Dienstag, 23. April 2024

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Francesco Durante
Berühmtes Requiem in Neuauflage

Im Zentrum des Schaffens des neapolitanischen Komponisten Francesco Durante (1684 - 1755) stand die geistliche Musik. Sein 1746 entstandenes Requiem in c-Moll war in ganz Europa verbreitet. Bisher lag es aber nur in einer Aufnahme mit semiprofessionellen Musikern vor. Jetzt wurde das Werk neu ediert und aufgenommen.

Von Rainer Baumgärtner | 06.11.2016
    Blick über die Stadt und den Golf von Neapel in der italienischen Provinz Kampanien.
    Francesco Durante wurde in Neapel ausgebildet. (dpa / picture alliance / Udo Bernhart)
    Musik: Francesco Durante, Requiem c-Moll: Introitus (Beginn)
    Dies war der erste Teil des Introitus, des Eingangssatzes aus der katholischen Totenmesse in der Vertonung von Francesco Durante. Der Sohn eines Wollkämmers und Musikers aus der Nähe von Neapel wurde wahrscheinlich in Rom sowie in Neapel ausgebildet. Über die Anfänge seiner Berufslaufbahn sind nur bruchstückhafte Informationen überliefert, bevor er mit 44 Jahren die musikalische Leitung an einem neapolitanischen "Conservatorio" übernahm. Vier dieser ursprünglich für die Erziehung von Waisenknaben gegründeten Institutionen gab es in der Stadt am Vesuv. In Durantes Zeit nahmen sie aber auch zahlende Schüler auf und ein Spezialbereich ihrer Ausbildung war die Musik. Durante blieb bis zu seinem Lebensende mit 71 Jahren auf der Position des "primo maestro", abwechselnd an drei dieser Schulen in der Stadt.
    Als Lehrer hat er sich einen hervorragenden Ruf erworben, den der deutsche Lexikograph Ernst Ludwig Gerber mit den Worten beschrieb, dass "kein Meister so viel Kunstzöglinge gebildet habe, als er" — unter seinen Schülern finden sich illustre Namen wie Giovanni Battista Pergolesi und Giovanni Paisiello.
    Im Gegensatz zu fast allen Komponistenkollegen in Neapel hat sich Francesco Durante auf dem modischen musikalischen Feld in der Stadt, der Oper, aber nicht erprobt. Er schrieb ausschließlich geistliche Werke und Instrumentalmusik. Unabhängig davon gilt er als Mitbegründer der "neapolitanischen Schule" des Komponierens im 18.Jahrhundert — und auch in der Kirchenmusik wusste er expressive Momente zu setzen. Im Requiem in c-Moll beispielsweise im "Tuba mirum"-Abschnitt der Sequenz "Dies Irae".
    Musik: Francesco Durante, Requiem c-Moll: Tuba mirum (aus: Sequentia Dies Irae)
    Alexandra Kidgell sang den Abschnitt aus der Sequenz "Dies Irae", in dem vom Ruf der "Tubae", der Posaunen (oder Trompeten) am Jüngsten Tage die Rede ist. Dies ist das einzige Mal in dieser Requiem-Vertonung, dass Francesco Durante neben Streichern zwei Blasinstrumente eingesetzt hat, zwei Hörner.
    Durante hat die Totenmesse insgesamt ein halbes Dutzend Mal vertont. Seine wichtigste – und wohl auch letzte - Fassung in c-Moll entstand im Jahr 1746. Höchstwahrscheinlich schrieb er sie in spanischem Auftrag für eine Gedenkaufführung in der römischen Kirche San Giacomo degli Spagnoli zu Ehren von König Philip V., der kurz zuvor gestorben war.
    Auch wenn sie nie gedruckt wurde, hat sich diese "Messa de’ morti" in ganz Europa verbreitet. Mehr als 50 Abschriften existieren, die jüngste davon wurde 1871 erstellt und zeigt die anhaltende Popularität von Durantes Satz bis weit ins 19. Jahrhundert hinein. Die Stärken seines über den Barock hinausweisenden Stiles kann man an diesem Werk gut erkennen, denn Durante wurde dafür gerühmt, moderne Kompositionstendenzen mit dem weiterentwickelten Idiom des Giovanni Pierluigi da Palestrina verbunden zu haben. Durante war ein Meister des Kontrapunktes, der diesen mit eleganten Melodien und harmonischem Reichtum schmückte. (Gerade in der restaurativen Bewegung des Cäcilianismus im 19. Jahrhundert ist diese Art von Vertonung anscheinend gut angekommen.)
