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Frankfurter Buchmesse
Digitaler Lockstoff

Die Deutschen greifen immer seltener zu Büchern: Während vor 15 Jahren noch fast jeder Dritte bis zu 50 Wälzer im Jahr las, schafft das heute nicht mal mehr jeder Vierte. Das will die Branche nun ändern. Digitale Geschäftsmodelle sollen vor allem junge Leser zum Lesen motivieren.

Von Katja Scherer | 20.10.2016
    Ein Junge liest auf der Frankfurter Buchmesse 2013 ein Jugendbuch.
    Start-ups wollen das gedruckte Buch mit digitalen Angeboten verbinden und dadurch vor allem junge Menschen wieder fürs Lesen gewinnen. (picture alliance / dpa / Arne Dedert)
    Eine ganze Reihe junger Unternehmen will mit neuen, digitalen Geschäftsmodellen das Lesen wieder attraktiver machen. So wie das Start-up Papego. Gründer Karl-Ludwig von Wendt hat eine App entwickelt, mit der man gedruckte Bücher auf dem Handy oder dem Tablet digital weiterlesen kann – etwa in der U-Bahn:
    "Das funktioniert so, dass man die Seite, die man zuletzt gelesen hat, einscannt. Die App erkennt dann, welches Buch man gelesen hat und zeigt einem die nächsten hundert Seiten, die kann ich unterwegs lesen."
    Start-ups denken das klassische Verlagsgeschäft neu
    Und zurück zu Hause einfach wieder auf die analoge Version umsteigen. Neben Papego gibt es zahlreiche weitere Beispiele dafür, wie Start-ups das klassische Verlagsgeschäft neu denken. Auf der Online-Plattform Beemgee etwa können Lektoren schnell erfassen, ob ein Buch sinnvoll aufgebaut ist – ohne dafür hunderte Seiten lesen zu müssen. Michael Adam betreut das Digitalgeschäft des Oetinger-Verlags und hat die Entwicklung in der Branche über Jahre hinweg beobachtet:
    "Die Zahl der Start-ups in diesem Bereich ist deutlich gestiegen und das entlang der gesamten Wertschöpfungskette von der Erstellung bis hin zur Distribution von Büchern."
    Verlage und Start-ups: Partnerschaft statt Konkurrenz
    Normalerweise sind Start-ups für gestandene Unternehmen eine Bedrohung. Aber in der Buchbranche ist man nicht nervös, sondern froh über den Zuwachs. Klassische Verlage täten sich oft schwer damit, digitale Produkte zu entwickeln, sagt Dorothee Werner vom Börsenverein des Deutschen Buchhandels. Start-ups könnten mit gutem Beispiel vorangehen:
    "Da haben sie sicher eine ganz gewichtige Rolle, weil man Geschäftsmodelle entwickeln muss, die über das, was es schon gibt, hinausgehen."
    Bücher durch digitale Geschichten erweitern
    Tatsächlich hat man in der Branche auch keinen Anlass für Hochmut. Die Umsätze sinken Jahr für Jahr, auch, weil junge Leute immer öfter lieber Serien schauen oder Videospiele spielen. Die Start-ups zeigten nun, dass sich das gedruckte Buch mit digitalen Angeboten auch verbinden lasse, sagt Dorothee Werner:
    "Ich denke dass es ein immer stärkeres Nebeneinander geben wird, dass Virtual Reality eine große Rolle spielen wird. Die Möglichkeiten werden einfach immer größer und weiter."
    Virtual-Reality-Brillen, mit denen Leser in Bücherwelten eintauchen können – noch ist das Zukunftsmusik. Wie Lesen künftig aussehen kann, lassen Unternehmen wie Tigerbooks oder der Carlsen-Verlag aber schon erahnen. Sie entwickeln Kinderbücher, die durch digitale Geschichten erweitert werden.
    "Man nimmt das Handy über das jeweilige Buch, und sieht dann, wie sich Figuren bewegen oder wie ein Lied gesungen wird, quasi aus dem Buch heraus", erklärt Werner. Aus der Abbildung von Lars dem kleinen Eisbär wird so beispielsweise ein Video, auf dem der Bär durchs Eis tanzt.
    Neue Förderprogramme als Starthilfe
    Um noch mehr Gründer zu ermutigen, solche Dinge auszuprobieren, hat der Börsenverein in diesem Jahr erstmals einen eigenen Start-up-Wettbewerb – pünktlich zu Buchmesse. Den Gewinner erwarten 10.000 Euro Fördergeld.
    Auch Papego-Gründer Karl-Ludwig von Wendt hat daran teilgenommen und hofft natürlich auf den ersten Platz. Aber vor allem hat er schon jetzt wichtige Kontakte knüpfen können. Die ersten Kooperationen mit Verlagen stehen bereits:
    "Pieper, die uns von Anfang an unterstützt haben. Inzwischen sind neu hinzugekommen der Berlin- und der Aufbau-Verlag. DuMont und Kiepenheuer&Witsch folgen als weitere Partner im Frühjahr."
    Derzeit gibt es 40 Bücher, die mit seiner App digital weitergelesen werden können. Bis Ende nächsten Jahres sollen es 1.000 sein.