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Frankreich
"Sarkozy ist kein einfacher Kandidat"

Frankreichs Ex-Präsident Nicolas Sarkozy ist zurück in der Politik. Bei der Wahl zum Parteivorsitzenden der UMP werde sich Sarkozy durchsetzen, sagte der Politikwissenschaftler Henri Menudier von der Universität Sorbonne im Deutschlandfunk. Die Frage sei, wie er sich künftig positionieren werde - eher in der Mitte oder ganz Rechts.

Henri Menudier im Gespräch mit Dirk-Oliver Heckmann | 22.09.2014
    Der frühere französische Staatspräsident Nicolas Sarkozy während einer Fernsehsendung am 21. September 2014.
    Der frühere französische Staatspräsident Nicolas Sarkozy während einer Fernsehsendung am 21. September 2014. (AFP)
    Nach Ansicht von Menudier war Sarkozys Comeback nur eine Frage der Zeit. "Wahrscheinlich hätte er sich lieber erst später gemeldet", sagte der Franzose. Das Durcheinander in seiner Partei und das Erstarken der Rechten habe ihn aber dazu bewogen, schon jetzt einzugreifen. Bei der Wahl um den Parteivorsitz der UMP im November werde Sarkozy wohl als Gewinner hervorgehen. In der Partei habe er eine große Unterstützung. "Es ist nur die Frage, wie hoch die Mehrheit sein wird."
    Angesichts der juristischen Verfahren sei Sarkozy kein einfacher Kandidat. Wenn er trotz der zehn laufenden Affären erkläre, dass an den Vorwürfen nichts dran wäre, "dann wird einem ein bisschen unwohl", sagte Menudier.
    Unter der Bevölkerung gebe es es nur 40 Prozent, die ihn unterstützten. 60 Prozent seien mit seiner Rückkehr nicht einverstanden. "Es wird seine Aufgabe sein, in den nächsten Monaten und Jahren Wähler zu überzeugen", sagte der Politologe. Er wisse, dass er Wähler der rechten Extreme gewinnen könne. Die Frage ist, ob er sich in der Mitte oder rechts positionieren solle.

