Dienstag, 19. März 2024

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"Frage, was dein Land für dich tun kann"

Bernd Weiß war Staatssekretär im bayerischen Innenministerium und kennt den rauen Ton seines CSU-Vorsitzenden Horst Seehofer und anderer Politiker. Politische Führung und der Umgang mit den Wählern sind Thema seines Buches - in dem er eine ehrlichere Politik für Deutschland fordert.

Das Gespräch führte Friedbert Meurer | 08.01.2013
    Friedbert Meurer: Zwei politische Ereignisse zählen zu Jahresbeginn zu den Ritualen hierzulande. Erst zelebriert die FDP ihr Dreikönigstreffen in Stuttgart, dann folgt in Wildbad Kreuth die CSU mit ihrer Klausur. Das gibt dann schöne bajuwarische Aufnahmen vor großartiger Alpenkulisse. Dieses Jahr ist die CSU prinzipiell eigentlich recht frohgemut: Die Umfragen stimmen, das Betreuungsgeld wurde erkämpft. Wäre da nicht der Ministerpräsident und Parteivorsitzende Horst Seehofer höchst selbst. Er hat bei einer Weihnachtsfeier die halbe CSU-Prominenz ziemlich abgewatscht.
    Horst Seehofer fordere nicht Mitarbeit, sondern Gefolgschaft, er folgt Meinungsumfragen und nicht Prinzipien. Das sagt immerhin ein ehemaliger enger Mitarbeiter Seehofers, der dann kein Gefolgsmann sein wollte. Bernd Weiß, CSU-Landtagsabgeordneter, war bis 2009 Staatssekretär im bayerischen Innenministerium. Dann gab es Krach um die Finanzierung des Digitalfunks von Polizei und Feuerwehr und Weiß trat zurück. Jetzt hat er ein Buch geschrieben mit dem Titel: "Frage, was dein Land für dich tun kann". Das klang bei John F. Kennedy genau umgekehrt. Guten Morgen, Herr Weiß!

    Bernd Weiß: Guten Morgen, Herr Meurer.

    Meurer: Unterstellen Sie diesen Satz für Horst Seehofer, frage, was dein Land für dich tun kann?

    Weiß: Ich unterstelle es der Politik im Allgemeinen. Ich weiß auch nicht – ich habe das Gespräch eben mitgehört -, ob mir der Horst Seehofer so einen großen Gefallen getan hat mit seinem Ausfall vor Weihnachten. Eins muss man allerdings sagen, auch zu Ihrer Reporterin aus Wildbad Kreuth: Nur weil der Horst Seehofer sich das leisten kann, macht man es trotzdem nicht. Das mal über den Führungsstil allgemein, das was da vorgefallen ist.

    Was mein Buch angeht: Es ist dadurch natürlich sehr stark in diese Richtung Abrechnungsbuch gerückt worden. Sie müssen aber wissen, ich arbeite drei Jahre an dem Buch, ich suche seit ungefähr einem Jahr einen Verlag, und die Sätze, die darin stehen, die hat der Horst Seehofer jetzt im Nachhinein vielleicht bestätigt mit seinem Ausfall vor Weihnachten, aber die sind sehr viel älter und es geht in dem Buch um sehr viel mehr als nur um Horst Seehofer. Ich würde ihn nur gerne Pars pro Toto nehmen für das, was die Politik heute insgesamt macht, nämlich nach Umfragen schielen, und ich glaube, wir leben in einer Zeit des Zwischenhochs in Deutschland, aber das ist so gefühlt und wir werden die Menschen eigentlich eher auf härtere Zeiten vorbereiten müssen. Das ist das Hauptanliegen.

    Meurer: Entschuldigung, Herr Weiß. Was ist so schlimm daran, wenn ein Politiker dem Volk aufs Maul schaut?

    Weiß: Dem Volk aufs Maul schauen, der Satz stammt von Martin Luther. Das ist nichts Übles. Aber nicht nach dem Maule reden, hat Franz-Josef Strauss irgendwann ergänzt. Da muss ich dazu sagen, wenn sie den Leuten suggerieren, es geht immer so weiter, Hauptsache, ihr wählt uns wieder, wir haben eine Lösung, eine einfache schmerzlose Lösung für alle Probleme, und irgendwann kommt die Rechnung, dann muss ich Ihnen sagen, die Politik hat nicht den Primat über die Mathematik. Und wenn die Rechnung präsentiert wird – und die Deutschen sind da ein komisches Volk – und sie kommen dann zur Politik und sagen, ihr habt uns doch immer gesagt, das geht immer so weiter, und wir haben euch dafür gewählt, dann habe ich die Befürchtung, dann fallen die Deutschen irgendwann auch vom Glauben ab. Griechenland ist nicht weit weg!

