnisgrundsatz. Das Wasserhaushaltsgesetz ist da sehr strikt. Die Bergbehörden müssen es genehmigen und die zuständige Wasserbehörde müsste es genehmigen. Das ist aber äußerst zweifelhaft, dass das wirklich geschehen würde.
    Meurer: Sie sagen aber, Frau Hendricks, vielleicht ausnahmsweise. Kann die Expertenkommission, die es geben soll, kann die die Ausnahmen definieren?
    Hendricks: Diese Expertenkommission, die wir vorgesehen haben, soll den breiten wissenschaftlichen Sachverstand in der Bundesrepublik bündeln. Darunter sind selbstverständlich auch alle Umweltwissenschaftler, zum Beispiel das Umweltbundesamt soll in dieser Expertenkommission auch vertreten sein, sodass die verschiedenen wissenschaftlichen Kenntnisstände sozusagen zusammengefügt werden. Nur wenn diese Kommission mehrheitlich die Unbedenklichkeit genau dieser geologischen Formation tatsächlich bestätigt, dann könnten, dann könnten die Genehmigungsbehörden genehmigen, sie müssen aber nicht. Es gibt keinen Anspruch auf Genehmigung. Selbst wenn diese Expertenkommission zu dem Schluss käme, dass es unbedenklich sei, gibt es immer noch keinen Anspruch auf Genehmigung.
    Behörden können Expertenkommission überstimmen
    Meurer: Aber das Wort der Kommission hätte schon einiges Gewicht, oder?
    Hendricks: Das Wort der Kommission würde eine Aussage treffen im Sinne von: In dieser geologischen Formation ist es unbedenklich. Das müsste diese Kommission schon mit Mehrheit sagen. Und wenn das so wäre, dann könnte die Bergbehörde genehmigen, aber wiederum nur, wenn die Wasserbehörde - die ist normalerweise bei den Kreisen und kreisfreien Städten angesiedelt - auch sagt, auch unter wasserrechtlichen Gesichtspunkten, also unter Trinkwassergesichtspunkten ist es unbedenklich. Im Wasserhaushaltsgesetz gilt der Besorgnisgrundsatz. Das sagte ich eben schon. Und wenn die Wasserbehörde sagt: Nein, nein, wir sind aus den und den Gründen besorgt, dass es hier doch zu einer Schädigung des Grundwassers käme, ...
    Meurer: Dann überstimmt die die Expertenkommission, die anderer Meinung ist?
    Hendricks: Richtig! Richtig! Richtig!
    Meurer: Und wenn die sagt: Nein, das mit dem Wasser sehen wir aber anders, es gibt jetzt neue Fracking-Methoden?
    Hendricks: Nein, nein! Das kann die Expertenkommission nicht sagen, sondern die Genehmigungsbehörde kann allenfalls auf den Rat der Expertenkommission hören. Sie muss ihm aber nicht folgen. Die Genehmigungsbehörde bleibt unabhängig, das ist die zuständige bergrechtliche Behörde und die zuständige Wasserbehörde. Die können das nur gemeinsam genehmigen.
    Meurer: Sie haben gerade, Frau Hendricks, von Probebohrungen gesprochen. Unter welchen Voraussetzungen sind im Moment oder für die nächsten Jahre Probebohrungen möglich?
    Hendricks: Probebohrungen zu wissenschaftlichen Zwecken sind nur möglich, wenn keinerlei Schadstoffe eingesetzt werden, also wenn die sogenannte Frack-Flüssigkeit nach dem Wasserrecht die Gefährdungsklasse null hat. Das gibt es. Da gibt es eine Einteilung. Also: gar keine Gefährdungsklasse. Und wenn das jedenfalls nicht in den genannten Gebieten - Wasserschutzgebiete, Heilquellenschutzgebiete - und allenfalls unterhalb von 3000 Meter Tiefe eingesetzt wird. Auch für Probebohrungen zu wissenschaftlichen Zwecken gibt es ganz strenge Begrenzungen.
