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Frances "Fanny" Burney
Lebendige Schilderungen adligen Lebens

Die englische Schriftstellerin Frances Burney war eine Zeitgenossin der Französischen Revolution. Wie viele ihrer intellektuellen Landsleute unterstützte sie die Ziele der Konstitutionalisten, die bald aus Frankreich vertrieben wurden. Burney setzte sich auch öffentlich für die Flüchtlinge ein und warb um Geldspenden für Frankreich. Heute vor 175 Jahren starb Frances Burney.

Von Ruth Fühner | 06.01.2015
    Diese Klänge könnte Frances Burney in ihrem Elternhaus gehört haben - ein Stück ihres Vaters, des Komponisten und Musikhistorikers Charles Burney.
    Für ihre Zeit führte Frances Burney ein ziemlich ungewöhnliches Leben. Töchter aus gutem englischem Hause traten gemeinhin nicht öffentlich hervor, sie heirateten früh einen reichen Mann und schwiegen über ihre Leiden. Lauter ungeschriebene Gesetze, gegen die sie selbstbewusst verstieß.
    Geboren wurde Frances - genannt Fanny - Burney 1752 in eine Familie, in der Bildung viel galt. Der Vater förderte zunächst die scheinbar begabteren Geschwister, während Fanny sich selbst überlassen blieb. Tagebuch zu schreiben begann sie mit zehn, eine Tätigkeit, die ihre Stiefmutter wenig "ladylike" fand. Aber der Drang, sich auszudrücken, war stärker. Mit 28 veröffentlichte sie ihr erstes Werk, den satirischen Brief-Roman "Evelina". Darin gerät die 17-jährige Titelheldin aus ländlicher Abgeschiedenheit in die sogenannte gute Gesellschaft und fällt - bis zum Happy End mit ihrem allerersten Ballpartner - von einer Peinlichkeit in die nächste:
    "Es schien ihm viel an einer Unterhaltung mit mir zu liegen, aber ich war von solcher Panik ergriffen, dass ich kaum ein Wort herausbrachte. Bald gesellte sich Miss Mirvan zu uns ... Aber wie bestürzt war ich, als sie mir zuflüsterte, dass mein Partner ein Adliger war! Das alarmierte mich aufs Neue: Wie aufgebracht wird er sein, dachte ich, wenn er herausfindet, was für einen Bauerntrampel er mit seiner Wahl beehrt hat!"
    Anonymer Debütroman
    Frances Burney veröffentlichte ihr Debüt zunächst anonym, um der Familie einen Skandal zu ersparen. Nach dem überraschenden Erfolg des Romans aber gab sie ihre Autorschaft preis - und war mit einem Schlag eine Berühmtheit.
    Heute gilt Fanny Burney als Begründerin einer neuen literarischen Gattung: des Sittenromans. Mal mit ironischer Distanz, manchmal mit Anleihen beim Schauerroman, meist aber mit viel Humor erkundet sie das Leben der englischen Aristokratie, ihren gesellschaftlichen Dünkel und ihre geheimen Schwächen. Immer mit einem kritischen Blick auf die unterlegene Stellung der Frau und die männliche Arroganz,
    "die uns von jeder wirklichen Aufgabe fernhält - außer vom Puddingkochen für ihren kostbaren Gaumen..."
    Der Roman "Cecilia" erzählt von einer reichen Erbin, die von ihren Vormündern beinah um Geld und Glück gebracht wird. In „Camilla" verliert die Heldin verliert beinah ihr Leben, weil der Mann, den sie heiraten soll, sie auf eine brutale Liebesprobe stellt. Und die verwaiste Juliet in "The Wanderer" entkommt nur mit Müh und großer Not einer Zwangsehe.
    Operation bei vollem Bewusstsein
    Frances Burney selbst war 34 und hatte einige Heiratskandidaten abgelehnt, als sie zur Hofdame von Königin Charlotte berufen wurde. Ein ehrenvolles Amt - das sie aber nach fünf Jahren niederlegte, weil es sie am Schreiben hinderte. Und schließlich trat doch der Richtige in ihr Leben: General Alexandre D'Arblay.
    D'Arblay war ein Adliger, der zwischen die Fronten der Französischen Revolution geraten war und mit dessen Ideal von sozialer Gerechtigkeit Frances Burney auch öffentlich sympathisierte. Als D'Arblay in Napoleons Armee berufen wurde, folgte sie ihm nach Frankreich und kehrte erst zehn Jahre später zurück.
    Im Jahr 1811 wurde bei Frances Burney Brustkrebs festgestellt. Sie unterzog sich einer Operation bei vollem Bewusstsein. Ihr erschütternder Bericht ist der erste, der eine Brustamputation aus der Sicht der Patientin schildert:
    "Als der fürchterliche Stahl in die Brust gesenkt wurde - durch Venen schnitt - Arterien - Fleisch - Nerven - brauchte ich keine Aufforderung, meine Schreie nicht zurückzuhalten. Ich begann ein Geheul, das ununterbrochen die ganze Zeit der Operation über andauerte - fast wundere ich mich, dass es nicht immer noch in meinen Ohren klingt, so entsetzlich war der Schmerz."
    Frances Burney überlebte den Eingriff um viele Jahre, sie starb am 6. Januar 1840. Heute gelten vor allem ihre Tagebücher als lebendige Schilderungen adligen Lebens in England um 1800. Das bekannteste und zugleich heimlichste Denkmal hat ihr die große Jane Austen gesetzt, die Burneys literarischer Pionierarbeit viel zu verdanken hatte. Den Titel ihres berühmtesten Romans entnahm Austen dem letzten Kapitel von Burneys "Cecilia":
    "Diese ganze unglückliche Angelegenheit, sagte Dr. Lyster, war das Resultat von Stolz und Vorurteil."