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Französischer Abgeordneter Apparu
Burkiniverbot ist "gerechtfertigt"

Der französische Parlamentsabgeordnete Benoist Apparu von der Partei Les Républicains hat Verständnis für ein Burkini-Verbot. Er sagte im Deutschlandfunk, mit Blick auf die aktuellen Spannungen in Frankreich bestehe das Risiko, dass Burkinis die öffentliche Ordnung störten. Mit dem Burkini-Verbot beschäftigt sich heute auch Frankreichs Oberstes Verwaltungsgericht.

Benoist Apparu im Gespräch mit Christoph Heinemann | 26.08.2016
    Der französische Parlamentsabgeordnete Benoist Apparu von der Partei Les Républicains.
    Der französische Parlamentsabgeordnete Benoist Apparu von der Partei Les Républicains. (AFP / Francois Guillot)
    Christoph Heinemann: Vor rund 100 Jahren zogen unsere Vorfahren, Männlein wie Weiblein, Badeanzüge an, die sehr an die Bekleidung erinnern, über die gegenwärtig in Frankreich gestritten wird. Rund 30 Kommunen an den französischen Küsten haben den Burkini verboten, also die Ganzkörper-Badeanzüge für Muslime. Burkinis und deren Verbot sorgen für Streit und das hat auch damit zu tun, dass nach den islamistisch begründeten Mordanschlägen, bei denen mehrere hundert Menschen starben, immer mehr nichtislamische Franzosen jede Form islamistischer Brauchtumspflege auf die Nerven geht. Seit gestern befasst sich der französische Staatsrat, das oberste Verwaltungsgericht mit dem Burkini-Verbot. Heute wird das Urteil erwartet.
    Über den Burkini wird hierzulande noch nicht gestritten. Über die Burka und ein Burka-Verbot sehr wohl. Eine große Mehrheit der Deutschen ist nach einer Umfrage für ein Verbot der Vollverschleierung hierzulande in Deutschland. 81 Prozent sind dafür, muslimischen Frauen das Tragen von Vollschleiern wir Burka oder Niqab zumindest in Teilen der Öffentlichkeit zu verbieten. Das hat der ARD-Deutschlandtrend ergeben, der heute veröffentlicht wird.
    Vor dieser Sendung haben wir Benoist Apparu erreicht von der konservativen Partei "Les Républicains". Er ist Abgeordneter der französischen Nationalversammlung und Berater des Bewerbers für die Präsidentschaftskandidatur der Republikaner, Berater von Alain Juppé. Ich habe Benoist Apparu zunächst gefragt, welche Erfahrungen Frankreich mit fünf Jahren Burka-Verbot gemacht hat.
    Benoist Apparu: Vor fünf Jahren haben wir Niqab und Burka verboten, weil es dabei um die öffentliche Ordnung geht. Juristisch gesehen sagen wir, jemand, der sein Gesicht versteckt, ist nicht erkennbar. Und das haben wir verboten. Burka und Niqab sind seither nicht vollständig verschwunden. Es gibt sie noch. Die Möglichkeit, dies bestrafen zu können, hat aber dafür gesorgt, dass man Vollschleier kaum noch sieht. Es gibt allerdings gelegentlich Provokationen. Im Großen und Ganzen sind beide aber aus unserem Land verschwunden.
    Heinemann: Bestand der wichtigste Verbotsgrund darin, dass Burka und Niqab Risiken für die Sicherheit bilden?
    Apparu: Hier gibt es zwei unterschiedliche Dinge: einerseits der Grund, warum wir dies verbieten wollten. Und die juristische Bewertung, die wir gefunden haben, andererseits. Wir wollten Niqab und Burka verbieten, weil wir es für eine sehr weit gehende Herabsetzung der Frau halten, wenn sie ihr Gesicht verstecken muss. Das wollten wir verbieten. Juristisch mussten wir diese Vollverschleierung so bezeichnen, dass ein Verbot der französischen Gesetzeslage und der Verfassung entsprach und mit Blick auf die Europäische Konvention stichhaltig war. Sicherheitsbedenken, die bestehen, wenn jemand sein Gesicht vollständig versteckt, waren eine gute Begründung.
    "Diese Gesetzgebung beseitigt die Fälle von Vollverschleierung"
    Heinemann: Frankreichs Behörden haben etwa 2.000 Strafen in fünf Jahren verhängt. Lohnt sich ein Verbot für 400 Fälle pro Jahr?
