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Frankreich schottet seine Grenze zu Italien ab

Über 20.000 tunesische Flüchtlinge sind bislang in Italien gestrandet - viele von ihnen haben nur ein Ziel: Frankreich, wo sie Familie oder Freunde haben. Doch Frankreich tut alles, um ihre Einreise zu verhindern.

Von Hans Woller | 06.04.2011
    Kaum war der langjährige Generalsekretär von Präsident Sarkozy im Élysée-Palast, Claude Gueant, zum neuen Innenminister ernannt worden, erschien er mit einem Medientross im Schlepptau an der französisch-italienischen Grenze an der Cote d'Azur, um zu signalisieren: Frankreich hält Wacht gegen illegale Einwanderer aus Tunesien. Sein nicht sehr spektakuläres Resümee:

    "Im Februar sind in diesem Departement 436 Personen ohne gültige Papiere festgenommen worden, unter ihnen waren 210 aus Tunesien. Das sind zwei- bis dreimal so viele Tunesier, wie hier normalerweise festgenommen werden, das heißt: Wir haben es nicht mit einer Welle von Einwanderern zu tun, aber eine Zunahme zeichnet sich ab, der wir entgegentreten müssen."

    Und Frankreich tritt dem mit beachtlichem Polizeieinsatz entgegen, wie der Präfekt des Departements Alpes Maritimes nicht ohne Stolz erklärt:
    "Unser Aufgebot ist komplett. Es agiert an den Autobahnen, an den Küstenstraßen, in den Bahnhöfen und auch entlang der Bergstraßen, die aus Italien hierher führen."

    Ein Aufgebot, das im Schnitt rund 40 Tunesier pro Tag wieder nach Italien zurückschickt. Die EU-Kommission sieht in den französischen Maßnahmen mittlerweile die Wiedereinführung systematischer Grenzkontrollen, der Chef der Gendarmerie vor Ort streitet dies ab, es seien verstärkte und nicht systematische Kontrollen.

    Währenddessen droht auf der anderen Seite Silvio Berlusconi mittlerweile damit, den tunesischen Flüchtlingen provisorische Aufenthaltsgenehmigungen zu geben, damit sie die Grenze nach Frankreich passieren können. Die Bewohner der französischen Grenzstadt Menton reagieren mit einer Mischung aus Skepsis und Mitgefühl auf die Anwesenheit der Tunesier:
    "Das beunruhigt uns ein wenig. Es gibt ohnehin schon keine Arbeit hier für unsere Jungen. Und wie wollen sich all diese Menschen ernähren?", sagt eine 60-jährige Frau am Bahnhof von Menton , ein etwa 40-jähriger Arbeiter erzählt :

    "Klar sieht man jetzt mehr Illegale, wenn man die Augen aufmacht, erkennt man sie, sie sind schlecht gekleidet und nicht rasiert, sind müde, man erkennt sie sofort, ich habe sie gesehen mit ihrem Gepäck, aber was soll man tun?"

    Die Betroffenen selbst, die es von Lampedusa über Bari und Mailand bis hierher an die französische Grenze geschafft haben, wagen sich nur selten vor ein Mikrofon oder eine Fernsehkamera:
    "Nach Frankreich wollen wir, erst nach Nizza und dann nach Frankreich, nach Paris, meine ganze Familie ist in Frankreich, wir wollen arbeiten."

    Eine Sozialarbeiterin vor Ort bestätigt dies:
    "Die meisten haben Familie in Frankreich, es sind ziemlich arme junge Leute zwischen 18 und maximal 30, sie kommen aus den tunesischen Küstengebieten und sehen ihren Aufenthalt in Frankreich als zeitlich begrenzt an, niemand beklagt, dass Ben Ali verschwunden ist, alle sind glücklich darüber, sie suchen Arbeit hier und kein politisches Asyl."

    So mancher hat es schon bis Paris geschafft. Einer, von französischen Fernsehkameras verdeckt gefilmt, erzählt, er arbeite bei einem Verwandten in der Backstube, wolle keine staatliche Hilfe, hoffe aber auf eines:

    "Nicolas Sarkozy muss den seriösen Illegalen Papiere geben, aber nur denen, das ist mein großer Traum."