    Meurer: In Bayern steht eine Volksbefragung bevor über die Einführung beziehungsweise über die Abschaffung von Studiengebühren. Die CSU hat sie ja eingeführt, jetzt rudert Horst Seehofer herum, Studiengebühren sollen abgeschafft werden. Ist das für Sie das Paradebeispiel von nicht Prinzipien folgen, sondern nach der Demoskopie schielen?

    Weiß: Ein ganz, ganz typisches Beispiel, finde ich. Was die Studiengebühren angeht: Wir haben sie mit sehr guten Gründen eingeführt, und ich komme selber aus dem, was man heute "einfache Verhältnisse" nennt. Mein Vater ist gestorben in dem Jahr, als ich Abitur gemacht habe, und ich musste mir das Studium auch selber finanzieren. Aber ich sage Ihnen auch das eine: Wenn wir Bildung – und wir müssen mehr in Bildung investieren -, aber wenn wir das auf Pump machen, dann geben wir nicht das Geld für unsere Kinder aus, wir geben das Geld von unseren Kindern aus. Das wird sich irgendwann bitter rächen. Deswegen glaube ich, dass jeder, soweit er es kann, auch selber beitragen muss zu seinem Fortkommen, und deswegen bin ich für die Studiengebühren. Natürlich ist das nicht beliebt beim Volk, wenn Sie Abgaben einführen, aber trotzdem glaube ich, dass man solche Dinge auch dem Volk zumuten muss und auch dafür kämpfen muss, wenn man gute Argumente hat, die dann auch weiter aufrecht zu erhalten und nicht, einfach weil es jetzt gerade dem Wahlerfolg dient, Probleme abräumt. Dieses Wort "Probleme abräumen" macht mich inzwischen schier wahnsinnig, weil ich glaube, es heißt nicht Probleme abräumen, sondern den Problemen aus dem Weg gehen.

    Meurer: Sie haben vorhin gesagt, so was sagt man einfach nicht, was Horst Seehofer da gesagt hat mit den Schmutzeleien von Markus Söder und Zar Peter. Damit hat er ein bisschen Peter Ramsauer, den Verkehrsminister, verspottet. Frage aus Köln: Ist das vielleicht doch ein bisschen in Bayern mehr erlaubt als andernorts?

    Weiß: Es wird in Bayern mehr geschimpft und deutlicher ausgesprochen vielleicht als andernorts. Das ist ja allgemein bekannt, da sind wir in Bayern auch so ein bisschen stolz drauf. Die andere Frage ist aber Personalführung, wie gehe ich als Chef mit meinen Mitarbeitern um. Und nur weil ich es mir leisten kann, kann ich sie trotzdem nicht in der Öffentlichkeit einen Kopf kürzer machen. Ich wirke ja nicht größer dadurch, dass ich meine Mitarbeiter klein mache. Das hieße ja umgekehrt, wenn es darum geht, so etwas vom Chef zu tolerieren, dass ich die einfache Logik aufstellen würde, Geschlossenheit ist so wichtig, beziehungsweise dass die Mitarbeiter dulden müssen, dass der Chef sie schlecht behandelt, weil das zum Erfolg führt.

    Meurer: Aber wenn die CSU dann im September die absolute Mehrheit gewinnt, können doch die Mitarbeiter danke schön sagen, sie behalten ihre Posten?

    Weiß: Herr Meurer, ja! Deswegen ist es aber trotzdem rein von der menschlichen Seite her nicht notwendig, dass der Chef seine Mitarbeiter schlecht behandelt für den Erfolg.

    Meurer: Warum tut er das, Horst Seehofer?

    Weiß: Das ist eine gute Frage. Wissen Sie, ich habe selbst, muss ich ehrlich zugeben, mit einer gewissen professionellen Hochachtung lange beobachtet, wie er so seine Figuren schiebt, den einen mal hochhebt, den anderen auch mal fallen lässt. Das ist auch eine Frage des eigenen Machterhalts. Das habe ich sogar wie gesagt für ganz geschickt empfunden. Aber jetzt den Rundumschlag auf alle, ich verstehe es nicht, ich weiß es nicht. Wie gesagt, ich weiß auch nicht, ob er mir einen Gefallen getan hat damit und dem Buch.

    Meurer: Bernd Weiß, CSU-Landtagsabgeordneter, ehemaliger Staatssekretär im Innenministerium, bevor es zum Krach mit Horst Seehofer kam. Jetzt in den nächsten Tagen erscheint sein Buch "Frage, was dein Land für dich tun kann". Herr Weiß, danke schön und auf Wiederhören.

    Weiß: Danke, Herr Meurer.

    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.