    Das Requiem von 1746 wird vom Chor dominiert, die bei allen Messfeiern feststehenden Teile werden von diesem wiedergegeben. Solosänger kommen in den für Totenmessen spezifischen Abschnitten zum Einsatz, wobei Durante hier besonders oft ein Duett der beiden Solo-Sopranistinnen vorsieht.
    Insgesamt strahlt seine "Messa de’ morti" einen friedlichen, lebensfrohen und heilsgewissen Charakter aus.
    Musik: Francesco Durante, Requiem c-Moll: Agnus Dei
    Stephen Darlington ist einer der renommiertesten Chordirigenten Englands, er leitet seit 1985 den Chor der Christ Church Cathedral in Oxford, der auf eine 500-jährige Tradition verweisen kann. In seiner Neuaufnahme des c-Moll-Requiems von Francesco Durante nimmt er – anders als dies wohl bei Durante selbst der Fall war – die Vokalsolisten nicht aus den Reihen des Chores, sondern setzt ein Quartett von Sängern ein, die vom Vokalensemble The Sixteen stammen. In dieser Weise ist man in den Jahrzehnten nach Durantes Tod bei Aufführungen sicherlich auch vorgegangen. Etwas mehr kann man sich bei der grundsätzlich überzeugenden neuen Aufnahme über die Besetzung des Chores streiten. Das Werk ist für acht Stimmen komponiert, und zwar für einen fünfstimmigen Haupt- und einen dreistimmigen sogenannten Ripieno-Chor, der zumeist im Tutti eingesetzt wird, hin und wieder aber für besondere Effekte in der Textdarstellung sorgen soll. Wie viele Sänger bei der römischen Erstaufführung 1746 mitwirkten, ist unbekannt. Heutzutage werden Werke aus dieser Epoche angesichts damaliger Chorgrößen oft mit wenigen Sängern pro Stimme aufgeführt. Der Christ Church Cathedral Choir besteht hier aus 28 Sängern, eine recht große Zahl, bei einem achtstimmigen Werk erscheint sie aber noch im Rahmen des Sinnvollen. Allein 14 der Choristen sind Knabensoprane — was dem Ganzen den Englandtypischen, Diskantbetonten Kathedralchor-Sound verleiht. Ein wenig mehr italienisches Idiom hätte man auch der Latein-Aussprache der Sänger wünschen mögen. Dass der Chor gänzlich aus männlichen Stimmen besteht, entspricht wiederum ganz den Gepflogenheiten zu Zeiten Durantes.
    Der "Ingemisco"-Abschnitt des Requiems fasst die Sequenz "Dies Irae" sowie Francesco Durantes Können an sich in Kürze zusammen: Chor- und Solistenabschnitte wechseln sich ab, typische prägnante Streicherfiguren aus dem "Dies Irae" tauchen auf und eine Fuge illustriert schließlich seine kontrapunktischen Fähigkeiten.
    Musik: Francesco Durante, Requiem c-Moll: Ingemisco (aus: Sequentia Dies Irae)
    Die lobenswerte Aufnahme der "Messa de’ morti" von 1746 wird auf der neuen, von Stephen Darlington konzipierten CD mit Musik von Francesco Durante um ein Instrumentalstück ergänzt. Im Orgelkonzert B-Dur gelingt es dem Solisten Clive Driskill-Smith und dem jungen Barockorchester Oxford Baroque ihre hohe Kompetenz in diesem Repertoire nachzuweisen.
    Musik: Francesco Durante, Orgelkonzert B-Dur: 3. Allegro (Schluss)
    CD-Infos:
    Francesco Durante: Requiem c-Moll
    Christ Church Cathedral Choir, Oxford
    Solisten von The Sixteen
    Oxford Baroque
    Clive Driskill-Smith, Orgel
    Leitung: Stephen Darlington
    Label: CORO