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Frankfurt am Main
Im Galopp zum DFB-Leistungszentrum

Der Deutsche Fußball Bund will sich auf dem Gelände der Frankfurter Pferderennbahn ein neues Zuhause schaffen. Das Stadtparlament der schwarz-grün regierten Stadt winkt das Vorhaben vermutlich zügig durch - Risiken werden dabei einfach ausgeblendet.

Von Wolfgang Hettfleisch | 04.10.2014
    Der vierte Stern ist auf dem offiziellen Trikot der Deutschen Fußball-Nationalmannschaft am 14.07.2014 in Herzogenaurach (Bayern) zu sehen.
    Der DFB will in Frankfurt ein Leistungszentrum errichten. (dpa / Daniel Karmann)
    Wolfgang Niersbach schwärmt vom idealen Standort. Und dem Magistrat der Stadt Frankfurt kann es gar nicht schnell genug gehen mit dem, was der Präsident des Deutschen Fußballbundes ein Jahrhundertprojekt nennt. In nicht einmal zwei Wochen soll der Erbbaupachtvertrag für jenes Areal unterzeichnet werden, auf dem der weltweit mitgliederstärkste Sportverband ab 2016 sein Leistungszentrum errichten will. Am Main ist man mächtig stolz darauf, die Standortkonkurrenten ausgestochen zu haben. Bürgermeister und Baudezernent Olaf Cunitz von den Grünen:
    "Ich glaube, jede deutsche Großstadt wäre froh gewesen, wenn die Entscheidung zu ihren Gunsten ausgefallen wäre. Andere haben sich beworben. Köln hat versucht, diese Einrichtung zu bekommen, andere auch. Und ich denke, das ist für Frankfurt als Sportstadt insgesamt, aber auch aufgrund der Nutzung dort, eine gute Entscheidung."
    Nicht nur die schwarz-grüne Koalition im Römer sieht das so. Am 16. Oktober soll das Frankfurter Parlament das Geschäft absegnen. Eine große Mehrheit gilt als sicher. Das ist seltsam, denn das größte Bauvorhaben in der Verbandshistorie, das 89 Millionen Euro kosten, die Verwaltung beherbergen und den Auswahlteams eine Heimat geben soll, ist durchaus problematisch. So liegt die künftige Baugrube im Frankfurter Grüngürtel.
    Leistungszentrum im geschützten Grüngürtel
    Dessen Schutz regelt die Grüngürtelverfassung. Darin heißt es zu Sportanlagen: "Erweiterungen und Neubauten sollen durch eine Neuordnung der Flächen zu einer geringeren Versiegelung der Gesamtanlage beitragen." Das ist beim DFB-Projekt höchst fraglich. Papier sei eben geduldig, meint Stadtplaner Till Behrens, der einst die Idee vom Grünzug um die Stadt ersann:
    "Die Grünflächen sind überwiegend mit Landschaftsschutz geschützt – das waren sie vorher auch schon. Landschaftsschutz ist ein relativ leicht aufzuhebender Schutz."
    Behrens wundert sich darüber, dass der DFB seine Akademie ausgerechnet auf einem Gelände errichten will, über das fast minütlich Jets im Landeanflug auf Rhein-Main donnern. Die Ankündigung der Stadt, künftig einen Teil des Areals als öffentlichen Park freizugeben, fällt für ihn deshalb schlicht unter die Rubrik Öffentlichkeitsarbeit:
    "Der Versuch, eine Stadtplanung zu machen, läuft darauf raus, dass so eine Konzeption wie ein Steinbruch ausgebeutet wird – mehr oder weniger für politische PR-Zwecke."
    Ein gutes Geschäft für den DFB
    Tatsächlich ist es der DFB, der ein gutes Geschäft macht. Der auf 99 Jahre errechnete Erbbauzins für 15 Hektar beträgt nur gut 6,8 Millionen Euro. Auf weitere fünf Hektar besitzt der DFB eine Option. Der Preis wurde anhand des Bodenrichtwerts für das Rennbahnareal errechnet. Der liegt wegen der Sondernutzung bei schlanken 50 Euro pro Quadratmeter. Gleich nebenan, im Wohngebiet des Stadtteils Niederrad, beträgt er das Zehnfache. Für Baudezernent Cunitz ist das nicht relevant:
    "Wir haben ja nicht vor, dort Geschosswohnungsbau, Villen oder gar Hochhäuser zu bauen, sondern die Nutzung soll ja dem DFB, einem gemeinnützigen Verein, zugutekommen, der dort Sportförderung betreiben wird, also dort vornehmlich den Nachwuchs auch für den deutschen Fußball ausbildet, voranbringt und keine kommerzielle Nutzung des Areals betreiben wird."
