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Frankreich
Adventszeit in den Stallungen von Chantilly

Im Schloss Chantilly, kaum 50 Kilometer nördlich von Paris, ist nicht nur eine der bedeutendesten Kunstsammlungen Frankreichs beheimatet. Chantilly ist auch die Pferdestadt, mit der berühmten Rennbahn und den turbulenten Polowettbewerben. Zu Weihnachten versprühen die "Großen Stallungen" mit ihren eleganten Tieren besonderen Charme.

Von Ursula Welter | 21.12.2014
    Kämpfernaturen im Sattel: Polo-Spieler im französischen Chantilly
    Kämpfernaturen im Sattel: Polo-Spieler im französischen Chantilly (AFP)
    Sophie Bienaimé ist eine Dame! Hübsch, blond, mit jugendlichem Charme, enge Reithose, passende Weste.
    "Unglaublich, nicht wahr, ein Palast für Pferde."
    Sophie Bienaimé stammt aus gutem Haus, eine alte französische "Notablen-Familie". Yves Bienaimé, ihr Vater, hatte vor gut 30 Jahren beschlossen, diesen Ort zu retten. Aus dem 18. Jahrhundert. 1719. Vom Cousin des Königs.
    Chantilly wurde ganz und gar nicht als politischer Ort angesehen, hier amüsierte man sich, hier wurde gejagt, wurden Feste gefeiert, der König empfangen, hier ging es nicht um die politische Macht, sondern ums Vergnügen.
    Sophie Bienaimé zückt ihr Handy. Als Direktorin ist sie gefragt, sie kauft die Pferde, kümmert sich um die Reiter, ab und zu muss sie einen Besucher höflich bitten, hinter den Absperrungen zu bleiben. Die Großen Stallungen von Chantilly sind ein Museum der anderen Art.
    "Das macht den Charme aus, man tritt direkt in den lebendigen Teil, man sieht, wie die Pferde bewegt werden, gefüttert werden, der Charme, das ist natürlich auch der Geruch der Ställe, das gehört dazu."
    Links und rechts Boxen, darüber, wie das Mittelschiff einer Kathedrale, die hohen Decken.
    "Im ersten Teil hier haben wir elf Pferde und zehn Ponys und drei Esel, in einem anderen Bereich noch 15 weitere Pferde. Das ist übrigens 'Séraphin'."
    Der Esel ist lauter, als die Pferde. Sophie Bienaimé lässt sich von ihrer Leidenschaft für diesen Ort leiten.
    "Wenn man hineinkommt, sieht man Stallungen im typischen Stil des 19. Jahrhunderts. Während der Revolution sind die Originalgebäude komplett zerstört worden. Aber der Duc d'Aumale, fünfter Sohn des Königs Louis-Philippe, hat diese Boxen schaffen lassen und die Pferdestände, für seine Rennpferde und für seine Jagdpferde. Heute bereiten wir hier unsere Aufführungen vor, aber früher war das die Sattlerei des Duc d'Aumale."
    Wie eine Kathedrale für Pferde
    "Und jetzt treten wir unter die Kuppel!"
    Der Hals streckt sich, der Blick geht nach oben, 28 Meter in die Höhe.
    "Wir haben also das gewaltige Längsschiff, und in der Mitte diese außergewöhnliche Kuppel, das ist vielleicht der schönste, fantastischste Teil, jedenfalls für mich, mit diesen monumentalen Steinbrunnen hier an der Seite, im 18. Jahrhundert brachen von hier aus 240 Pferde zur Treibjagd auf, durch die großen Holztüren, und im anderen Hof sammelten sich die Hunde."
    Sophie Bienaimé hat schon viele Personen durch diesen Teil der Großen Stallungen von Chantilly geführt. Abgeklärt ist sie dennoch keineswegs:
    "28 Meter, überall Skulpturen, und fünf Meter dicke Wände, die Jagdmotive, die vier Hirsche an den Brunnenseiten. Wissen sie, es ist jedes Mal aufs Neue ein Schock, diese Schönheit, es ist magisch, man kann sich das nicht einprägen, jedes Mal sieht man die Skulpturen, die perfekten Proportionen aufs Neue."
    Unter der Kuppel die Manege. Vor 30 Jahren entschied sich Vater Yves Bienaimé den Ort zu retten, schuf das Pferdemuseum, nutzte die Einnahmen. Eines Tages wurde dann die Idee geboren, den Besuchern nicht nur die Hohe Reitkunst zu erklären und die Bedeutung der Pferde in der Weltgeschichte zu zeigen. Mit dem Talent der Töchter, die eine zu Pferde, die andere als Schauspielerin und Choreografin, wurde dem zahlenden Publikum ein "Spektakel" präsentiert, erfolgreich bis heute.
    "Das ist unsere Spezialität geworden, seit 30 Jahren."
    Jetzt, im Winter, steht "Die Königin der Träume" auf dem Programm, hohe Reitkunst und Akrobatik, aufwendig verpackt in eine Geschichte für Große und Kleine.
    Eine traditionsreiche Familie
    Sophie Bienaimé berichtet, wie es dazu kam, dass mancher Besucher nur ein Tier mit vier Beinen wahrnahm, wenn er nach Chantilly kam - wo doch Reitkunst weit mehr sei. Sie erzählt, dass die Familie das Museum unterhielt, dass aber irgendwann die Pferdestadt Chantilly mehr Hilfe benötigte, dass Prinz Aga Khan sich anbot, zunächst die Rennbahn, dann Schloss und Stallungen zu unterstützen.
    "Er hat selbst Rennpferde hier in Chantilly. 2.500 bis 3.000 Vollblüter werden hier in der Stadt trainiert, und es bestand die Gefahr, dass die Rennbahn geschlossen werden sollte."
    2005 musste die alteingesessene Familie dem Investor weichen, der die Region zu seiner Wahlheimat machte, und der mit seiner Stiftung das ganze Anwesen sanieren ließ.
    "Meine Eltern mussten verkaufen, das war nicht leicht. Aber das war andererseits auch wieder gut, denn für das Budget einer kleinen Familie, um die großen Stallungen zu retten, war es besser so."
    "Es geht weiter, und das ist gut!"
    Die originelle Idee des Vaters, das Pferdemuseum, hat Bestand. Und die Tochter hält die Fahne der Familie Bienaimé als Direktorin weiter hoch.
    Die Tiere hier, die Aufführungen unter der Kuppel dort und in den prächtigen Nebentrakten der weitläufigen Stallungen eine historische Sammlung. Das Pferd in allen Lebenslagen.
    Als Zirkuspferd, als Teil der Kriegsmaschinerie. Jagdszenen. Sattel aus aller Welt und allen Epochen. Und natürlich die Geschichte des Rennpferdes, die in einer Stadt wie Chantilly nicht fehlen darf.
    "Ich lasse Sie das Museum besichtigen, das ist weniger mein Bereich."
    Verabschiedet sich die passionierte Reiterin, die Herrin der großen Stallungen und Hüterin der Tiere unter der prächtigen Kuppel. Die selbst aufsattelt, wenn es in die Manege geht und wenn das Publikum staunt, was Mensch und Tier gemeinsam zustande bringen.