Freitag, 29. März 2024

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Franziskaner in Litauen
Revolution und Routine

Viele Kirchen in Litauen sind leer. Das gilt nicht für die Kirchen der Franziskaner. Ein Grund für den Zuspruch: In Sowjetzeiten waren viele Mitglieder des Ordens im Widerstand. So auch Bruder Gediminas und Bruder Julius. Ihre Biographien spiegeln Zeitgeschichte wider - und sie zeigen, wie Orden Zuflucht bieten und Menschen Mut machen können.

Von Birgit Johannsmeier | 21.12.2016
    Szene aus dem Leben des Heiligen Franz von Assisi, 13. Jahrhundert.
    Szene aus dem Leben des Heiligen Franz von Assisi, 13. Jahrhundert. (imago/United Archives)
    "Das ist mein Haus. Hier wohne ich. Mitten im Wald. Eigentlich habe ich es für die Gäste unseres kleinen Klosters gebaut. Aber als ich gespürt habe, wie frei mich dieses Alleinsein macht, habe ich mich hier eingerichtet. Früher dachte ich: Hippies und Punks - die stehen für Rebellion und Protest. Heute weiß ich: Wir Mönche - wir waren und sind die wahren Punks. Wir suchen nach Alternativen und finden sie in einem geistlichen Leben."
    (Bruder Gediminas)
    "Es ist, als wären wir nach Hause gekommen. Niemand kann uns brechen. Wir Franziskaner waren immer in Konflikt mit den Herrschenden. Hätten sie mich nicht kurz vor der Wende doch noch auf das Priesterseminar gelassen, wäre ich heute kein Ordensmann, sondern Politiker."
    (Bruder Julius)
    Zwei Männer, die sich dem Franziskanerorden verschrieben haben. Vor mehr als 25 Jahren, als Litauen noch Sowjetrepublik war. Der eine, Bruder Gediminas, suchte und fand in der Provinz den Kontakt zur katholischen Kirche - aus Protest gegen die sowjetischen Machthaber. Der andere, Bruder Julius, setzte sich in der Hauptstadt Vilnius mit katholischen Freunden für die politische Freiheit Litauens ein. Beide waren damals Teenager - und beide sind bis heute an ihren Heimatorten aktiv.
    Heimlich Radio Vatikan oder die Stimme Amerikas hören
    "Ich werde einfach nicht fertig. An der Hütte muss noch so viel renoviert werden. Ich habe auch keinen Kühlschrank. Deshalb stehen Milch und Butter vor der Tür. Da ist es kälter."
    Bruder Gediminas streicht mit seinen Händen über einen jener groben Holzstämme, die das Dach seiner kleinen Holzhütte tragen. In Pakuta, einem Dorf im Westen Litauens. Das kleine Kloster, das der Mönch betreibt, lässt sich durch das dichte Geäst nur erahnen. Er trägt weißes, schulterlanges Haar und einen dichten Vollbart. Seine Hände sind es offenbar gewöhnt, hart zu arbeiten. Sweatshirt und Jeans - das ist seine bevorzugte Kleidung. Wie in seiner Jugend. Dabei waren damals in der Sowjet-Republik Produkte aus dem kapitalistischen Westen gar nicht so leicht zu haben. Auch keine Jeans. Ebenso schwer sei es gewesen, westliche Rockmusik zu hören, erinnert sich Bruder Gediminas alias Gediminas Numgaudis, an die Zeit, als er 16 Jahre alt war.
    Bruder Gediminas steht vor seiner kleinen Holzhütte in Pakuta, einem Dorf im Westen Litauens. Er trägt weißes, schulterlanges Haar und einen dichten Vollbart. Seine Hände sind es offenbar gewöhnt, hart zu arbeiten. Sweatshirt und Jeans -  das ist seine bevorzugte Kleidung.