    Man habe dem DFB dafür keine Sonderkonditionen eingeräumt:
    "Alle Vorlagen, die wir im Magistrat dazu beschließen, sind öffentlich, sind einsehbar. Jeder kann die Konditionen nachvollziehen. Und jeder kann sich ein Bild machen, dass wir hier nicht Vermögen der Stadt unter Wert abgegeben haben."
    Das sieht das städtische Revisionsamt ganz anders. In einem vertraulichen Schreiben, das dem Deutschlandfunk vorliegt, informiert die Prüfbehörde die Stadtverordneten darüber, dass sie das Grundstücksgeschäft mit dem DFB für einen potenziellen Verstoß gegen die Hessische Gemeindeordnung hält. Vermögensgegenstände der Kommune dürften "in der Regel nur zu ihrem vollen Wert veräußert werden". Davon weiche die Vorlage ab, und zwar – Zitat – "ohne Angabe von nachvollziehbaren Gründen".
    Ungemach droht noch aus einer anderen Richtung. Der Rennklub Frankfurt, Veranstalter auf der Pferderennbahn am Standort der künftigen DFB-Akademie, will sich nicht vertreiben lassen. Zwar ist die Stadt inzwischen alleinige Eigentümerin der Betreibergesellschaft, doch der neue Klubpräsident Manfred Louven warnt vor den Folgen einer Vergabe an den DFB zu den vorgesehenen Konditionen:
    "Ich glaube, dass die Stadtverordneten nicht gut beraten sind, wenn sie diesen Beschluss zum gegenwärtigen Zeitpunkt fällen. Die Risiken sind einfach zu groß."
    Pferdetrainer und Gastronomiedienstleister müssten gegebenenfalls entschädigt werden. Auch besitzt der auf dem Gelände ansässige Golfklub einen Vertrag bis 2024. Für die Kommune, glaubt Louven, wird das teuer:
    "Wenn diese Partner wissen, die Stadt Frankfurt steht unter Druck – das wird den Preis erhöhen. Wir reden von einem Risiko von mindestens zehn, eher 20 Millionen."
    Frankfurt drohen Entschädigungszahlungen
    Und es sei keineswegs ausgemacht, dass sich die Ansprüche mit Geld aus der Welt schaffen lassen:
    "Wenn einer dieser Partner sich auf die Hinterbeine stellt und der Klageweg muss beschritten werden, dann zieht sich die Sache über mehrere Jahre hin. Und das Risiko besteht, dass der DFB weg ist und auch noch mit entsprechenden Schadenersatzsummen kommt."
    Der Rennklub-Präsident wünscht sich eine Koexistenz von DFB-Akademie und Galoppsport. Doch laut einer von der Stadt in Auftrag gegebenen Studie reicht das Areal dafür nicht aus. Falsch, sagt Louven:
    "In der Planung wird ein Bedarf von 15 Hektar für die Rennbahn ausgewiesen. Das ist absolut unrichtig. Wir brauchen lediglich vier Hektar."
    Machbarkeitsstudie umstritten
    In der Tat ist die Machbarkeitsstudie, in der die Unvereinbarkeit der DFB-Nutzung mit Golf- und Galoppsport postuliert wird, fragwürdig. Denn die Stadt beauftragte damit ausgerechnet den Frankfurter Architekturmulti Albert Speer & Partner.
    Der ist bestens im Weltsport vernetzt. AS&P entwirft nicht nur Stadien etwa für die umstrittene Fußball-WM in Katar, sondern dreht als Miteigentümer des Beratungsunternehmens ProProjekt gemeinsam mit dem Münchner Agenturinhaber Andreas Abold auch bei den Bewerbungen um Sportgroßereignisse mit am großen Rad.
    Speer und Abold waren schon für das Organisationskomitee der Fußball-WM 2006 tätig. Dem gehörte auch Wolfgang Niersbach an, damals DFB-Generalsekretär. Und 2024 will der DFB die Fußball-Europameisterschaft ausrichten. Wie objektiv kann eine Studie aus dem Hause Speer & Partner da sein?
    Die Frankfurter Stadtverordneten wären jedenfalls gut beraten, die Vorlage zum DFB-Prestigeobjekt genau zu prüfen.