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Französische Linke
Ungültig wählen oder zu Hause bleiben

Die französische Linke steht vor einem Dilemma: Sie fühlt sich weder von der rechtsextremen Marine Le Pen noch vom sozialliberalen Emmanuel Macron vertreten. Viele, die im ersten Wahlgang den Linkspopulisten Mélenchon gewählt haben, wollen jetzt einen leeren Wahlzettel abgeben oder zu Hause bleiben.

Von Tonia Koch | 05.05.2017
    Ein Bild, das am 4. Mai 2017 aufgenommen wurde, zeigt einen Stimmzetteln, worauf die Namen der französischen Präsidentschaftskandidaten Emmanuel Macron und Marine Le Pen vor der zweiten Runde der Präsidentschaftswahl zu lesen sind.
    "Voter blanc" bedeutet, dass die Leute zwar am kommenden Sonntag zur Wahl gehen aber ein leeres Kuvert in die Urne werfen werden und damit ihre Stimme verschenken. (AFP/ Loic Venance)
    Die französischen Kommunisten verteilen Flugblätter auf dem Markt von Behren Les Forbach. Es sei Zeit zu handeln, steht darauf, es müsse alles getan werden, um zu verhindern, dass der rechtsextreme Front National an die Regierung kommt, sagt Jean-Marie Colle: "Wir wählen gegen Marine Le Pen. Wir haben Mélenchon gewählt in der ersten Zeit, aber jetzt müssen wir Le Pen wegmachen. Wir sind nicht für Macron, aber wir haben keine andere Wahl. Nicht Macron wählen, kann Le Pen an die Regierung führen und das wollen wir vermeiden."
    43 Prozent haben im ersten Wahlgang für Mélenchon gestimmt
    Behren liegt in Lothringen, ein wenig isoliert auf einem Hügel, nah an der deutschen Grenze. Der Ort mutet an wie ein Satellit und ist in vielfacher Hinsicht etwas Besonderes. Hier lässt sich eine Art französischer Plattenbau bewundern, mehrstöckig, in tadellosem Zustand, die Rasenflächen eingefriedet und trotzdem seelenlos.
    Hier war vor Jahrzenten Platz geschaffen worden für Zuwanderer, die einst in den französischen Kohlegruben und Stahlwerken Arbeit fanden. Das ist längst Geschichte. Perspektivlosigkeit hat Einzug gehalten. 43 Prozent der Menschen haben daher vor zwei Wochen in der ersten Runde der französischen Präsidentschaftswahlen für Jean-Luc Mélenchon gestimmt, den Vertreter der extremen Linken. Und die wissen nun nicht was tun.
    "Sie bleiben zu Hause", ruft einer und liegt damit nicht falsch.
    "Beim zweiten Mal bleib ich daheim. Ich wähle nicht. Ich bin sowohl gegen Marine Le Pen als auch gegen Macron. Und wenn ich gegen Le Pen stimme, dann stimme ich gleichzeitig für Macron. Und er war doch mit Hollande in der Regierung und hat uns nur Unheil gebracht."
    "Ich hab nicht für Mélenchon gestimmt", aber, fügt sie hinzu, "die Le Pen macht einem Angst, die will ich auch nicht. Je pense je vais voter blanc."
    "Voter blanc" oder zu Hause bleiben
    "Voter blanc" bedeutet, dass die Leute zwar am kommenden Sonntag zur Wahl gehen aber ein leeres Kuvert in die Urne werfen werden und damit ihre Stimme verschenken. Aber viele Franzosen hat eine Art Fatalismus erfasst, sie glauben nicht mehr daran, dass ihre Stimme noch etwas bewegen kann:
    "Ehrlich, die Politik geht mir entsetzlich auf den Wecker, es sind doch nur Marionetten."
    "Ich habe kein mehr Vertrauen, die arbeiten doch nur in der eigene Tasche."
    "Was ändert es, wenn ich Le Pen oder Macron wähle, das ist doch egal, es ändert sich ohnehin nichts."
    Solche Sätze lassen Jean-Marie Colle, den Vertreter der örtlichen Kommunisten, verzweifeln. Jean-Luc Mélenchon, sagt der Mann von der Basis, sei daran nicht ganz unschuldig. Der französische Linksaußen, der Hoffnungsträger der Linken, hätte über seinen Schatten springen müssen und eine Wahlempfehlung für die Stichwahl aussprechen müssen, so Colle: "Wir glauben, dass Mélenchon das hätte tun müssen, ein verantwortungsvoller Politiker muss klar Position beziehen."
    Es gehe doch nicht darum, einem ausgewiesenen Kapitalisten wie Emmanuel Macron in den Sattel zu helfen, sondern es gehe doch in erster Linie darum, die rechtsextreme Marine Le Pen zu verhindern.
    Im ostfranzösischen Kohlebecken haben sich die extreme Linke und die extreme Rechte im ersten Wahlgang ein Kopf an Kopf-Rennen geliefert. Marine Le Pen hat es vielerorts für sich entschieden.
    "Bei uns in Petite Rosselle wählen alle Marine Le Pen gestimmt. Wir halten nichts von Macron, er widerspricht sich doch ständig, er weiß nicht, was er will. Le Pen hat ein tragfähiges Programm, von Macron lässt sich das nicht behaupten."
    "Wir wollen weder den einen, noch die andere."
    Jean Marie-Colle und seine kommunistischen Mitstreiter lassen sich nicht entmutigen, sie suchen das Gespräch, stellen sich jeder Diskussion und diskutiert wird viel.
    "Ach, ich kann doch nicht Le Pen wählen."
    "Wir wollen zwar weder den einen noch den anderen, aber was willst du machen, wir haben gar keine Wahl, es wird Macron, leider."
    "Ich bin gegen Macron, gegen Madame Le Pen sowieso."
    Und, wie er sich nun entscheiden werde?
    "Macron. Macron, weil ich keine Rechtsradikalen in Frankreich will."