    Bruder Gediminas vor seiner kleinen Holzhütte in Pakuta, einem Dorf im Westen Litauens (Deutschlandradio / Birgit Johannsmeier)
    "Ich hörte heimlich Radio: Radio Luxemburg, Radio Vatikan oder die Stimme Amerikas. Klassischen Rock, ständig Pink Floyd und dann die Rockoper 'Jesus Christ Superstar'. Dieser frische Wind aus dem Westen war einfach zu spannend, als dass ich das nicht riskiert hätte. Eigentlich wollte ich Bildhauer werden. Alles, was Subkultur war, war mir sympathisch. Aber ich suchte eine noch größere Freiheit. Und da haben mir Freunde gesagt, dass mir die Bibel genau diese Freiheit gegeben würde. Ich begann die Briefe des Apostels Paulus zu lesen. Wie er wollte ich 'für jeden da sein, egal ob Jude, Christ oder Moslem, arm oder reich'. Und ich hörte immer wieder 'Jesus Christ Superstar'."
    Bruder Julius und die Freiheit
    Obwohl Bruder Julius in einem ganz anderen Umfeld groß geworden ist als Bruder Gediminas, hat auch er als Teenager diese Rockoper gehört. Und auch "Radio Vatikan". Auch Bruder Julius trägt bis heute Jeans unter seiner braunen Franziskanerkutte. Er arbeitet an der Bernhardinerkirche im Zentrum der Hauptstadt Vilnius. Kirche und Kloster haben hundertfünfzig Jahre als Kaserne oder Kunstschule gedient und sind in schlechtem Zustand. Jetzt will der Orden hier ein Begegnungszentrum schaffen, sagt Bruder Julius.
    "Wir Franziskaner sind immer dort, wo Menschen Hilfe und Zuspruch brauchen. Ich wollte schon als 16-Jähriger katholischer Priester werden, aber die kommunistische Partei hat meinen Antrag einfach ignoriert. Das Priesterseminar wurde vom Geheimdienst KGB kontrolliert. Und ich stand bereits als Regimegegner unter Beobachtung."
    Auch Bruder Julius alias Julius Sasnauskas hatte schon als Teenager erkannt, dass die Freiheit eine zentrale Rolle in seinem Leben spielen sollte. Da ging es nicht nur um die westliche Rockmusik, um Hippies oder Jeanshosen - es ging auch um die Erinnerungen seiner Großmutter an ein unabhängiges Litauen vor dem Zweiten Weltkrieg. Diese Erzählungen berührten ihn. Sie zeichneten ein völlig anderes Bild als jene Hymnen auf den siegreichen Kommunismus, die Julius damals in der Schule lernte. Je reifer er wurde, desto mehr habe er sich mit der sowjetischen Besatzung Litauens beschäftigt, sagt er.
    In der Sakristei bewahrt Bruder Julius eine Zeitschrift auf. Es ist die letzte Ausgabe des "Reiters". Eine Untergrundzeitung, die er als 19-jähriger mit herausgegeben hat und die er vor dem sowjetischen Geheimdienst KGB verstecken musste.
    "Wir haben über unsere litauische Geschichte geschrieben. Über die sowjetische Besatzung und die verlorene Freiheit. Es ging um die nationale Idee und um Menschen, die dafür im Gefängnis saßen. Die ersten Ausgaben haben wir noch per Hand geschrieben. Diese hier habe ich mit der Maschine auf sehr dünnes Papier getippt, so konnte ich sie besser vervielfältigen. Wenn du damals eine Kirche besucht hast, dann hat die Partei schon mal ein Auge zugedrückt. Aber sich für die Freiheit der drei baltischen Länder Litauen, Lettland und Estland einzusetzen - das konnten sie nicht durchgehen lassen."
    Katholischer Widerstand
    Bruder Julius und Bruder Gediminas sind prototypisch für die Geschichte Litauens. Sagt der Historiker Arunas Streikus. Er erforscht die Geschichte der katholischen Kirche in Litauen. Der Kampf für die nationalen Rechte Litauens habe zeitgleich mit dem katholischen Widerstand begonnen - etwa Mitte der 1960er Jahre. Vorausgegangen war in der westlichen Welt der Kampf für Menschenrechte.
    "Die litauischen Katholiken haben dann die sowjetische Führung angeprangert wegen der Menschenrechts-Situation. Die Rechte der Gläubigen in der Sowjetunion, die Frage der religiösen Freiheit. Das war ein heißes Eisen in Litauen. Andere Gruppen stellten die Besatzung Litauens in Frage. Und zusammen wurden diese Bestrebungen - also die nationalen und die katholischen - zu einer Widerstandswelle. Und viele Litauer waren in beiden Strömungen aktiv."
