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Frankreich
Wahlkampf per Youtube

Im französischen Präsidentschaftswahlkampf führen online nicht die Jungen, sondern der 65-jährige Linken-Politiker Jean-Luc Mélenchon. Ihm sprechen 225.000 Youtube-Abonnenten zu - mehr als dem 39-jährigen Emmanuel Macron. Der Front National produziert bissige Comic-Videos gegen François Fillon.

Von Barbara Kostolnik | 09.03.2017
    Der französische Links-Politiker Jean-Luc Mélenchon
    Aktueller Star im französischen Online-Wahlkampf: der 65-jährige Jean-Luc Mélenchon, Chef der französischen Linkspartei (AFP / LOIC VENANCE)
    Alter schützt vor Youtube nicht: Der Star der sozialen Netzwerke ist nämlich mitnichten der für Polit-Verhältnisse sehr jugendliche 39-jährige Emmanuel Macron, sondern das Schlachtross des französischen Wahlkampfs:
    "Jean-Luc Mélenchon ist die Persönlichkeit mit den meisten Abonnenten auf YouTube",
    heißt es in schöner Regelmäßigkeit und angemessen erstaunt im französischen Radio. Der 65-jährige Linken-Politiker Mélenchon, der 2012 schon einmal Präsident werden wollte, hat eben aus Erfahrung gelernt. Und wie: Mélenchon ist zudem der erste französische Politiker, der es geschafft hat, im Wahlkampf an zwei Orten zugleich aufzutreten.
    "Wo bin ich?", fragte er seine Anhänger, "in Lyon? Und nun? In Paris!"
    Unbeschreiblicher Jubel bei seinen Anhängern, als Mélenchon und sein Hologramm zeitgleich in Lyon und in Paris auf der Bühne standen.
    Mit solchen Spielereien bleibt Mélenchon im Gespräch. Er hat mittlerweile 225.000 Youtube-Abonnenten, mit denen er sich regelmäßig austauscht, seine Kommunikationdirektorin Sophia Chikirou ist sein Online-Guru. Chikirous Vorbild wiederum heißt: "Bernie Sanders".
    Der Fast-Kandidat der US-Demokraten steht Mélenchon auch inhaltlich recht nahe, und Mélenchons Online-Wahlkampf orientiert sich eng an Sanders:
    "Er hat die Leute über die sozialen Netzwerke mobilisiert und das versucht Jean-Luc auch, Wahlkampf à la Bernie Sanders."
    Marine Le Pens offizieller Wahlkampf-Clip über 800.000 Mal aufgerufen
    Und weil Mélenchon gerne redet und die Welt erklärt, kommt ihm das Netz sehr gelegen:
    "Bon les amis, voilà, c’est le 19 de la revue de la semaine”
    Die Wochenschau von Jean-Luc Mélenchon, in der er die Ereignisse aus seiner Sicht aufarbeitet, erreicht über 200.000 Leute – und zwei Drittel seiner Abonnenten sind unter 34.
    Wer sich online ebenfalls mächtig ins Zeug legt, ist der Front National. Der sogar eigene Comic-Videos als Youtube-Serie herstellt – Hauptfigur ist dabei nicht Marine Le Pen, sondern, so das Video, "der wahre Francois Fillon".
    Der wird in vielen fiesen Folgen als Büttel katarischer Scheichs karikiert, als Raffzahn denunziert und so weiter und so fort. Wie Mélenchon nutzt Marine Le Pen die Internetplattformen verstärkt und inspiriert sich in den USA - ohne etwa Trump zu kopieren, versichert ihr Wahlkampfleiter David Rachline:
    "Marine hat ihre eigene Persönlichkeit. Sie hat sich natürlich umgeschaut, was geht, aber sie wird eine ehrgeizige Strategie im Netz entwickeln."
    Marine Le Pens offizieller Wahlkampf-Clip wurde bereits über 800.000 Mal aufgerufen, er ist seit drei Wochen online. Der eigene Youtube-Kanal hinkt hinterher: 15.000 Abonnenten, darüber lacht der linksextreme Mélenchon.
    Die anderen Parteien haben noch mehr Nachholbedarf, aber auch sie tummeln sich mittlerweile mehr und mehr in den sozialen Netzwerken. Einer, der die Möglichkeiten des world wide web übrigens als einer der ersten erkannt hatte, war Nicolas Sarkozy. Der Affären-umtoste Ex-Präsident wusste um den unbestreitbaren Vorteil von Facebook, Twitter, Youtube und Konsorten: Dort werden keine unangenehmen Fragen und kritische Nachfragen gestellt.