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Frankreich fürchtet sich vor Energie-Engpässen

Frankreichs Energieminister Eric Besson kritisierte den deutschen Atomstromausstieg. Er ist überzeugt, dies führe dazu, dass Deutschland demnächst mehr Elektrizität aus Frankreich importiere. Die Grande Nation muss sich infolgedessen dem Problem eines möglichen Strommangels stellen.

Von Suzanne Krause | 09.06.2011
    Das Thema "Folgen des deutschen Atomausstiegs für die französische Stromwirtschaft" ist ein heikles. Beim französischen Atomstromgiganten Electricité de France, EDF, winkt die Pressestelle beim Wunsch nach einem Interview ab. Ebenso wie im Stab von Energieminister Besson. Denn zum einen beobachten die Verantwortlichen in Paris erschrocken, dass mancher im Land angesichts der drastischen Wende der deutschen Energiepolitik nunmehr selbiges für Frankreich fordert. Und zum anderen: die Freude über einen potenziell steigenden Stromexport nach Deutschland wird getrübt durch eine Tatsache. Nach dem Abschalten der ersten Meiler wird Deutschland vorerst weniger Elektrizität ausführen können.

    "Deutschland ist europaweit der größte Stromerzeuger. Und beliefert viele Länder mit Elektrizität, darunter auch Frankreich,"

    hält Sophia Majnoni fest, Energieexpertin bei Greenpeace Frankreich.

    "Seit den 90er-Jahren importiert Frankreich Strom aus Deutschland, vor allem in den Wintermonaten. Denn drei Viertel der französischen Elektrizität stammt aus Kernkraftwerken und die sind nicht geeignet, mit Spitzenbelastungen im Stromnetz, vor allem im Winter, klarzukommen."

    Der grenzüberschreitende Stromhandel in Frankreich ist gewissermaßen ein Saison-Geschäft. Im Sommer, Flaute-Zeit der Stromnachfrage, übersteigt die Produktion der Meiler bei weitem den inländischen Bedarfhochzeit für den Export. Im Winter jedoch, wenn Millionen von Haushalte die Stromheizung anknipsen, kommt das Land ohne Importe nicht aus. Die beiden Hauptlieferanten: Großbritannien und Deutschland

    "Seit zwei Jahren importiert Frankreich zwei bis drei Mal so viel Strom aus Deutschland wie es dorthin exportiert. Konkret gesagt: der Import liegt zwischen 16 bis 19 Terawatt-Stunden, exportiert werden sieben bis neun Terawatt-Stunden."

    Der Strom aus Deutschland könnte Frankreich nicht erst im kommenden Winter fehlen, sondern schon im nahenden Sommer. Seit Wochen leidet das Land unter einer Dürre, die alle bisherigen Rekorde bricht. Kürzlich hat die Regierung deswegen einen Krisenstab einberufen: Er soll einem Blackout bei der Stromversorgung vorbeugen. Mitte Mai verkündet die Atomsicherheitsbehörde, in den Kernkraftwerken herrsche trotz Dürre normaler Betrieb. Doch sollte sich im Sommer zur andauernden Dürre eine Hitzewelle gesellen, sind Probleme bei der Stromversorgung absehbar. Laut Yves Marignac gibt es drei Möglichkeiten, dem Ernstfall Strommangel entgegen zu treten. Marignac leitet das Büro der Nichtregierungsorganisation World Information Service Energy in Paris:

    "Zum einen könnte man darauf setzen, manchen Atommeiler, der normalerweise im Sommer für Wartungsarbeiten vom Netz geht, erst später abzuschalten. Aber damit würden die Probleme einfach ein bisschen zeitlich verschoben, denn im Herbst und vor allem im Winter steigt der Strombedarf."

    Ebenso könnten als Übergangslösung massiv andere Kraftwerke eingesetzt werden: Gas, Öl, Kohle. Die aber treiben den Ausstoß an Kohlendioxid nach oben. Option drei: die Bürger zum Stromsparen anzuhalten. Yves Marignac sagt: Dies wäre ein Novum in der französischen Energiepolitik.

    "Es zeugt natürlich von einer ungeheuren Ironie, festzustellen, dass Frankreich, das alles auf den Ausbau der Atomkraft setzte, um im Energiebereich seine Unabhängigkeit aufzubauen, in Wirklichkeit im Winter völlig abhängig ist von den Entscheidungen, die die Nachbarländer betreffs ihres eigenen Stromparks treffen."