    Während Bruder Gediminas in seiner Hütte ein Herdfeuer entzündet, erzählt er, wie er als Jugendlicher in der litauischen Provinz Kontakt zu seiner Kirche bekam. Er hörte von mutigen Priestern, die das Wort erhoben und sich nicht scheuten, lang und ausgiebig über das Recht eines jeden Litauers auf Glaubensfreiheit zu predigen.
    "Ich hatte einen japanischen Kassettenrekorder mit großem Mikrofon. Damit ging ich zu den Gottesdiensten und zeichnete die Predigten auf, um sie später an meine Klassenkameraden zu verteilen. Kann sein, dass der KGB Wind davon bekam. Sie haben die Kirchgänger ja beobachtet. Als ich in der zehnten Klasse während eines Feiertages mit einer VHS-Kamera drehte und dabei Mitarbeiter des Geheimdienstes filmte, wurde ich festgenommen. Die Polizei hat mein Zuhause durchsucht, konnte mir aber nichts nachweisen. Sie haben versucht, mich einzuschüchtern. Sie haben mir die Mitarbeit angeboten. Aber ich habe abgelehnt. Von da an wussten sie, dass sie mir nicht trauen können."
    Vom KGB beobachtet
    Zur selben Zeit wurde in der litauischen Hauptstadt Vilnius auch Bruder Julius alias Julius Sasnauskas vom sowjetischen Geheimdienst KGB beobachtet. Er wollte über den sogenannten "Molotow-Ribbentrop-Pakt" schreiben - den deutsch-sowjetischen Nichtangriffspakt mit jenem geheimen Zusatzprotokoll, das der Sowjetunion erlaubte, die baltischen Länder in die UDSSR zu integrieren. Zum 40ten Jahrestag der Unterzeichnung veröffentlichte Julius Sasnauskas in seiner Untergrundzeitung "Der Reiter" ein Papier, in dem 45 Regimekritiker die Frage stellten: "Weshalb sind die drei baltischen Länder Estland, Lettland und Litauen in der Sowjetunion?" Das war am 23. August 1979.
    "Die Rote Armee ist auf Befehl der Regierung der UdSSR vom 15. bis 17. Juni 1940 in die Gebiete von Litauen, Lettland und Estland eingefallen und hat sie annektiert. Der Molotow-Ribbentrop-Pakt enthält das geheime Zusatzprotokoll, das von Hitler und Stalin unterzeichnet worden ist - gegen den Frieden und die Menschlichkeit. Wir bezeichnen den 23. August 1939 als 'Tag der Schande'."
    Julius Sasnauskas wurde verhaftet und abgeführt. Am 11. Dezember 1979. Neun Monate saß er in einer Zelle im KGB-Gefängnis und wurde anschließend für fünf Jahre in ein Lager nach Sibirien verbannt. Obwohl sie die Untergrund-zeitung in Litauen nur zu dritt geschrieben und verteilt hatten, habe die kommunistische Partei in den katholischen Freunden eine ernsthafte Bedrohung gesehen, sagt Bruder Julius.
    "Ein KGB-Offizier hat mir bei der Befragung den Grund verraten. Wir drei hätten in der damaligen Sowjetrepublik den Eindruck vermittelt, als gäbe es in Litauen tatsächlich eine starke Widerstandsbewegung. Wobei wir damals nicht nur die Kommunistische Partei angeklagt haben, sondern auch den Westen, der dem Schicksal Litauens gegenüber so gleichgültig blieb. Nicht nur in Deutschland, auch in den USA hat man uns doch ganz offen als Nationalisten und Separatisten bezeichnet. Es war im Westen üblich, vom katholischen Widerstand zu reden, davon dass die Kirche verfolgt wurde. Aber von unserem politischen Widerstand wollte man nichts wissen."
    Propaganda hat den Widerstand diskreditiert
    Der kommunistischen Propaganda sei es gelungen, sagt auch Historiker Arunas Streikus, bis in die westlichen Medien hinein das Bild von einer blühenden Sowjetunion zu vermitteln, in der die Menschenrechte geschützt seien. Die Propaganda habe den Widerstand diskreditiert als Opposition einer kleinen Gruppe sogenannter "Nationalisten", die angeblich vom amerikanischen Geheimdienst finanziert worden seien, so ein Ergebnis der Forschung von Arunas Streikus. Das habe erst dann nicht mehr funktioniert, als westliche Journalisten damit begonnen haben, Kirchentexte aus dem Untergrund zu veröffentlichen.