    "Das Wichtigste ist die Gesundheit der Menschen"
    Meurer: Warum ist das mit den 3000 Metern so wichtig?
    Hendricks: Das hat damit zu tun, dass man damit sehr weit vom Grundwasser entfernt ist, weil das Grundwasser, das wirklich nutzbare Grundwasser - es gibt natürlich auch in größerer Tiefe noch Wasser, aber da sind sozusagen natürliche Salze drin -, das wir zu Trinkwasser benutzen, ist höher als 3000 Meter Tiefe. Und das soll in keiner Weise angegriffen werden. Das Wichtigste ist eben die Gesundheit der Menschen und dafür brauchen wir auch gesundes Trinkwasser.
    Meurer: Diese Probebohrungen oberhalb von 3000 Meter: Kann die Expertenkommission, die es ja geben wird, einzelne Probebohrungen erlauben in dieser, es geht wohl vor allen Dingen um die Schicht zwischen 2000 und 3000 Metern?
    Hendricks: Nein, nein! Es bleibt bei den 3000 Metern.
    Meurer: Oder eine Empfehlung ausgeben?
    Hendricks: Sie kann möglicherweise eine Empfehlung aussprechen. Aber das Verbot gilt: Oberhalb von 3000 Metern Tiefe darf nicht gefrackt werden.
    Meurer: Was kann diejenigen, die sich vor dem Fracking sorgen, sicher machen, dass nicht eines Tages doch mit viel Aufwand und neuen Methoden das Gasfracking doch in Deutschland betrieben wird?
    Hendricks: Sehen Sie, es ist natürlich nicht vollkommen ausgeschlossen, dass es irgendwann soweit kommt. Zu diesem Zweck gibt es ja auch wissenschaftlich fundierte Probebohrungen. Es ist schon so, dass wir in der Bundesrepublik Deutschland nicht einfach irgendwas auf alle Zeiten verbieten können, denn wir müssen schon den Rechtsgrundsatz der Verhältnismäßigkeit einhalten. Wenn es in keine Ahnung wie langer Zeit tatsächlich wissenschaftlich nachgewiesen wäre, dass es absolut unschädlich wäre, dann könnte man es auf Dauer nicht verbieten, weil wir haben natürlich auch in unserem Zusammenleben andere Gefährdungen, die nicht verboten werden. Aber ich sehe das nicht. Nur wir dürfen nicht irgendetwas vollständig verbieten; dann würde der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz nicht eingehalten, und das ist immerhin auch ein in der Verfassung fundierter Rechtsgrundsatz.
    "Es gibt keinen Druck von Energiekonzernen auf mich"
    Meurer: In den USA ist Fracking ein großer Erfolg, ökonomisch jedenfalls. Wie groß war der Druck auf Sie, Frau Hendricks, von den Energiekonzernen und den Wirtschaftspolitikern?
    Hendricks: Nein! Es gibt keinen Druck von den Energiekonzernen auf mich. Wir mussten uns natürlich verständigen innerhalb der Koalition, und ich habe mich damit durchgesetzt, dass das Fracking verboten ist, unbefristet verboten ist, und dass es nur in ganz seltenen Ausnahmefällen erlaubt werden kann.
    Meurer: Gab es dann den Druck durch den Wirtschaftsminister?
    Hendricks: Nein! Es gab keinen Druck durch den Wirtschaftsminister. Es gab eine Verabredung, wir gehen jetzt erst förmlich in die Ressortabstimmung hinein. Es gab eine Verabredung zwischen meinem Ministerium, dem Wirtschaftsministerium, dem Bundeskanzleramt und insbesondere auch den Koalitionsfraktionen. Die Koalitionsfraktionen sind selbstverständlich frei, auch im Gesetzgebungsverfahren noch Änderungen vorzunehmen. Das erwarte ich eigentlich auch, dass dort noch Änderungen kommen.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.