Dienstag, 19. März 2024

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Franz Radziwill-Ausstellung in Bremen
Gewalt und Krieg in erlesenen Farben

Gleich mehrfach änderte er seinen Stil: Die Kunsthalle Bremen widmet dem Maler Franz Radziwill, der zeitlebens der Hansestadt eng verbunden war, eine materialreiche, hoch konzentrierte Schau, die an sehr viel mehr erinnert als nur an die Heimatliebe eines außergewöhnlichen, eigensinnigen Künstlers.

Von Rainer B. Schossig | 25.03.2017
    Eine Frau schaut sich am 21.03.2017 in Bremen in der Kunsthalle das Bild " Tobias im Hafen" von Franz Radziwill aus dem Jahr 1950 an. Die Ausstellung "Franz Radziwill und Bremen" ist vom 22.03. bis 09.07. zu sehen. Foto: Carmen Jaspersen
    Das Bild " Tobias im Hafen" von Franz Radziwill aus dem Jahr 1950 in der Ausstellung "Franz Radziwill und Bremen". (picture alliance / dpa / Carmen Jaspersen)
    "Was mich fasziniert hat an ihm, ist sein Umgang mit Licht und Farbe, und dazu die surrealen Elemente, die er nach und nach in den späten Werken einführt, die den Bildern etwas Mystisches verleihen, sodass man nie ganz entschlüsseln kann, was er eigentlich dargestellt hat."
    Beeinflusst von van Gogh, Munch, Schmidt-Rottluff und Heckel
    Radziwill schwärmt zunächst für van Gogh und Edvard Munch, er ist fasziniert von den Helden der Luftfahrt, den Errungenschaften der Technik zu Lande und zu Wasser. Und an der Nordsee - in Dangast am Jadebusen - macht Radziwill Urlaub - mit den Dresdener "Brücke"-Malern Karl Schmidt-Rottluff und Erich Heckel. Dort kauft er sich ein winziges Fischerhaus, an dem er jahrzehntelang herummauert, und wo er bis zu seinem Lebensende lebt und malt.
    In der Einsiedelei zwischen Fischern und Bauern ändert sich Radziwills Stil mit einem Schlag: Er erlernt die altmeisterliche Maltechnik und entdeckt das weite Land hinter den Deichen neu. Doch die Faszination für Hafen und Technik bleibt. Vom Abseits in Dangast aus ist er rastlos unterwegs.
    Stolzer Bremer und leidenschaftlicher Künstler
    Tochter Konstanze erinnert sich, wie der Vater ihr die Geheimnisse der großen Welt erschlossen hat:
    "Die Stadt der Abenteuer dieser Welt, war eben Bremen. Da fuhren wir mit dem Zug hin und er zeigte mir Bremen, das Völkerkundemuseum und den Hafen - und natürlich die Kunsthalle."
    Er malt eine Welt im Umbruch: den monströsen Bremer Wasserturm und rot-weiß gewürfelte Gasometer, davor bunte Zigeuner-Wagen zwischen Müllbergen. Nirgends Rückzugsorte, geschweige Paradiese. Der vom Streik menschenleer gefegte Hafen, die im gewittrigen Licht glitzernden vernieteten Bäuche der Passagierschiffe, der Panzerkreuzer im Brackwasser, wie Schmeißfliegen am Himmel herumgeisternde Flugapparate - all dies wird zu ambivalenten Requisiten einer mechanisierten Brutstätte von Zerstörung, Gewalt und Krieg - in erlesener Farbigkeit.
    Vom Expressionismus zur Neuen Sachlichkeit
    Im Künstlerhaus in der Dangaster Sielstraße wird jetzt die Entwicklung der Palette des Künstlers untersucht.
    "Wir feiern unser 30. Jubiläum und betrachten Gestaltungsmittel und Bildstrategien, die sich durch das Werk ziehen, da ist ein zentraler Aspekt die Farbe. Er hat als junger Maler als Expressionist begonnen, und hat die ungemischten Grundfarben - Rot, Blau Gelb - und hat, bevor er die Neue Sachlichkeit begann, diese Farben mitgenommen."
    Unverkennbarer Stil, heimatverbunden
    In der NS-Zeit wird Radziwill Professor an der Düsseldorfer Akademie, kurz darauf Opfer von Berufsverbot und totalem Krieg. So kommen Weltuntergang und Apokalypse in seine Malerei: Hinter den rauchgeschwängerten Wolken reißt der Himmel auf, um den Blick auf die Urgründe eines anderen, dunkel drohenden Universums zu öffnen.
    Nach der Katastrophe, im Jahre 1946, widmet er der zerbombten Heimatstadt ein großes Trauerbild: "Die Klage Bremens": Im Wetterleuchtenden Himmel über den Trümmern der Zivilisation ein Flugzeug mit der Aufschrift "Technik"; es jagt einen Engel mit einem Banner, auf dem das Wort "Menschheit" zu lesen ist.
    Ein Menetekel am Ende der Bremer Ausstellung auf samtschwarzen Wänden, eine materialreiche, dabei hoch konzentrierte Schau, die an sehr viel mehr als nur an die Heimatliebe eines außergewöhnlichen, eigensinnigen Künstlers erinnert.