    "Plötzlich war im Westen das Interesse an der Widerstandsbewegung in den sozialistischen Ländern geweckt. Das kam in gewisser Weise unerwartet für die sowjetischen Machthaber. Sie glaubten ja an die Vision der blühenden sowjetischen Gesellschaft. Außerdem wurde jetzt klar: Der Geheimdienst KGB hatte vor allem in der Provinz nicht so effektiv gearbeitet, wie er vorgab. Deshalb waren sie auch nicht in der Lage, den Widerstand zu stoppen."
    Die Freiheit und eine Espressomaschine
    Anders als Bruder Julius wurde Bruder Gediminas nicht inhaftiert. Während er Wasser in seine Kaffeemaschine füllt, erinnert er sich an die Zeit im kirchlichen Untergrund. Zwar hatte ihm der KGB den Besuch des Priesterseminars verboten, aber Bruder Gediminas ließ sich bei einer kleinen Kirche als Küster anstellen.
    In Litauen wurde ihm schlagartig klar: Er musste Franziskaner werden. Und er wurde es: 1990. In Kretinga lebten noch einzelne Franziskaner, erinnert sich Bruder Gediminas. Sie hatten die kommunistischen Zeiten überlebt, indem sie außerhalb des Klosters als Schuster oder Küster arbeiteten. Sie haben, sagt Gediminas schmunzelnd, außerhalb des Klosters, in dem sie nicht wohnen durften, sozusagen überwintert.
    "Und dann treffen wir jungen Franziskaner auf diese alten Mitbrüder. Wir haben ihren religiösen Ernst anfangs überhaupt nicht verstanden. Wir hatten im Sozialismus doch kaum etwas gelernt über unsere religiösen Traditionen. Wir waren sehr spontan und haben die alten Brüder mit unserer lauten und disziplinlosen Art häufig auch vor den Kopf gestoßen."
    Heute genießt Bruder Gediminas den Kaffee aus seiner italienischen Espressomaschine - auch als Zeichen jener neu gewonnenen Freiheit, die in Litauen am Ende der Widerstandsbewegung stand. Denn als die ehemalige Sowjetrepublik unabhängig wurde, durften auch die Franziskaner reisen, so viel sie wollten. Sie machten sich auf den Weg: zu ihren Ordensbrüdern in Italien, aber auch zu jenen litauischen Franziskanern, die im Zweiten Weltkrieg vor der Roten Armee fliehen konnten und ihr Exil in den USA oder Kanada gefunden hatten.
    "Wir wollten nach dem Evangelium leben, waren aber im Sozialismus groß geworden. Eine zerrissene Generation. Wir waren offen, auf der Suche und wollten von den Ordensleuten im Westen lernen. Wir haben andere Kulturen kennengelernt und über den eigenen Tellerrand geschaut. Vielleicht ist es auch das, was uns so spontan gemacht hat."
    Wallfahrtsort für die litauische Jugend
    Nach der Wende in Kretinga: Die Franziskaner erhielten nicht nur eine ihrer prächtigen Klosteranlagen zurück; der Ort wurde schon kurz nach der Unabhängigkeit zu einer Art Wallfahrtsort für die litauische Jugend, hat der Historiker Paulius Subacius beobachtet.
    "Schauen Sie sich den Einband meines Buches an und vergleichen sie die beiden Fotos."
    In seiner Geschichte über "25 Jahre unabhängige Katholische Kirche in Litauen" hat Paulius Subacius zwei Fotos einander gegenüber gestellt: eines aus dem Jahre 1990. Damals besuchten 220 junge Männer das Priesterseminar. Und eines aus dem Jahr 2015, als sich noch gerade 20 auf das Priesteramt vorbereiten wollten. Auch die Zahl der Franziskanerbrüder hat sich im Laufe der vergangenen 25 Jahre in Litauen halbiert: Es waren einst 60 Ordensmänner, heute sind es noch 30.
