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Frankreich
Streit um neues Wirtschaftsgesetz

Deutlich mehr verkaufsoffene Sonntage, die Liberalisierung von Rechtsberufen wie Notare und Anwälte sowie eine Reform der Arbeitsgerichte: Mit diesem "Gesetz des Jahrhunderts" will Staatspräsident François Hollande Frankreichs Wirtschaft reformieren. Doch die Widerstände gegen das Gesetz "Macron" sind groß.

Von Ursula Welter | 27.01.2015
    Frankreichs Wirtschaftminister Emmanuel Macron, im Hintergrund eine Fahne
    Das neue Gesetz trägt den Namen von Frankreichs Wirtschaftminister Emmanuel Macron (dpa / picture alliance / Etienne Laurent)
    "Das ist das Gesetz des Jahrhunderts", versuchte der Staatspräsident Anfang des Jahres die Luft aus der Debatte zu nehmen. Da drohte Frankreich noch eine heftige Diskussion um das Gesetz "Macron", das den Namen des jungen Wirtschaftsministers trägt. Der ist als Ex-Banker manchem auf dem linken Flügel ohnedies nicht geheuer, sein Gesetzentwurf wird von Teilen der Linken als zu liberal, zu wirtschaftsfreundlich angesehen.
    Die vorbereitenden Beratungen in den Fachausschüssen, mehr als 80 Stunden, gingen im Trubel der Attentate von Paris nahezu unter. Erst allmählich richten sich Kameras und Mikrofone in Frankreich wieder auf die innenpolitischen Streitpunkte.
    Und ein solcher Streitpunkt ist das "Gesetz zur Förderung von Aktivität, Wachstum und wirtschaftlicher Chancengleichheit", das Emmanuel Macron in den kommenden 14 Tagen im französischen Parlament verteidigen muss.
    Die Regierungsmannschaft steht geschlossen hinter dem Vorhaben, ihre Mehrheit im Parlament muss sie sich aber erst noch suchen. Der linke Flügel der sozialistischen Fraktion, Teile der Grünen, die Linksfront lehnen es in Teilen oder ganz ab.
    "Unsere Gruppe hat schon im Parlamentsausschuss dagegen gestimmt", stellt Barbara Pompili für die Grünen fest, die zu Beginn der Amtszeit von Francois Hollande noch Teil der Regierungsmehrheit waren, die inzwischen aber keinen Minister mehr stellen , und die im Parlament ebenfalls regelmäßig in die Opposition gehen.
    Verkrustete Wirtschaftsstrukturen aufbrechen
    Für Frankreichs Sozialisten ist das Gesetz eines der wichtigsten in der Amtszeit des Präsidenten Hollande, weil es helfen soll, verkrustete Strukturen in der französischen Wirtschaft aufzubrechen.
    "Unser Land steht mit dem Rücken an der Wand, der Status quo ist keine Option mehr", sagte Wirtschaftsminister Macron gestern zum Auftakt der Debatte. So sollen etwa bei betrieblichen Streitfällen die Verfahren gestrafft werden: "Einfacher, effizienter, schneller", sagt der Wirtschaftsminister.
    Freie Berufe, wie Notare und Anwälte, sollen Teile ihres Monopols und ihrer geltenden Tarifregelungen verlieren, das Gesetz sieht mehr Niederlassungsfreiheit vor, entsprechend aufgebracht sind diese Berufsgruppen.
    "Wir brechen die Strukturen auf", reagierte Premier Valls auf die anhaltenden Proteste und Streiks der Freiberufler, "selbst wenn das Partikularinteressen berührt und durcheinanderwirbelt."
    Vor allem aber dreht sich der Streit um die geplante Sonntagsarbeit.
    Gestern zogen die Gewerkschaften mit einigen tausend Demonstranten vor die großen Geschäfte auf den Boulevards von Paris, "den Unternehmen sind schon genug Geschenke gemacht worden und die Resultate kennen wir ja: Die Arbeitslosigkeit steigt und steigt."
    Im Laufe der Beratungen in den Ausschüssen musste sich die Regierung bereits kompromissbereit zeigen. "Die Pflicht, an fünf Tagen zu öffnen, haben wir gestrichen." erklärte der Berichterstatter der Sozialisten im Parlamentsausschuss, Richard Ferrand. "Jetzt haben die Kommunalpolitiker mehr Freiheiten zu sagen, wie sie es mit dem Handel halten wollen - und außerdem wird es systematische Entschädigungen für die Sonntagsarbeit geben."
    Schützenhilfe von Intellektuellen und Firmenchefs
    Aber die Gewerkschaften sind skeptisch, vor allem glauben sie nicht an das Prinzip der Freiwilligkeit.
    Am Wochenende hatte die Regierung Schützenhilfe von Intellektuellen, Firmenchefs und Ökonomen erhalten, das Gesetz dürfe im Parlament nicht scheitern, das Land müsse sich reformfähig zeigen.
    Die konservative Opposition will jedoch nicht Steigbügelhalter für die Regierung sein. Bis auf wenige Ausnahmen will die UMP des früheren Präsidenten Sarkozy mit "Nein" stimmen. "Hilft das Gesetz, die Lohnnebenkosten zu senken, die auf den Unternehmen lasten? Hilft es, die Steuerlast der Franzosen zu mindern? Hebt es die Zwänge für die Betriebe auf? Auf alle drei Fragen lautet die Antwort "Nein!", sagt Christian Jacob für die UMP .
    Die Opposition dagegen, die eigene Partei in Teilen skeptisch, der Berichterstatter der Sozialisten, Ferrand, bleibt dennoch gelassen: "Wir werden diskutieren und dann werden wir die Mehrheit um das Gesetz versammeln, am Tag der Abstimmung, am 10. Februar."