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Frankreich
Europafest mit Differenzen

Zum Europatag öffnete das Parlament in Straßburg seine Türen. Sechs EU-Parlamentarier standen den Gästen Rede und Antwort. Die Debatte über Jugendarbeitslosigkeit, Flüchtlinge und die wirtschaftliche Stärke der Mitgliedstaaten in Europa wurde vor allem vom Front National angeheizt.

Von Tonia Koch | 09.05.2016
    Das Gebäude des Europarates in Straßburg
    Der Front National hat am Europatag nicht viel zu feiern. (dpa / Rainer Jensen)
    Soldaten stehen vor dem Europaparlament in Straßburg in Position. Es sind Angehörige des Eurocorps, das sich aus verschiedenen Nationen zusammensetzt.
    Die Soldaten entrollen in feierlicher Zeremonie das europäische Sternenbanner und hissen es unter den Klängen der Europahymne. Das europäische Parlament in Straßburg hat seine Tore für die Bürger geöffnet und der Vizepräsident, der konservative Abgeordnete Rainer Wieland, ermuntert die Gäste mitzumachen.
    "Sie können wann immer sie möchten in den Plenarsaal und am politischen Diskurs teilnehmen."
    Zu jenen sechs EU-Parlamentariern, die sich über drei Stunden einer Diskussion stellen, gehört auch die Abgeordnete der Grünen Evelyn Gebhard.
    "Es sind sogar vielmehr Leute da als letztes Jahr, zumindest in diesem Plenarsaal, die sich auch richtig einbringen in die Diskussion. Das heißt, die Bürgerinnen und Bürger nehmen dieses Europa durchaus an."
    Diskussion um Jugendarbeitslosigkeit und Flüchtlinge
    Die Diskussion dreht sich um Jugendarbeitslosigkeit, Flüchtlinge, die unterschiedliche wirtschaftliche Stärke der Mitgliedstaaten, um den aufkeimenden Nationalismus in Europa. Eine Gruppe Studenten, zwei Spanier, ein Engländer sind aus ihrem Gastland Belgien angereist. Sie nehmen an ERASMUS, dem europäischen Austauschprogramm für Studierende teil. Es gehört zu den großen Errungenschaften der europäischen Union, noch nie waren so viele junge Leute völlig selbstverständlich in anderen EU-Staaten unterwegs.
    "Ich denke, Europa ist ein richtig großes Vorhaben, es hilft Spanien viel und wir sollten mehr dafür tun und es verbessern, damit es ein gutes Projekt bleibt und nicht im Fiasko endet. Wir versuchen uns zu informieren, wie die Institutionen arbeiten, aber es ist nicht einfach, die Kommunikation stimmt nicht und sie kommt bei jungen Leuten nicht an. Ich will keinen Brexit, ich lebe in Belgien und finde es prima, ich möchte unbedingt, dass Großbritannien in der EU bleibt, weil, ich will später in Europa arbeiten."
    In wenigen Wochen wird in Großbritannien über den Verbleib in der EU abgestimmt, davor fürchtet sich auch Emma. Sie arbeitet in der Schweiz und hat Freunde in Straßburg besucht.
    "Ich mach mir gerade große Sorgen, was passiert mit meinem Job, wenn Großbritannien die EU verlässt, müssen wir Briten dann alle nach Hause und dürfen nicht mehr in der EU arbeiten?"
    Junge Europäer fordern mehr Zusammenhalt in der EU
    Von nationalen Lösungen hält Emma gar nichts.
    "Viele Probleme, denen sich die einzelnen Mitgliedstaaten gegenüber sehen, müssen doch gemeinschaftlich diskutiert und gelöst werden, weil die Nationalstaaten dazu doch gar nicht mehr in der Lage sind, die Welt ist zu vernetzt, Europa muss gestärkt werden."
    Und Mardisa, eine junge Kasachin, die die Gelegenheit bekommen hat, in Paris zu studieren, will von Euroskepsis nichts wissen.
    "Die Gesellschaft ist so modern, ich bin hier in der Zukunft gelandet, für mich ich das alles wirklich fortschrittlich."
    Drinnen im Plenarsaal hat erstmals auch der Front National in der Runde der Parlamentarier Platz genommen. Die Zukunft sieht – wohl nicht nur für die französische Rechte – ganz anders aus. Ihr Vertreter auf dem Podium, Jean Luc Schaffhauser, ist Elsässer mit reichlich Grenzerfahrung, trotzdem wird er nicht müde, die europäischen Differenzen zu betonen, redet vom europäischen Scheitern auf fast allen Ebenen und vom ungesunden Übergewicht der Deutschen in Europa. Viel zu feiern hat er am Europatag nicht.
    "Hören sie, wir sind nicht gegen ein Europa der Kulturen aber, wir sind für ein Europa der Nationen und das heißt, wir sind für Europa, jedoch gegen die europäischen Institutionen, weil sie das europäische Projekt nicht voranbringen."
    Die Grüne Evelyn Gebhard ist überzeugt, dass nur die europäische Union in gemeinsamer Verantwortung die europäische Wertegemeinschaft stabilisieren kann.
    "Wir müssen lauter werden als Europäer, wir haben in letzter Zeit ein bisschen zu viel Raum den Antis gegeben und müssen klar machen, dass das, was vielleicht 40.000 Menschen in Dresden als Parole des Volkes herausgegeben haben, nicht 80 Millionen sind, und dass eine große schweigende Mehrheit da ist, die sich wieder in Bewegung setzten muss, um zu sagen, wir wollen ein Europa des Friedens, des Zusammenhaltes und der Demokratie."