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Frauen als Spiegel der Welt

Frauen sind entweder Göttinnen oder Fußabtreter: Auf diese Formel brachte es einmal Pablo Picasso. Nur eine seiner Musen hat die Beziehung zu Picasso denn auch unbeschadet überstanden - unsterblich sind sie jedoch alle geworden. Die Münchner Pinakothek der Moderne bringt jetzt Picassos Frauen mit denen von Max Beckmann und Willem de Kooning zusammen.

Von Christian Gampert | 30.03.2012
    Mit solchen Blockbuster-Ausstellungen muß man ja vorsichtig sein: Oft werden nur ein paar große Namen miteinander verkuppelt, und schon rollt die Publikumswelle. Hier aber ist es ganz anders: Carla Schulz-Hoffmann, die langjährige, verdiente und nun scheidende Kuratorin der "Pinakothek der Moderne", hat eine mehr als plausible These: daß Picasso, Beckmann und de Kooning zwar allesamt große Machos gewesen seien, daß sie sich in ihren Bildern aber sehr differenziert und einfühlsam an "der Frau" abgearbeitet hätten – die jeweiligen Modelle, die meist auch Partnerinnen sind, werden als starke und eigenwillige Persönlichkeiten gezeigt, als Verführerinnen und Verführte, als Protagonistinnen auch von Zeitgeschichte.

    Das auf der sehr langen Ausstellungsstrecke von 14 Sälen und durch viele Stilwechsel hindurch zu belegen, ist Schulz-Hoffmann vorzüglich gelungen. Das geht – bei Picasso – von der blauen Phase und dem Kubismus bis ins synkretistisch-verdrehte Spätwerk, bei Beckmann von den sehr traditionellen Anfängen bis zu den klobigen Quappi-Portraits und den bisweilen symbolisch überinstrumentierten Theater-Szenen der Spätphase, und bei de Kooning löst sich die Frau sowieso irgendwann in Farbe und Landschaft auf.

    Wieso überhaupt diese drei? Weil, so ist die Antwort, die Frau hier nicht nur erotische Obsession, sondern eine Art Spiegel der Welt sei. Kirchner etwa sei viel zu verklemmt für so etwas gewesen, sagt Schulz-Hoffmann rundheraus. Picasso dagegen habe nicht nur die Ambivalenz von Begehren und Beherrschen, von Sexualität, sondern auch das politische Menschheitsdrama über Frauenfiguren inszeniert.

    "Da haben wir auf der einen Seite die wunderbare, gelassene, sinnliche Marie-Thérèse Walter, und da ist auf der anderen Seite Dora Maar, von der es kein Bild gibt, auf dem sie nicht als die Schreiende, die das ganze Elend auf sich nehmende Frau in dieser Welt dargestellt wird, die gegen Franco, gegen den Nationalsozialismus, gegen den Zweiten Weltkrieg in ihrem Schreien angeht. Oder eben die als Kriegsgöttin dargestellt wird, als martialische Frau."

    Bei Picasso wird die – doch leicht hysterische – Dora Maar zur politischen Allegorie, zur Repräsentantin der Unterdrückten dieser Erde. Nebenbei aber auch, in all den verzogenen Gesichtszügen und weggeklappten Körperteilen, zur hässlichen Nachtseite der Moderne. Bei Max Beckmann, der in seinen Selbstportraits immer verquält wirkt und sich penibel-kritisch sieht, ist es noch ganz anders. Er zeigt seine Frauenfiguren generell viel positiver als sich selber, gelassen, ruhig, intellektuell, der eigenen Stärke bewusst. Es gibt in der Ausstellung aber auch einige eher unbekannte und fast wollüstige Erotika von Beckmann, nuttenhafte, sinnlich sich darbietende Weiber im Querformat. Und ein Beckmann-Portrait war es auch, das Schulz-Hoffmann auf die Idee zu dieser Ausstellung brachte – es ist eine mit Augenmaske und in schwarzen Dessous posierende Fasnachts-Figur, eine "Columbine" von 1950, die jetzt aus dem Saint Louis Art Museum ausgeliehen ist.

    "Für mich ist dieses Bild auf der einen Seite natürlich der Inbegriff der Femme Fatale, die fast als männermordende Figur erscheint, die aber auf der anderen Seite eine solche Selbstverständlichkeit in ihrer Haltung hat, die sich nur vermeintlich öffnet… Die in einer unglaublich drastischen Pose da sitzt, aber auf der anderen Seite völlig gepanzert ist und bei sich ist."

    Bei de Kooning dagegen, eine Generation später, ist die Frau eher Stimulans, Mal-Anlass – das Objekt der Begierde löst sich auf in Farborgien und abstrakt-expressive, gestische Malerei. Der Geschlechts-Akt wird ersetzt durch den Akt den Malens, der selber wiederum erotische Qualität zu haben scheint. Fünf Kapitel hat diese großartige Ausstellung: sie untersucht, zum Beispiel, die Typologien der Geliebten oder der Mutter, sie zeigt die kunsthistorischen Topoi der Ruhenden und Schlafenden. Und sie widmet sich ausgiebig der "Passion und Extase", die gerade von Picasso immer wieder ironisch gebrochen wird. Obwohl: am Ende will er nur das eine. Das letzte Bild, das der 91-jährige Picasso gemalt hat, zeigt eine seltsam verschraubte Umarmung – zwischen einer fragmentierten Frau und einem Greis mit entblößtem Penis. Der alte Faun wollte es nochmal wissen. Natürlich in Großformat.