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Frank Decker: Aussicht auf Kanzlerposten für die SPD eher ungünstig

Ob es 2013 einen Lagerwahlkampf geben werde, sei jetzt noch nicht abzusehen, meint der Politologe Frank Decker. Weil es die SPD aber im Mitte-Links-Spektrum mit drei Konkurrenten zu tun habe - den Grünen, der Linken und den Piraten -, könne die Union damit rechnen, stärkste Partei zu bleiben.

Frank Decker im Gespräch mit Gerd Breker | 30.01.2012
    Gerd Breker: Politik muss nicht immer logisch funktionieren. Wenn es um die Frage der Kanzlerkandidatur bei der SPD geht, dann ist die nächste Bundestagswahl – wir haben es gehört – ganz weit weg. Da braucht es keine voreilige Festlegung, ansonsten aber arbeite man kräftig auf die Wahlen hin. Die Sozialdemokraten sind offenbar die Oppositionsbänke leid, die Regierungsbank – daran können sie sich erinnern – ist viel bequemer, und weil sie wohl voller Zweifel sind, dass es für Rot-Grün auf Bundesebene reichen könnte, wollen sie es sich mit Angela Merkel nicht verderben. Angela Merkel steht nicht im Mittelpunkt sozialdemokratischer Kritik.

    Am Telefon sind wir nun verbunden mit Frank Decker, dem Bonner Politologen. Herr Decker, es riecht nach einem langweiligen Bundestagswahlkampf. Angela Merkel kann und will sich nicht auf die FDP verlassen und auch die Sozialdemokraten, selbst wenn die Generalsekretärin Nahles es anders formuliert, glauben nicht so recht an Rot-Grün. Also was werden wir erleben, einen Wahlkampf für eine Große Koalition?

    Frank Decker: Das können wir jetzt noch überhaupt nicht vorhersehen. Das wird abhängen von der Situation Mitte des Jahres 2013. Die SPD sagt ja, Rot-Grün bleibt ihre Wunschkoalition. Wenn die Zahlen Mitte des Jahres signalisieren, dass das eintreffen könnte, dann wird es natürlich auch so etwas geben wie einen Lagerwahlkampf, also auch eine klare Abgrenzung von der Union. Was in einem Jahr sein wird, in eineinhalb Jahren, das kann man heute nicht prognostizieren.

    Breker: Einen Lagerwahlkampf, den müsste sich ja eigentlich die FDP wünschen.

    Decker: Ja, für die FDP ist es natürlich die einzige Möglichkeit. Sie befindet sich ja in einer koalitionspolitischen Abhängigkeit von den Unions-Parteien. Ich halte es allerdings für ziemlich unrealistisch und ich glaube auch, dass die Unions-Parteien das längst auch für sich so sehen, dass es für die jetzige Regierung noch einmal reicht zu einer Mehrheit, selbst wenn die FDP es über die fünf Prozent schafft.

    Breker: Wenn wir uns, Herr Decker, die beiden großen Parteien angucken, dann scheint es eigentlich nur noch darum zu gehen, wer denn am Ende die Nase vorn hat, also wer den Anspruch auf den Kanzlerposten hat.

    Decker: Ja. Da sind die Chancen für die SPD allerdings sehr ungünstig. Die Union, die CDU, profitiert ja von der Schwäche der FDP, sie ist im Grunde im bürgerlichen Lager, im Mitte-Rechts-Lager unangefochtener denn je, und auf der anderen Seite hat es die SPD im Mitte-Links-Lager heute mit drei Konkurrenten zu tun: mit den erstarkenden Grünen, mit der Linken, die zumindest in Ostdeutschland stabil bleibt, und mit den Piraten, die sich möglicherweise auch im Parteiensystem etablieren können, und das verschafft der Union eine sichere Ausgangsposition. Sie kann darauf rechnen, dass sie stärkste Partei bleibt.

    Breker: Dennoch, Herr Decker, geht ja die Union unter Angela Merkel hin und will den Sozialdemokraten das Thema soziale Gerechtigkeit streitig machen. Auf dem letzten Parteitag hat sie sich für Lohnuntergrenzen ausgesprochen, sprich Mindestlohn; das ist auch kein Alleinstellungsmerkmal mehr der Linken.

    Decker: Ja das ist ja genau die Strategie, die Angela Merkel schon im letzten Bundestagswahlkampf gefahren hat. Da war es für die SPD ohnehin schwierig, aus der Großen Koalition heraus den Regierungspartner offensiv zu attackieren. Aber sie versucht eben, den Sozialdemokraten auch ihre ureigenen Themen zu entwinden, und die Akzeptanz eines gesetzlichen Mindestlohns wäre dann ein weiteres Glied in dieser Kette. Die SPD versucht ja seit geraumer Zeit schon, mit dem Thema soziale Gerechtigkeit, faire Arbeit zu punkten, aber sie kann damit nicht wirklich durchdringen.

    Breker: Was bedeutet das für die Identität eines echten Konservativen, diese Sozialdemokratisierung der Union: Abschaffung der Wehrpflicht, Atomausstieg, nun Lohnuntergrenzen, wir steuern auf eine Transferunion in der EU zu? Was bedeutet das für die Konservativen? Können sie sich für die CDU noch engagieren?

    Decker: Ja, das bleibt ja eine Rätselfrage, warum es in den Unions-Parteien vielleicht ein diffuses Unbehagen gibt an dem Kurs, den Angela Merkel eingeschlagen hat, der ja in vielen Bereichen zu Modernisierungen geführt hat, aber es gibt keinen Aufstand, keine richtig gehende Revolte in der Partei und das liegt sicherlich auch daran, dass die Konservativen in der Union, so sie sich überhaupt artikulieren, doch die Antwort darauf schuldig bleiben, wie denn die Alternativen zu einem solchen Kurs aussehen könnten.

    Breker: Die Einschätzung des Bonner Politologen Frank Decker. Herr Decker, ich danke Ihnen dafür.

    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.