Donnerstag, 25. April 2024

Archiv

Frankfurter Buchmesse 2018
70 Jahre Buchmesse, 70 Jahre UN-Menschenrechtscharta

Auf der Eröffnungspressekonferenz der Frankfurter Buchmesse sprachen die Redner zum Jubiläum über die großen Themen des Betriebs: Populismus, die Zukunft der Branche und die Lebensbereicherung durch die Literatur. Dazu gab es eine beeindruckende Rede der nigerianischen Autorin Chimamanda Ngozi Adichie.

Christoph Schröder im Gespräch mit Angela Gutzeit  | 09.10.2018
    Eröffnungsrede auf der Frankfurter Buchmesse: Chimamanda Ngozi Adichie aus Nigeria hat einiges zu sagen über Themen, die brandaktuell sind - Migration, Rassismus oder Frauenrechte.
    Eröffnungsrede auf der Frankfurter Buchmesse: Chimamanda Ngozi Adichie aus Nigeria hat einiges zu sagen über Themen, die brandaktuell sind - Migration, Rassismus oder Frauenrechte. (imago)
    Nach der Preisverleihung des Deutschen Buchpreises, der in diesem Jahr an Inger-Maria Mahlke und ihren Roman "Archipel" gegangen ist, nimmt der Messetrubel weiter Anlauf. Auf der Eröffnungspressekonferenz im neuen Frankfurtpavillon, einer begehbaren Skulptur, sprachen Juergen Boos, Direktor der Frankfurter Buchmesse, Heinrich Riethmüller, Vorsteher des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels und die gefeierte nigerianische Autorin Chimamanda Ngozi Adichie, die für ihren Auftritt einen donnernden Applaus erntete.
    "Das war wirklich so ein Augenblick als sie ans Podium trat und anfing zu reden, in dem der ganze Saal still wurde", sagte Literaturkritiker Christoph Schröder im Gespräch mit dem Dlf. In ihrer Rede berichtete Chimamanda Ngozi Adichie, wie sie als Kind in einer Kirche in ihrer nigerianischen Heimat war und viele Jahre später als erwachsene Frau zurückkam - und von einem Sittenwächter am Eingang nicht hineingelassen wurde, weil sie ein ärmelloses Kleid trug.
    "Davon ausgehend hat sie eine Rede gehalten, in der sie reflektierte, wer über wen bestimmt. Und sie hat ein sehr, sehr, sehr flammendes Plädoyer gehalten - für die Literatur, für die Rolle von Literatur. Sie hat gefragt, was ist nützlich, wofür ist Literatur nützlich?" Sie lese Literatur, um getröstet zu werden, um an Liebe, an Schönheit und auch an Leiden erinnert zu werden, sagte Chimamanda Ngozi Adichie. Und das sei nützlich, und deswegen sei Literatur nützlich. "Das ist eine Rede, die auch in der Art und Weise, wie sie vorgetragen wurde, sehr beeindruckend war", sagte Schröder.
    Zeit des Populismus und der Demokratiegefährdung
    Auch wenn das diesjährige Gastland der Buchmesse Georgien ist, werden in Frankfurt 34 Verlage und Aussteller aus 19 afrikanischen Ländern auftreten. "Sicherlich ist das kein Zufall", meinte Schröder, "dass Chimamanda Ngozi Adichie diese Rede gehalten hat." Es werden Podiumsdiskussionen stattfinden, die sich sowohl mit dem Erbe des Kolonialismus auseinandersetzen als auch mit Übersetzungsproblemen und aktuellen gesellschaftlichen Themen wie dem Feminismus. "Und vor diesem Hintergrund und dem überhaupt starken Aufkommen afrikanischer Themen in der Politik, ist das mit Sicherheit auch eine sehr zielstrebige Wahl gewesen, diese Autorin sprechen zu lassen."
    Messedirektor Juergen Boos sprach bereits im Vorfeld davon, dass die 70. Frankfurter Buchmesse in eine bewegte Zeit, in eine Zeit des Populismus und der Demokratiegefährdung fallen würde. Dagegen gelte es, die Messe mit ihrem Programm zu positionieren. "Juergen Boos sprach auch heute noch mal von der permanenten Hysterie und dem bedenklichen Erregungsniveau, in das unsere Sprache verfallen ist und das unsere Sitten verrohen lässt", sagte Schröder. Im vergangenen Jahr sei die Buchmesse unter Druck geraten, durch "diese obskuren Auftritte der rechten Verlage und die dadurch ausgelösten Tumulte. Das alles will man in diesem Jahr vermeiden, die Buchmesse feiert ihren 70. Geburtstag und gleichzeitig haben wir den 70. Jahrestag der Verkündung der UN-Menschenrechtscharta."
    Was aus den rechten Verlagen in diesem Jahr auf der Messe werde, bleibe abzuwarten. Der Antaios-Verlag sei in diesem Jahr nicht auf der Messe, aber für den Messefreitag habe sich Björn Höcke angekündigt. "Und man kann sicher sein, wenn der tatsächlich kommt, dass das nicht geräuschlos über die Bühne geht", glaubt Schröder.
    Die Zukunft der Buchbranche
    Immer weniger Menschen kaufen Bücher, wie eine Studie ergeben hat. Auch das war Thema der Pressekonferenz, beispielsweise in der Rede von Heinrich Riethmüller, Vorsteher des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels.
    "Und das klang - um offen zu sein - schon ein wenig nach Durchhalteparolen", meinte Schröder. Riethmüller habe von einem Wendepunkt und von Aufbruchsstimmung im Jahr 2018 gesprochen. Man habe erkannt, dass man ein Problem habe. Diese Erkenntnis des Börsenvereins, nachdem Verlage und Buchhandlungen dies schon seit Jahren thematisiert hätten, sei schön und gut, stellte Schröder fest und merkte an: "Dass das Erkennen des Problems einhergeht mit Lösungen, sehe ich noch nicht so recht."