    Apparu: Ich glaube ja. Ich halte die Frage auch für grenzwertig. Sollen wir nicht gegen Terrorismus vorgehen, wenn ein Anschlag pro Jahr verübt wird? Es geht nicht um die Anzahl. Man sollte das Problem auch nicht kurzsichtig betrachten. Vielleicht gibt es nur 400 Fälle pro Jahr. Aber das Ziel besteht darin, die Burka abzuschaffen, nicht, die Leute zu bestrafen. Wenn es vorher 1.000 oder 2.000 Personen pro Jahr gab und man dahin gelangen konnte, diese Zahl auf ein paar hundert Fälle zu verringern, ist das doch ein Erfolg. Das Ziel solcher gesetzlicher Regelungen besteht darin, dass man sie nicht anwenden muss. Diese Gesetzgebung beseitigt die Fälle von Vollverschleierung.
    Heinemann: Sind Burka und Niqab für Sie eher religiöse Symbole oder stehen sie vor alle für die Unterwerfung der Frau, Sie haben eben von einer weit gehenden Herabsetzung der Frau gesprochen?
    Apparu: Sie sind beides. Was bei uns in Frankreich Anstoß erregt, ist nicht das religiöse Symbol. Es ist das Zeichen der Unterwerfung.
    "Dort gibt es dringendere Probleme als den Niqab"
    Heinemann: Einige wollen jede Art von Schleier an den Universitäten verbieten. Sollte die gesetzliche Regelung verschärft werden?
    Apparu: Burka und Niqab sind in Frankreich verboten, also auch an den Universitäten. Ich bin nicht für ein Verbot jeder Art von Schleiern an den Universitäten. An den Schulen sind diese verboten. Ich halte das für ausreichend.
    Heinemann: Können junge Frauen, Studentinnen, aus muslimischen Familien, tatsächlich frei entscheiden, ob sie einen Schleier tragen wollen, oder nicht?
    Apparu: Wahrscheinlich nicht. Einige entscheiden sich dafür, andere müssen das hinnehmen. Wenn man alles verbieten wollte, was Menschen ertragen müssen, bleibt nicht mehr viel erlaubt. Deshalb glaube ich, dass man nicht jedes religiöse Zeichen verbieten sollte.
    "Ich halte die Begründung mit der öffentlichen Ordnung für gerechtfertigt"
    Heinemann: Es gibt die Kritik, dass das Burka-Verbot in den Vorstädten mit hohem muslimischem Bevölkerungsanteil nicht ausreichend kontrolliert wird. Akzeptiert der Staat dort Ausnahmen von der Regel?
    Apparu: Der Staat ist in diesen Vierteln nicht sehr präsent. Es gibt kaum Polizeiwachen. Polizeifahrzeuge patrouillieren dort. Aber dort gibt es dringendere Probleme als den Niqab: etwa Drogen oder Gewalt. Die Polizei ist dort weniger präsent, und wo das der Fall ist, wird die Regel nicht immer angewandt.
    Heinemann: Einige Bürgermeister französischer Kommunen am Mittelmeer haben den Burkini verboten. Ist es Aufgabe des Staates, über die Strandbekleidung zu bestimmen?
    Apparu: In diesem Fall war es nicht der Staat, sondern waren es die Bürgermeister. Und ich stimme ihrer Entscheidung zu. Wenn die Bürgermeister der Meinung sind, dass diese Bekleidung die öffentliche Ordnung beeinträchtigen könnte, dann unterstützte ich sie darin.
    Heinemann: Kann das wirklich die öffentliche Ordnung stören?
    Apparu: Das kann ich mir vorstellen. Etwa, wenn Urlauber sich über diese Person lustig machen oder sie beleidigen. Das Risiko besteht. Mit Blick auf die Spannungen, die zwischen verschiedenen Bevölkerungsgruppen in Frankreich gegenwärtig schnell entstehen können, halte ich die Begründung mit der öffentlichen Ordnung für gerechtfertigt.
    Heinemann: Heizt der Erfolg des Front National die Debatte in Frankreich an?
    Apparu: Schwer zu beantworten. Zum Teil ja, zum Teil nein. Durch den Front National richtet sich der Blick stärker auf diese Themen.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
    Hier hören Sie das Interview im französischen Original.