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Parlamentswahl in Frankreich
Absolute Mehrheit für Macron-Lager

Frankreichs Präsident Emmanuel Macron hat bei der Parlamentswahl eine klare Mehrheit für seine Politik gewonnen, aber schwächer abgeschnitten als erwartet. Die traditionellen Regierungsparteien der bürgerlichen Rechten und der Sozialisten mussten eine weitere Niederlage einstecken. Der Rechtspopulistin Marine Le Pen gelang erstmals der Einzug ins französische Parlament.

18.06.2017
    Frankreichs Präsident Emmanuel Macron am Tag der zweiten Runde der Parlamentswahl am Mont Valérien. Dort wurde an den Widerstandsaufruf von General Charles de Gaulle am 18. Juni 1940 erinnert.
    Frankreichs Präsident Emmanuel Macron am Tag der zweiten Runde der Parlamentswahl am Mont Valérien. Dort wurde an den Widerstandsaufruf von General Charles de Gaulle am 18. Juni 1940 erinnert. (picture alliance/dpa - Olivier Corsan)
    Am Morgen gab das Innenministerium einen neuen Stand der Auszählung bekannt, wonach "La Republique en Marche" und ihre Verbündeten eine deutliche absolute Mehrheit erreichte. Diese fällt mit 350 von 577 Sitzen in der Nationalversammlung aber nicht ganz so breit aus, wie Umfragen in Aussicht gestellt hatten. Meinungsforscher hatten zuvor bis zu 470 Mandate für möglich gehalten. Besser als erwartet schnitt die bürgerliche Rechte um die konservativen Republikaner mit 137 Sitzen ab, während die Sozialisten und ihre Verbündeten auf nur noch 45 Sitze kommen. Parteichef Jean-Christophe Cambadélis trat noch am Abend zurück. Der Front National kommt auf bis zu 8 Mandate. Die Vorsitzende Marine Le Pen zieht erstmals auch selbst ins Parlament ein.
    Premierminister Edouard Philippe erklärte, die Franzosen hätten für Hoffnung und Optimismus gestimmt. Zugleich beklagte er die historisch niedrige Wahlbeteiligung von knapp 43 Prozent. "Die Wahlenthaltung ist nie eine gute Nachricht für die Demokratie."
    Im Tagesverlauf hatte sich eine äußerst niedrige Beteiligung abgezeichnet. Laut Hochrechnungen lag sie bei rund 43 Prozent. Damit hätten sich so wenige Wahlberechtigte wie nie an der Parlamentswahl beteiligt. An der ersten Wahlrunde am vergangenen Sonntag hatten sich auch weniger als die Hälfte der Wahlberechtigten beteiligt. Der französische Linkspolitiker Jean-Luc Mélenchon sagte zur niedrigen Wahlbeteiligung: "Unser Volk ist bei dieser Wahl in eine Form des staatsbürgerlichen Generalstreiks getreten."
    Der französische Präsident Emmanuel Macron gibt seine Stimme in Le Touquet in Nordfrankreich bei der zweiten Runde der Parlamentswahlen ab.
    Der französische Präsident Emmanuel Macron gibt seine Stimme in Le Touquet in Nordfrankreich bei der zweiten Runde der Parlamentswahlen ab. (AFP - Christophe Archambault)
    Vor einer Woche hatte das Bündnis "Republique en marche" und der Mitte-Partei "MoDem" 32,3 Prozent der Stimmen erhalten. Die bürgerliche Rechte um die konservativen Republikaner kam auf 21,6 Prozent, der rechtsextreme Front National auf 13,2 Prozent. Die Sozialisten fuhren mit 9,5 Prozent das schlechteste Ergebnis ihrer Geschichte ein.
    Der Sieger bekommt alles
    Macrons Bündnis profitiert auch vom französischen Wahlsystem: Es gilt ein reines Mehrheitswahlrecht mit zwei Wahlgängen. Die Franzosen wählen in 577 Wahlkreisen jeweils einen Abgeordneten. Ähnlich wie in Großbritannien gilt dabei das Prinzip "Der Sieger bekommt alles"; die Stimmen der unterlegenen Kandidaten werden bei der Sitzverteilung im Parlament nicht berücksichtigt. Zum Vergleich: In Deutschland haben Wähler eine Erststimme für Direktkandidaten und eine Zweitstimme, die für die Verteilung der Sitze an die im Parlament vertretenen Parteien maßgeblich ist.
    Nur in vier Wahlkreisen setzte sich bereits in der ersten Runde am vergangenen Sonntag ein Kandidat durch; dazu war eine absolute Mehrheit nötig. Überall sonst fiel die Entscheidung heute in der Stichwahl. An der konnten alle Kandidaten teilnehmen, für die im ersten Wahlgang mindestens 12,5 Prozent der Wahlberechtigten des Wahlkreises gestimmt haben. In der zweiten Runde siegt, wer die meisten Stimmen bekommt.
    Le Pen erstmals im Parlament
    Das System macht es vor allem für kleinere Parteien schwierig, Abgeordnetenmandate zu erringen. Deswegen spielte der rechtsextreme Front National (FN) bislang trotz zweistelliger Wahlergebnisse kaum eine Rolle im Parlament - oft verbündeten sich die anderen Parteien im zweiten Wahlgang gegen die Partei. 2012 kam der FN in der ersten Runde landesweit auf 13,6 Prozent der Stimmen, erhielt aber nur zwei der 577 Sitze.
    Medienberichten und eigenen Angaben zufolge hat auch Marine Le Pen vom rechtsextremen Front National ihren Sitz bei der Stichwahl in Hénin-Beaumont gewonnen. Im ersten Wahlgang lag sie mit 46 Prozent fast 30 Punkte vor ihrer Stichwahl-Gegnerin. Der symbolische Erfolg wäre nach der verlorenen Präsidentschaftswahl wichtig für Le Pen. Auch ihr Lebenspartner Louis Aliot hat demnach in seinem Wahlkreis den Sitz für den FN errungen. Eine Fraktion kann die Partei jedoch nicht bilden, denn dazu wären 15 Abgeordnete nötig. Bisher hatte der FN zwei Sitze im Parlament.
    Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hat dem französischen Präsidenten Emmanuel Macron zum Sieg seines Lagers bei der Parlamentswahl gratuliert. Regierungssprecher Steffen Seibert twitterte:
    Kanzleramtschef Peter Altmaier erklärt, Frankreich habe jetzt einen starken Präsidenten mit einer starken Mehrheit im Parlament. Das sei gut für Europa und für Deutschland. Außenminister Sigmar Gabriel teilte mit, nun sei der Weg für Reformen sowohl in Frankreich als auch Europa frei. Ähnlich äußerte sich auch SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz.
    50.000 Polizisten sollten die Wahl schützen
    Die Wahllokale waren von 8 bis 18 Uhr geöffnet, in großen Städten zwei Stunden länger. In mehreren Überseegebieten wurde wegen der Zeitverschiebung schon am Samstag gewählt. 50.000 Polizisten sollten die Abstimmung schützen. Nach einer Reihe von Terroranschlägen in den vergangenen Jahren gilt in Frankreich weiterhin der Ausnahmezustand.
    (cvo/fwa/vic/ach)