    Dort wo Franziskaner aktiv sind, ist die Zahl der Gottesdienstbesucher aber nach wie vor hoch. Es kommen überproportional viele junge Leute. Im Unterschied zu den meisten anderen Kirchen in Vilnius, die nur von wenigen, vorwiegend älteren Menschen besucht werden. Vielleicht spielt es eine Rolle, dass bei den Franziskanern auch Frauen den Gottesdienst mitgestalten dürfen. Oder dass die Kirchgänger keine typischen Kirchgänger sind.
    Wie der Journalist Gediminas Kajenas. Für seinen Film "Die kleine Revolution" hat er lange Interviews mit Bruder Julius geführt. Er war selbst noch ein Kind, als Litauen unabhängig wurde. Er wollte Julius verstehen – warum er sich inhaftieren ließ für die Freiheit.
    "Julius lebt uns eine Theologie vor, die zum Teil auch paradox ist. Als er zum Beispiel gegen die Sowjetmacht kämpfte. Da hat er alles - einfach alles, was mit Russland zu tun hatte, gehasst. Russland, die Russen - alle waren böse. Und dann wurde er nach Sibirien deportiert und hat dort die einfachen Menschen kennengelernt: Russen. Er begann russische Literatur zu lesen und zu lieben. Er begann dort - in Sibirien - etwas zu lieben, was er hier in Litauen nicht wahrnehmen konnte. Und er ist so ehrlich, heute davon zu erzählen."
    "Franziskaner als Medizin für die Welt"
    Bruder Julius hat sich für ein Leben im Großstadtkloster entschieden. Anders Bruder Gediminas: Seit 20 Jahren lebt und arbeitet er nun in Pakuta - am Rande der Welt. Egal ob in einem Dorf oder einer Metropole – es sei Aufgabe von Franziskanern, sagen beide, zu erkennen, woran es mangelt. Auch in Litauen. Einzelne Brüder hätten einen theologischen Studiengang aufgebaut, andere kümmerten sich um Krebspatienten, wieder andere Mönche organisierten internationale Jugendtreffen. Gediminas betreut heute Drogenabhängige und Alkoholiker in jenem U-förmigen Holzhauskomplex, den sie mit ihren eigenen Händen rund um eine kleine Kirche errichtet haben. Sie nennen den Komplex: "kleines Kloster".
    U-förmiger Holzhauskomplex, genannt  "kleines Kloster". In Pakuta, einem Dorf im Westen Litauens
    Das "kleine Kloster" in Pakuta, ein Dorf im Westen Litauens (Deutschlandradio / Birgit Johannsmeier)
    "Meine Mitbrüder unterstützen meine Mission und vertrauen mir. Eines Nachts kamen die ersten Alkoholiker her und baten um Hilfe. Ich hatte keine Ahnung, was ich tun sollte, sprach mit ihnen, wir beteten, so ging es los. Später halfen Franziskaner aus Minnesota und Deutschland. Wir leben von unserer Ernte, und meine Brüder in Kretinga teilen mit uns ihre Einkünfte als Lehrer. Vom Staat nehme ich nichts. Die Behörden würden Bedingungen stellen und ich meine Freiheit verlieren. Ich sehe uns Franziskaner heute als eine Art Medizin für die Welt. Wir heilen die Einsamen und helfen einander zu akzeptieren. Die Leute sollen in unserem kleinen Kloster zusammenkommen und sich geborgen fühlen."
    Bruder Julius und Bruder Gediminas sind einen weiten Weg gegangen: Der eine kommt aus der Provinz, der andere aus der Großstadt. Beide sind dahin zurückgekehrt, wo ihre Wurzeln sind. Beide leben mehrere hundert Kilometer voneinander entfernt, sind aber verbunden im Geiste eines Ordens, der dem Geist des Franziskus verpflichtet ist: radikale Nachfolge in Armut und auf der Seite der Schwachen. Beide haben ihren Anteil daran, dass die kommunistischen Regime in Ost- und Mitteuropa zusammenbrachen: der eine als Verteidiger der Religionsfreiheit, der andere als Kämpfer für nationale Souveränität.
    Der eine wurde in seiner Entwicklung und seinem Berufswunsch behindert, der andere landete zwangsweise in Sibirien. Beide ernteten die Früchte ihres Kampfes: Sie durften reisen – nach Italien, in die Vereinigten Staaten. Weite Wege. Zurück nach Litauen. Zurück ins Kloster. Bruder Julius und Bruder Gediminas sind neugierig, welche Wege ihnen noch bevorstehen.