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Franco auf Weinflaschen und Servietten

Der spanische Diktator Francisco Franco regierte Spanien fast 40 Jahre - mit konservativer Ideologie und faschistischen Prinzipien. Erst 1975 wurde das Land wieder demokratisch. Doch so mancher sehnt sich nach den alten Zeiten zurück. So auch ein Wirtshaus an der spanischen Autobahn A4.

Von Reinhard Spiegelhauer | 17.09.2013
    Die A4 ist eine der wichtigsten Verbindungen von Madrid Richtung Süden - entsprechend viel Verkehr herrscht auf der 500 Kilometer langen Strecke bis Malaga. Die Autobahn ist anstrengend zu fahren, auch weil sie sich über mehrere Gebirge schlängelt. Auf halber Strecke führt ein Pass über die Sierra Morena, und ziemlich genau dort liegt eine der außergewöhnlichsten Rastmöglichkeiten an spanischen Autobahnen - die "Casa Pepe":

    Die Adresse lautet "Autobahn A4, Kilometer 243,5" hier liegt die Ausfahrt "Venta de Cardenas". Man findet die "Casa Pepe" aber auch ohne das zu wissen: Die Kneipe mit angeschlossenem Laden ist von weit her zu sehen, denn das ganze Haus ist knallgelb angestrichen, in roter Farbe steht der Name darauf. Die Farbgebung ist Programm: Rot-gelb-rot sind die Farben der spanischen Flagge.

    In der Wirtsstube ist es voll und laut. Die wenigen Tische sind voll besetzt, am langen Tresen herrscht Gedränge. An der Außenwand hängt ein Weinregal - eine junge Frau zückt ihr iPhone und macht ein Foto:

    ""Was hast du fotografiert?""

    "Ich habe ein Foto von dem Wein gemacht, mit dem Bild von Franco auf dem Etikett. Ob zum Guten oder zum Schlechten, er ist Teil der spanischen Geschichte."

    Es stimmt tatsächlich: Die Weinflachen, die im Regal zum Verkauf angeboten werden, tragen das Konterfei des ehemaligen Diktators. Doch das ist nicht alles. Die Kneipe ist für ihre Dekoration berühmt:

    "Hier hängen jede Menge Guardia civil und Militär-Kappen, man kann die Geschichte nachvollziehen. Es hängen Stierköpfe an der Wand, denn der Stier gehört zu Spanien. Dann haben wir da Wappen der Falange und die alte spanische Fahne mit dem Adler. Nirgends gibt es so viele Reminiszenzen an den Franquismus wie hier."

    Nicht nur das, auch den bösen Sozialisten wird kräftig eingeheizt: Über dem Tresen hängen noch immer Zeitungsseitengroße mindestens bitterböse, eher schon geschmacklose Karikaturen von Ex-Ministerpräsident Zapatero - obwohl der längst nicht mehr im Amt ist. Rafa, er gehört zum Personal, findet das okay:

    "Naja, der Typ hat eine Politik gemacht, die den Werten Francos total widersprach, seitdem hängen die Bilder da."

    "Und ist es besser mit Mariano Rajoy?"

    "Ach, Rajoy, das ist doch praktisch dasselbe. So viele Arbeitslose."

    Unter Franco, da gab´s noch Zucht und Ordnung - die Haltung ist Einstellungsvoraussetzung in der Casa Pepe. Ein halbes Dutzend Männer bedienen an Tischen, Tresen und im angeschlossenen Verkaufsraum. Neben dem schon erwähnten Wein gibt es allerlei "typisch" spanisches: Schinken, Olivenöl, Honig - alles in rot-gelb-roter Verpackung, und natürlich mit dem Franco-Adler verziert.

    Victor steht an der Wursttheke und lässt sich ein Bocadillo de Iberico machen, ein belegtes Brötchen mit luftgetrocknetem Schinken:

    "Ich bin jetzt 27, aber ich war schon mit vier, fünf Jahren hier, mit meinem Vater. Er war Lastwagenfahrer, als hier noch die alte Nationalstraße lang führte. Das ist einfach eine legendäre Kneipe hier, und ich halte immer, wenn ich vorbei komme - aus purer Nostalgie..."

    Ob wegen seines Vaters oder wegen der Franco-Zeiten, das lässt Victor nur kurz im Ungewissen:

    "Das hier ist ein mythischer Ort, was die Geschichte Spaniens angeht, und die Leute sind stolz auf die Geschichte, nicht mehr nicht weniger. Man muss sich an sie erinnern, an die Fahne und an unsere Traditionen, wie den Stierkampf. Wem´s nicht gefällt, der soll nicht herkommen."

    Zu den Traditionen, die in der Casa Pepe hochgehalten werden, gehört auch die Gewohnheit, am Tresen den Müll einfach zu Boden fallen zu lassen: Olivenkerne, Zahnstocher, Papierservietten. Auch die ziert übrigens die Franco-Fahne - aber Victor bekommt gar nicht mit, dass er sie gerade zerknitttert und auf dem Boden liegend mit Füßen tritt.