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Frankfurter Leben-Gruppe
Der Policen-Käufer

Wenn Firmen wie die Frankfurter Leben Gruppe Versicherungen aufkaufen, ändert sich für den Kunden angeblich nichts. Auch die Finanzdienstleistungsaufsicht Bafin hat keine Bedenken. Verbraucherschützer sehen das anders.

Von Mischa Ehrhardt | 12.04.2019
Brille, 20 Euro Schein und die Auflistung der Rückkaufswerte und Guthaben einer Lebensversicherung (Symbolbild)
Die sogenannte Run-Off-Gesellschaft Frankfurter Leben hat auch die Prudentia-Pensionskasse aufgekauft. Darin enthalten ist die Altersversorgung von rund 50.000 C&A Mitarbeitern. (imago / mm images / Pixeller )
Wer die Frankfurter Leben besuchen will, sollte sich in Frankfurt in ein Auto setzen. Nach etwa einer Viertelstunde Autobahn findet er die Abwicklungsgesellschaft für Lebensversicherungen hinter der Stadtgrenze, genauer: In einem unscheinbaren Industriegebiet in Bad-Homburg Ober-Eschbach. Hier wirkt vieles improvisiert, der Gehweg zum Eingang des Gebäudes ist zum Teil mit Kartonage abgedeckt, offensichtlich wird hier gerade gebaut oder renoviert.
Kundenverkehr nicht vorgesehen
Das verwundert nicht, denn das Gebäude ist schon etwas in die Jahre gekommen. Die Frankfurter Leben ist nicht der einzige Mieter, aber der sichtbarste mit zwei blauen Fahnen, die vor dem Eingang hängen. Doch die abgeschiedene Lage und das wenig repräsentative Gebäude machen klar – mit Kunden rechnet man hier nicht. Axel Kleinlein vom Bund der Versicherten:
"Wir können noch kein abschließendes Urteil darüber fällen, ob die Bedenken, die wir hatten, so eingetreten sind oder nicht. Tatsächlich sehen wir aber eine klare Schwäche für Kunden, wir sehen ein schlechteres Service-Verhalten der Unternehmen gegenüber dem Kunden im Vergleich zu den anderen Unternehmen. Also die ersten Zeichen auf Warnung und das es sich tatsächlich so schlecht darstellte, wie wir befürchtet haben."
Was können Abwickler besser?
Die Befürchtung lässt sich in einer Frage bündeln: Wie kann es solchen Lebensversicherungs-Abwicklungs-Gesellschaften gelingen, die Verträge lukrativ weiter verwalten, wenn das für die ehemaligen Versicherungen nicht mehr funktioniert? Diese Frage stellt sich umso mehr, als in dieser Woche die Finanzdienstleistungsaufsicht Bafin den bislang größten Deal dieser Art durchgewinkt hat: Die Generali-Versicherung darf rund vier Millionen Lebensversicherungs-Verträge an die Abwicklungsgesellschaft "Viridium" verkaufen. Das Geschäft hat ein Volumen von rund 37 Milliarden Euro.
Noch backt die Frankfurter Leben etwas kleinere Brötchen: Seit ihrer Gründung 2015 hat die Gesellschaft die Basler Leben und die ARAG-Lebensversicherung übernommen, im vergangenen Jahr die beiden Pensionskassen Pro BAV der Axa und die Prudentia-Pensionskasse, darin enthalten ist die Altersversorgung von rund 50.000 C&A Mitarbeitern. Wo der Gewinn aus dem Verwalten der Altbestände der Versicherer für die neuen Gesellschaften allerdings herkommen soll, ist auch Brigitte Mayer schleierhaft. Sie ist Finanzexpertin bei der Verbraucherzentrale Hessen:
"Man fragt sich, wo der Gewinn für das Unternehmen herkommen soll. Weil – übertragen wurden Altbestände, hochverzinst, und das produziert auch Kosten. Und mit jedem Kunden, der geht, wird der Bestand kleiner. So etwas hat ja laufende Grundkosten. Wie da noch ein Gewinn entstehen soll – ich weiß es nicht".
Weniger Kosten durch neue IT-Infrastruktur sei "Unfug"
Die Antwort der Branche lautet: Die neuen Gesellschaften haben kein Neugeschäft, es fallen also keine Kosten für Marketing und Werbung an; sie brauchen deswegen auch keine Filialen und können in einem Industriegebiet ihren Sitz haben. In der Tat ist die Frankfurter Leben mit rund 200 Mitarbeitern vergleichsweise schlank aufgestellt, wenn man bedenkt, dass unter deren Verantwortung rund 750.000 Verträge stehen. Auch der Einsatz moderner IT- und Computersysteme soll niedrigere Verwaltungskosten verursachen.
"Das ist Unfug. Jeder, der sich mit IT auskennt weiß, dass eine neue IT-Infrastruktur zu etablieren, richtig Geld kostet. Bis dann Kostengewinne da sind, um die Investitionen auszugleichen – das dauert Jahre, wenn nicht gar Jahrzehnte. Und die Erfahrungen im Lebensversicherungsbereich haben mir gezeigt, dass die Kostengewinne, die man durch eine neue IT erzielen will, letztendlich nie eintreten", sagt Axel Kleinlein vom Bund der Versicherten. Die Frankfurter Leben war auf Anfrage nicht für ein Interview bereit.
Chinesische Fosun steht hinter der Frankfurter Leben
Dass sich Investoren aus der Abwicklung und Verwaltung älterer Lebensversicherungen offenbar Profite versprechen, liegt auf der Hand. Nicht umsonst steht hinter der Frankfurter Leben die chinesische Mischkonzern-Mutter Fosun, die sich durch das Investment Rendite verspricht. Hebel dafür könnte die Überschussbeteiligung sein, bei der die Versicherten an den Überschüssen des Lebensversicherers beteiligt werden sollen.
"Es ist keine Wunderbox, denn derjenige, der ausgepresst wird, der da auf Geld verzichten muss, das ist der Versicherungsnehmer, die Kunden werden dran glauben müssen, die werden auf Geld verzichten, damit die Aktionäre ihre Profite machen können. Das ist das Geschäftsmodell der Run-Off-Gesellschaften, nichts anderes".
Das sehen die Versicherungsbranche und die Finanzdienstleistungsaufsicht Bafin anders. Beide verweisen auf die gesetzliche Verpflichtung der Bafin, beim etwaigen Verkauf von Versicherungsbeständen an professionelle Abwickler darauf zu achten, dass Versicherte nicht zu kurz kommen. Norbert Pieper, Sprecher der Bafin mit Blick auf den gerade abgesegneten Verkauf der Generali-Lebensversicherungen an Viridium:
"Nach intensiver Prüfung ist die Bafin zu der Auffassung gelangt, dass keine Untersagungsgründe vorliegen. Das heißt, die Belange der Versicherten sind ausreichend gewahrt und durch die Transaktion wird kein Versicherungsnehmer schlechter gestellt als vorher."
Grünes Licht von der Bafin
Die Bafin hat also keine Bedenken, könnte aber ihrer Meinung nach eingreifen, sollte sich die Lage ändern oder die Bedingungen für Versicherungsnehmer verschlechtern. Ob die Zweifel und die Vorwürfe der Kritiker gegenüber den Abwicklungsgesellschaften berechtigt sind oder nicht, wird man wohl erst mit etwas Abstand sehen können. Dann nämlich, wenn Zahlen und Daten über einen längeren Zeitverlauf bei den Auffanggesellschaften auswertbar sind.