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Frankreichs Haushaltsentwurf
Debatte über Regierungslinie

Auf Frankreich lasten mehr als 2.000 Millarden Euro Schulden. Zeitungen spekulierten sogar über einen drohenden Bankrott der Republik. Für viele ist klar, dass die Sozialistische Regierung einen großen Teil des Problems geerbt hat - von den konservativen Vorgängern. Über Lösungen wird aber gestritten.

Von Ursula Welter | 13.10.2014
    Frankreichs Präsident Francois Hollande
    Die Regierung unter François Hollande will im nächsten Jahr 21 Milliarden Euro einsparen. (AFP/Philippe Wojazer)
    An der sozialistischen Parteibasis geht es vielstimmig zu. Die einen wollen François Hollande auf seinem Weg folgen, so steinig er auch sein mag. Die anderen sagen, "reformieren, gut und schön", aber die Prioritäten sind falsch gesetzt.
    "Wie sie sicher festgestellt haben, wirft die Regierungslinie gerade heftige Fragen auf."
    Kathy gehört zu denen in der Sozialistischen Partei, die sich nicht mehr wiederfinden in den aktuellen Entscheidungen. Als Kommunalpolitikerin hält sie es mit dem geschassten Wirtschaftsminister Montebourg vom linken Flügel, der das Kabinett nach der Sommerpause verlassen musste, weil er laut protestiert hatte.
    An diesem Abend im Ortsverein steht Kathy nicht allein mit ihrer Meinung.
    "Ich" meint Damien in der kleinen Runde, die sich auf Holzklappstühlen versammelt hat, um Zukunftsfragen der "Parti Socialiste" zu diskutieren.
    "Ich gehöre zu denen, die finden, dass die Regierungspolitik zu stark fixiert ist auf die Senkung der Arbeitskosten und auf den Schuldenabbau - und dass man diese Politik stärker ausrichten sollte auf Umverteilung, Regulierung der Finanzwelt, auf die Neuausrichtung der europäischen Politik, auf Schuldenabbau, der das Wachstum nicht abwürgt."
    Spekulationen über Bankrott
    Mehr als 2.000 Milliarden Euro Schulden lasten auf Frankreich. Die offiziellen Statistiken ließen die französischen Zeitungen zuletzt über drohenden Bankrott der Republik spekulieren.
    "Diese Schulden wiegen schwer, Zinsen machen heute den größten Haushaltsposten aus, es muss eine Lösung gefunden werden",
    ... sagt auch Thomas, der Ortsvereinsvorsitzende. Und alle sind sich einig, dass die Sozialisten einen großen Teil des Problems geerbt haben, von ihren konservativen Vorgängern. Über die Lösungswege aber wird gestritten.
    50 Milliarden Euro will die Regierung bis 2017 insgesamt zusammenbringen, im nächsten Jahr sollen 21 Milliarden Euro eingespart werden, und dennoch wird das europäische Defizitziel nicht eingehalten werden können, wird Paris die europäischen Partner erneut um Aufschub bitten.
    "Das ist eine Schlagzeile"
    Im Radiointerview wird dem Finanzminister eine Zeitungsschlagzeile vor Augen gehalten, "EU-Kommission lehnt französischen Haushaltsentwurf für 2015 ab" steht da geschrieben:
    "Das ist keine Information, das ist eine Schlagzeile", kontert Michel Sapin. "Es steht nicht in der Macht der EU-Kommission, ein Budget zu zensieren."
    "Aber doch, die EU-Kommission kann sagen, dass der französische Budgetentwurf so nicht akzeptabel ist", hakt der RTL-Moderator nach.
    "Nein, das kann sie nicht!" erwidert der französische Finanzminister. "In einer Demokratie ist der einzige Ort, in dem man ein Budget annimmt oder ablehnt, das nationale Parlament."
    Mehr als die geplanten 21 Milliarden Euro im nächsten Jahr jedenfalls seien nicht drin, sagt Sapin.
    "Niemals, niemals hat Frankreich eine solche Anstrengung unternommen."
    Diese 21 Milliarden seien schon bitter genug, die Kürzungen bei den Familienzulagen, für die Gebietskörperschaften, für die Sozialkassen. Dennoch:
    "Alle müssen sparen", stellt Finanzminister Sapin klar.
    Geringer Spielraum für sozialistische Regierung
    Die Sozialisten hätten zwei wertvolle Jahre für nötige Reformen verloren, sagt Jerôme Fourquier vom Meinungsforschungsinstitut IFOP:
    "Dass nun auch in Deutschland das Wachstum nachlässt, die Debatte über mehr öffentliche Investitionen und das Tempo beim Schuldenabbau geführt wird, wenn auch unter deutlich günstigeren Vorzeichen, wird nur als kleiner Trost wahrgenommen."
    Die Spaltung der Sozialistischen Partei in diverse Flügel sei nicht neu, aber die Lage heute eben deutlich schwieriger, der Spielraum für die sozialistische Regierung sehr gering.
    "Ein Teil der Linken sagt, Merkel drängt uns zu Entscheidungen, die nicht unsere sind. Diese Meinung verfängt in einem Teil der Bevölkerung. Aber viele Franzosen sagen sich auch, auf Augenhöhe mit Deutschland zu kommen wäre gut, vielleicht nicht mit denselben Reformen, dennoch. In gewisser Hinsicht ist der Abstand der französischen Wirtschaft zu Deutschland eine Art Barometer, das Spiegelbild unserer eigenen Schwäche."