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Frankreich in der Griechenlandkrise
Kompromiss um fast jeden Preis

Frankreich hat sich in den Verhandlungen um einen möglichen Grexit als Vermittler zwischen Athen und Berlin positioniert. Der französische Francois Hollande lobte dabei schon früh die griechischen Vorschläge. Die französische Opposition hält ihn da für viel zu kompromissbereit. Hollande orientiere sich nur am linken Flügel seiner Partei.

Von Christiane Kaess | 13.07.2015
    Angela Merkel (CDU), Francois Hollande, Alexis Tsipras in Brüssel (12.07.2015).
    Angela Merkel (CDU), Francois Hollande, Alexis Tsipras in Brüssel (12.07.2015). (dpa / picture-alliance / Olivier Hoslet)
    Der französische Präsident hat nicht an Solidaritätsbekundungen gespart. Schon am vergangenen Freitag war er einer der ersten, die auf das lang erwartete Reformpapier aus Athen reagierten: "Die Griechen haben ihren Willen gezeigt, in der Eurozone zu bleiben. Denn das Programm, das sie vorgelegt haben, ist seriös und glaubwürdig. Außerdem wollen sie es dem Parlament vorlegen. Das beweist ihr großes Engagement und ihren Mut."
    Daraus sprach die Hoffnung, doch noch ein Abkommen zu erreichen. Wie ein Mantra hatten die regierenden Sozialisten wiederholt, man werde bis zum Schluss alles unternehmen, um einen Grexit zu verhindern. Frankreichs Finanzminister Michel Sapin warnte in der Eurogruppe immer wieder, ein Grexit werde teurer als ein drittes Hilfspaket für Griechenland. Zum Engagement der Regierung gehörte offenbar auch, den griechischen Vertretern bei ihren jüngsten Vorschlägen französische Finanzexperten an die Seite zu stellen. Als "Sparringspartner" – so zitiert die Zeitung "Le Monde" einen Berater der Regierung.
    Der größte Druck gegen einen Grexit und für europäische Solidarität kommt aus den eigenen Reihen. Seit Langem bereiten die Frondeure der Sozialisten, scharfe Kritiker des Regierungskurses, Präsident Hollande und Premierminister Manuel Valls Kopfzerbrechen. Sie waren von Anfang an gegen den Sparkurs in Europa. Und gegen die Reformen der eigenen Regierung – obwohl diese nach Meinung der konservativen Opposition immer noch viel zu milde ausfallen. Gern erinnern die sozialistischen Gegner der Austeritätspolitik François Hollande daran, dass dieser noch im Wahlkampf 2012 den europäischen Fiskalpakt neu verhandeln wollte. Vorläufiger Höhepunkt der Zerreißprobe in der Regierungspartei: das neue Wachstums-und Beschäftigungsgesetz von Wirtschaftsminister Emmanuel Macron. Dieses drückte Premierminister Valls letzte Woche ohne parlamentarische Abstimmung durch. "Die Debatte hat stattgefunden. Vielleicht sogar ein Vorteil. Sie war reichhaltig und intensiv. Jede Gruppe, jeder Abgeordnete hat seine Position klar machen können."
    Tatsächlich hatten über hundert Stunden Diskussion in der Nationalversammlung gezeigt, dass sich die Regierung ihrer eigenen parlamentarischen Mehrheit nicht mehr sicher sein kann. Premier Valls griff aus Angst vor einer Niederlage schließlich mehrmals auf einen Artikel der Verfassung zurück, der die Annahme eines Gesetzes ohne parlamentarische Abstimmung erlaubt. Die Opposition lachte sich ins Fäustchen und stellte zweimal einen Misstrauensantrag. Dem zuzustimmen - soweit wollte die linke Mehrheit der Abgeordneten dann doch nicht gehen. In der Griechenland-Frage attackiert die konservative Opposition der Republikaner Hollande von der anderen Seite: er sei zu kompromissbereit. "Er macht da Innenpolitik - ärgert sich der konservative Abgeordnete Eric Ciotti - er macht nur dem linken Flügel seiner Partei und seinen Kritikern Zugeständnisse. Das ist unverantwortlich!"
    Erst im März waren die Konservativen, damals noch als UMP, bei den Départementswahlen die großen Sieger und entmachteten in vielen Landesteilen die Sozialisten. Alain Juppé, der für seine Partei Präsidentschaftskandidat werden möchte, und in Umfragen sehr gut abschneidet, will nach dem griechischen Nein zur Sparpolitik "den Griechen dabei helfen, ohne Drama aus der Eurozone auszuscheiden".
    "Die Regeln der Eurozone müssen von allen respektiert werden", so sein Argument, sonst würde das ganze System geschwächt. In diesem Spannungsfeld versuchte es der sozialistische Parteichef, Jean-Christophe Cambadélis, gestern noch einmal bei den deutschen Sozialdemokraten. Nach den Plänen von Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble für ein fünfjähriges Ausscheiden Griechenlands aus der Eurozone appellierte er an SPD-Parteichef Sigmar Gabriel, in einer öffentlichen Erklärung: Man könne nicht vor dem Referendum eine Vereinbarung treffen und sie anschließend nicht für gültig halten. Die Völker in Europa verstünden die deutsche Haltung nicht. Weiter links träumt der Chef der Linkpartei Jean-Luc Mélenchon unterdessen von einer "Syriza á la francaise". Und der extrem rechte Front National, die in der Wählergunst steigt, freute sich nach dem griechischen Referendum schon über ein Ende der Eurozone.