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Frankreich
Regierung kürzt Kindergeld bei Besserverdienenden

Familien in Frankreich, die über 6.000 Euro im Monat verdienen, sollen demnächst weniger Kindergeld beziehen. Das sieht ein neues Sozialgesetz vor. Familienverbände und Gewerkschaften laufen Sturm gegen den Beschluss. Die Sparmaßnahme "töte Familien".

Von Ursula Welter | 17.10.2014
    Frankreichs Sozial- und Gesundheitsministerin Marisol Touraine bei der Pressekonferenz zur neuen Familienpolitik am 16. Oktober 2014.
    Frankreichs Sozial- und Gesundheitsministerin Marisol Touraine bei der Pressekonferenz zur neuen Familienpolitik am 16. Oktober 2014. (KENZO TRIBOUILLARD / AFP)
    "Das ist das Ende der universellen Familienpolitik. Die Republik behandelt ihre Kinder nicht mehr gleich."
    Für die Familienverbände beschwerte sich als einer der ersten Thierry Vidor über den weitreichenden, familienpolitischen Beschluss der Sozialisten. Nachdem bereits die steuerlichen Vorteile für Familien mit höheren Einkommen gestutzt wurden, will die französische Regierung nun das Kindergeld nach Einkommen staffeln und damit eine alte Tradition aufbrechen. Bislang erhielt in Frankreich jede Familie unterschiedslos monatlich rund 129 Euro für zwei Kinder, 295 für drei, 460 für vier und für jedes weitere Kind 165 Euro.
    Familien mit einem Monatseinkommen ab 6.000 Euro sollen künftig nur noch die Hälfte erhalten, ab 8.000 Euro nur noch ein Viertel der bisherigen Summen.
    Vor einer Woche noch hatte Familien- und Gesundheitsministerin Marisol Touraine, auch im Namen des Präsidenten, den Franzosen das Gegenteil versprochen:
    "Für die Familien, die Zuschüsse erhalten, ändern sich die Beträge mit dem Sozialreformgesetz nicht."
    Heute liest sich das anders.
    Die regierenden Sozialisten hatten zunächst versucht, die Löcher in den Sozialkassen durch deutliche Senkung der (bereits nach Einkommen gestaffelten) Geburtsprämie von derzeit rund 920 Euro zu stopfen. Das hätte schwächere Familien getroffen.
    "Soziale Gerechtigkeit wird beendet"
    Stattdessen einigte sich die Regierung nun mit der sozialistischen Fraktion darauf, die monatliche Kinderbeihilfe für die Familien zu senken, die über mehr als 6.000 Euro verfügen.
    Dass die Sparanstrengungen erneut die Familien treffen, brachte der Regierung Kritik von allen Seiten an, auch aus dem eigenen Lager:
    "Damit wird ein Teil der sozialen Gerechtigkeit im Land beendet", kritisierte der Chef der linken Gewerkschaft CGT, Thierry Lepaon.
    Die Gruppe der sozialistischen Abweichler im Parlament, die der Mehrheit das Leben in der Haushaltsdebatte gerade schwer macht, warnte davor, zu glauben, dies sei ein Sieg der Linken. Andere Maßnahmen seien möglich und besser gewesen, schreibt die Gruppe "Vive la gauche".
    "Die Regierung will sparen, aber eine Entscheidung wie diese tötet Familien, denn sie müssen ständig befürchten, dass ihnen Kürzungen ins Haus stehen, außerdem stürzt das weitere Familien in die Armut."
    Sagte Aminata Koné für die Familiengewerkschaft CSF.
    Die Chefin des extremen Front National, Marine le Pen, erklärte in einem Radiointerview, sie sähe es lieber, den Familien der Einwanderer Kindergeldzuschüsse zu streichen, statt französischen Familien.
    800 Millionen jährlich einsparen
    Für die konservative Oppositionspartei beklagte der Abgeordnete Hervé Mariton, mit der Kürzung des Kindergeldes für höhere Einkommen gefährde die Regierung den Kinderreichtum Frankreichs.
    "Die Regierung wagt nicht, Dinge zu ändern, die nicht funktionieren. Stattdessen attackiert sie ein funktionierendes und erfolgreiches Prinzip," klagt der Oppositionspolitiker.
    Mit der Entscheidung, die vom Parlament noch bestätigt werden muss, hoffen Frankreichs Sozialisten, 800 Millionen Euro jährlich in der Sozialkasse einsparen zu können.