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Frankreich
Gefeierter Journalist, perspektivloser Flüchtling

Calais ist schon seit zwei Jahrzehnten eine Durchgangsstation für Flüchtlinge, die auf eine bessere Chance in Großbritannien hoffen. Denn die Asylverfahren in Frankreich ziehen sich lang hin und die Bestimmungen gelten als chaotisch. Selbst ein in Frankreich gefeierter Journalisten hat es schwer, wie ein Beispiel zeigt.

Von Ursula Welter | 03.08.2015
    Flüchtlinge sitzen am Eurotunnel in Calais. Der Weg wird von Polizisten blockiert.
    Flüchtlinge sitzen am Eurotunnel in Calais. Der Weg wird von Polizisten blockiert. (AFP / Philippe Huguen)
    Paris. Ein Gebäude im 18. Stadtteil. Hunderte von Flüchtlingen haben in diesem Quartier in den vergangenen Monaten immer wieder ihre Zelte aufgeschlagen und immer wieder wurden ihre Camps geräumt.
    Hinter der Fassade tut sich eine andere Welt auf. Kinderwagen stehen im Eingang, eine afrikanische Frau telefoniert in einer Nische per Handy, in den oberen Etagen gibt es Betten für Flüchtlinge – wer Glück hat, kommt aus den wilden Camps hierher, hat ein Dach über dem Kopf.
    Seitlich öffnet sich eine Tür in einen Raum der anderen Art. Keine Schlafsäle für Flüchtlinge, dafür ein gotisch anmutender, kapellenartiger Bau mit meterhohen Wänden, einer Kathedrale gleich. Ein Saal, der seit Langem säkular genutzt wird, den Organisationen mieten können, für Yogastunden, Kulturabende oder für andere Anliegen.
    Praktische Hilfe für Flüchtlinge
    An diesem Tag geht es um Flüchtlingsschicksale. Die Organisation SINGA hat Informationsstände errichtet, sie hilft Flüchtlingen, Fuß zu fassen, einen Beruf zu finden, hilft, in Frankreich anzukommen. Hier geht es nicht um gute Gaben, nicht um Wohltaten, sondern um praktische Hilfe für Menschen, die Talente haben, etwas können.
    In einer Nische sitzt ein älterer Mann, dunkler Anzug, gepflegte Erscheinung, sein Atem riecht nach Tabak. Er heißt Déo Namujimbo, ein Flüchtling aus dem Kongo, Schriftsteller, Journalist. Seit sechs Jahren lebt er in Frankreich. Im März 2009 musste er seiner Heimat den Rücken kehren.
    "Sie wissen, was dort in der Demokratischen Republik Kongo los war und ist, mit den Kriegen, der Not der Menschen, den korrupten Politikern, den Millionen Toten. Ich war mehr als zehn Jahre für "Reporter ohne Grenzen" tätig."
    Und für diverse westliche Presseagenturen. Namujimbo durchreiste sein Land, deckte die Missstände auf, erzählte die wahre Not der Menschen. Er erzählte und wurde bedroht - Morddrohungen zwangen ihn in das französische Exil, bereits ein Jahr zuvor war sein jüngerer Bruder ermordet worden, auch er Schriftsteller.
    Empfänger der "goldenen Schreibfeder"
    Als der französische Senat Déo Namujimbo im April 2009 einlud, um ihm die "goldene Schreibfeder" zu verleihen, da konnte der klein gewachsene Mann mit den hellen Augen und den freundlichen Gesichtszügen nicht mehr zurück.
    "Durch den Medienrummel unterstellten mir die Leute im Kongo, ich hätte Asyl beantragt, sie wollten meine Haut, bedrohten mich per Mail und anders, bis hierher in Frankreich, sie drohten mir mit Mord, damit meine Frau solange zu vergewaltigen, bis sie tot sei, mein Haus anzustecken."
    Namujimbo konnte nicht zurück in seine Heimat.
    "Ich habe sehr schnell Asyl beantragt und binnen drei Tagen hatte ich den Flüchtlingsstatus. Und damit konnte ich beantragen, meine Familie nachzuholen."
    Die damals in Burundi Schutz gesucht hatte. "Es dauerte zwei Jahre", zwei Jahre war der Schriftsteller von seiner Familie getrennt, die Verwaltung tat sich schwer, denn Namujimbo hatte keine Papiere dabei, als er Hals über Kopf entscheiden musste, in Frankreich zu bleiben.
    "Und jetzt in mein Problem, Arbeit zu finden. Ich habe keine französischen Diplome. In Frankreich werden die Abschlüsse meines Landes nicht anerkannt, nur das Abitur."
    Sagt der gebildete Mann, der international gefeiert wurde für viele seiner Veröffentlichungen. 23 Jahre Berufserfahrung nutzen dem Journalisten nichts. "Ich habe alles versucht, aber es ist sehr kompliziert", zuckt Namujimbo resignierend mit den Schultern. Als Mann aus dem Kongo finde er keinen Zugang zu den Redaktionsräumen Frankreichs. Die Netzwerke seien verschlossen.
    Kein optimistischer Blick in die Zukunft
    Um nicht tatenlos zu sein, seine Frau verdient mit kleinen Arbeiten den Unterhalt für die Familie, versucht der Schriftsteller jetzt anderen Kongolosen bei der Integration zu helfen:
    "Es gibt viele, die ein Problem haben, weil sie kein Französisch sprechen. Hier in Frankreich, wenn man einen Schwarzen sieht, der einen Asylantrag stellt, weiß man weder, was der durchgemacht hat, noch stellt man sich vor, dass er Kompetenzen hat, mit denen er Frankreich, Europa dienen kann, wir haben Kompetenzen, Madame."
    Sagt der gefeierte Schriftsteller von einst, der jetzt als anerkannter Flüchtling, aber beruflich ohne Perspektive sein Leben in Frankreich irgendwie organisieren muss – optimistisch wirkt er nicht, an diesem Tag in den Räumen der Hilfsorganisation in Paris