    Das Interview in voller Länge:
    Dirk-Oliver Heckmann: Jahrelang hatte er die französische Politik dominiert, mitgestaltet, und die europäische dazu: Nikolas Sarkozy, der konservative Vorgänger von Frankreichs Präsident Francois Hollande. Letzterer scheint jetzt schon, zweieinhalb Jahre nach seiner Wahl, politisch am Ende. Sarkozy aber will es noch mal wissen und mischt die französische Politik ein weiteres Mal auf mit seiner Ankündigung, als Chef der konservativen UMP zu kandidieren. Gestern wandte er sich an ein Millionenpublikum im Fernsehen.
    Per Telefon sind wir jetzt verbunden mit Henri Menudier. Er ist Politikwissenschaftler an der Universität Sorbonne. Schönen guten Morgen!
    Henri Menudier: Guten Morgen.
    Heckmann: Herr Menudier, was ging Ihnen durch den Kopf, als Sie hörten, Nikolas Sarkozy meldet sich zurück?
    Menudier: Eigentlich war das nicht überraschend, weil diese Rückkehr wurde schon seit Monaten und Wochen angekündigt. Das war nur eine Frage der Tage. Wahrscheinlich hätte Nikolas Sarkozy lieber sich später gemeldet, im Jahre 2015, aber die politische Lage in Frankreich ist so unstabil geworden und die Gefahr der extremen Rechten ist sehr stark geworden, die Lage seiner eigenen Partei ist total durcheinander, also musste er eingreifen. Deswegen war das keine große Überraschung. Man wusste, dass er sich da engagieren wollte.
    Er hat so einige Gegner
    Heckmann: Sarkozy will also kandidieren im November, für den Parteivorsitz zunächst der konservativen UMP. Wird das aus Ihrer Sicht ein Selbstläufer? Ist es eine klare Sache, dass er die Parteiführung wird übernehmen können?
    Menudier: Eine klare Sache bestimmt nicht, weil er hat da so einige Gegner. Aber es ist klar, wie das in Ihrem Bericht unterstrichen wurde, dass die Sarkozy-Maschine doch sehr stark ist, und ich glaube schon, dass er sich durchsetzen wird, dass er eine absolute Mehrheit haben wird. Das Problem ist, wie hoch wird sie sein. Er kann keine absolute Mehrheit bei 50 Prozent haben, er müsste so etwa 70, 75 Prozent haben, damit seine Autorität wirklich bestätigt wird. Aber das ist nicht einfach, weil man weiß ja, er hat eine Vergangenheit hinter sich. Viele Dinge hat er nicht erreicht. Er hat diese ganzen juristischen Affären, die Auseinandersetzung mit der Justiz, also das ist kein einfacher Kandidat.
    Heckmann: Er hat diese ganzen Affären am Hals. Das Ermittlungsverfahren läuft gegen ihn auch wegen Korruptionsverdacht. Er soll eine Staatsanwaltschaft bestochen haben. Dann ist die Frage, ob Gaddafi, Libyens Langzeit-Staatschef, Sarkozys Wahlkampf finanziert hat, verdeckt finanziert hat. Die Rede ist von schwarzen Kassen. Hätte Sarkozy denn überhaupt den Rücken frei, frei zu agieren?
    Menudier: Wenn natürlich etwas dran wäre an diesen vielen Affären - ich glaube, wenn man das zusammenzählt, es sind zurzeit etwa zehn Affären. Aber gestern, das war natürlich schon sehr beeindruckend, dass er gesagt hat, er fühlt sich überhaupt nicht schuldig, er hätte damit eigentlich nichts zu tun. Es wären falsche Vorwürfe, Er hat zu verstehen gegeben, es sei eine politische Aktion gegen ihn, damit er nicht weiter kandidiert. Wenn er so in aller Öffentlichkeit im Fernsehen sagt, nein, ich habe mir nichts vorzuwerfen, und wenn man weiß, es gibt doch diese ganzen Ermittlungen von der Justiz, dann wird es einem natürlich ein bisschen unwohl.
    60 Prozent der Franzosen sind mit seiner Rückkehr nicht einverstanden
    Heckmann: Falls Sarkozy dann Parteichef wird, gilt es denn als Gesetz, dass er dann auch 2017 Präsidentschaftskandidat wird? Das ist dann ja so, davon gehen alle aus. Wie ist denn sein Image in der Bevölkerung insgesamt, wenn es dann zu einer Wahl kommen würde?
    Menudier: Das Image ist geteilt. In der Partei hat er eine starke Unterstützung. Es gibt etwa 286.000 Mitglieder, die bezahlt haben und die zur Wahl gehen dürfen Ende November, um den neuen Präsidenten der Partei zu wählen. Hier hat er schon eine Mehrheit. Unter den Franzosen gibt es nur etwa 40 Prozent, die ihn unterstützen. Das heißt, 60 Prozent der Franzosen sind zurzeit mit seiner Rückkehr als Präsident und vor allem als Kandidat für das Amt des Präsidenten der Republik nicht einverstanden. Und es wird jetzt seine Aufgabe sein, in den nächsten Monaten und Jahren diese Wähler zu überzeugen.
    Heckmann: Und trauen Sie ihm das zu?
    Menudier: Er wird sich schon sehr stark engagieren. Gestern das war sehr beeindruckend zu sehen, dass er nach wie vor sehr aktiv ist. Er ist voller Energie. Aber es gibt eine starke Kritik gegen ihn innerhalb der Partei. Er hat Rivalen wie Juppé oder wie sein früherer Premierminister. Und in der öffentlichen Meinung ist er umstritten, weil man kennt seine Bilanz der Jahre, wo er Präsident der Republik war, und diese Bilanz war nicht glänzend. Er war auch ein Opfer der damaligen Krise. Man kennt auch seine Schwächen und er ist kein neuer Mann. Deswegen zweifeln sehr viele Franzosen, ob es überhaupt richtig ist, dass er wieder kandidiert.
    Er ist stark genug, um gegen Marine Le Pen zu sprechen
    Heckmann: Sie haben gerade, Herr Menudier, den Front National angesprochen, der ja sehr stark geworden ist. Viele sehen in Sarkozy ja den einzigen, der einen Durchmarsch von Parteichefin Marine Le Pen stoppen könnte. Sie auch? Ist Sarkozy der einzige, der sie stoppen kann?
    Menudier: Bestimmt nicht. Aber er ist stark genug, um gegen Marine Le Pen zu sprechen. Es war gestern wie ein Zufall. Gerade vorher um 18:30 Uhr gab es ein großes Fernseh-Interview mit Marine Le Pen und dann nach 20 Uhr kam Sarkozy, und man konnte sehen, dass es da schon einen Zweikampf gibt zwischen Marine Le Pen, also der extremen Rechten, und Sarkozy. Sarkozy weiß, dass er natürlich schon Wähler der extremen Rechten für sich gewinnen kann, aber sein ganzes Problem wird sein, wo wird er politisch liegen: ganz rechts, damit er mehr Wähler von der extremen Rechten bekommt, oder soll er mehr in Richtung Mitte. Man sieht, wie schwierig es sein wird. Die Unterstützung von der allgemeinen Rechten ist nicht unbedingt gewonnen jetzt von Nikolas Sarkozy.
    Heckmann: Wird er denn möglicherweise seine Partei weiter nach rechts führen? Denn er hatte ja schon mal Erfolg mit einem Wahlkampf gegen Migranten.
    Menudier: Ja. Aber jetzt, wo der Front National so stark geworden ist und wo viele Wähler der moderaten Rechten und unter anderem von der UMP, von seiner Partei zum Front National gegangen sind, ist es nicht ganz einfach, diese Leute wieder zu überzeugen. Sein Problem wird mehr sein, inwiefern ist er fähig, eine Zusammenarbeit mit den Liberalen zu gewinnen, weil hier wäre eine Mehrheit aufzubauen. Aber es gibt gerade unter den Liberalen, die selber sehr gespalten sind, eine sehr starke Abneigung gegen Sarkozy, weil er spricht am Anfang immer von Zusammenarbeit und so weiter, von Gleichberechtigung, aber sehr schnell zeigt er, dass er der Chef ist, und er allein will kommandieren und die anderen müssen mitmachen, und das gefällt heute nicht mehr.
    Heckmann: Welche Chance hat Nikolas Sarkozy bei seinem politischen Comeback? Darüber haben wir gesprochen mit Henri Menudier, Politikwissenschaftler an der Universität Sorbonne. Schönen Dank für das Gespräch und schöne Grüße.
    Menudier: Auf Wiederhören.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.