Ausstellung über rassistisches Spielzeug

Ein tanzender Sklave zum Aufziehen

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Eine Tanzfigur zum Aufziehen, der "Alabama Coon Jigger" von 1912, aus dem Spielzeugmuseum in Nürnberg.
"Alabama Coon Jigger" von 1912: Die Beschwerde einer amerikanischen Touristin brachte alles ins Rollen. © picture alliance / dpa / Daniel Karmann
Karin Falkenberg im Gespräch mit Stephan Karkowsky · 15.07.2021
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Das Spielzeugmuseum in Nürnberg zeigt eine Ausstellung über rassistisches Spielzeug. Besonders historische Objekte sind problematisch - doch auch heute noch werden Puppen hergestellt, die schwarz sind und einen Lendenschurz aus Tierfell tragen.
Auch Spielzeug kann rassistisch sein. Darauf macht jetzt eine Ausstellung im Nürnberger Spielzeugmuseum aufmerksam. Dass sich das Museum mit dem Thema beschäftigt, ist einer schwarzen US-Amerikanerin, einer Touristin, zu verdanken. Diese hatte sich nach dem Besuch der Einrichtung über ein um 1912 entstandenes Blechspielzeug beschwert - es ist ein schwarzer Mann, den man mit einem Aufziehschlüssel zum Tanzen bringen kann.
Museumsleiterin Karin Falkenberg war zunächst ratlos, wie sie offen zugibt: Sie habe nicht verstanden, was an dem kleinen Tänzer rassistisch sein soll. Doch dann zeigte sich nach Recherchen, dass es sich bei der Blechfigur um einen "Alabama Coon Jigger" handelt. Das Wort "Coon" ist im Amerikanischen ein Schimpfwort für Schwarze, der Begriff "Jigger" lässt sich mit "Parasit" übersetzen. Die Blechfigur stellt einen schwarzen Sklaven dar, den weiße Kinder anno dazumal aufziehen konnten, damit er sich zu ihrer Belustigung bewegte.
Falkenberg ließ nach diesen neu gewonnenen Einsichten das gesamte Museum nach rassistischen Exponaten durchsuchen und diese zunächst aus der Dauerausstellung entfernen, was zu Diskussionen in den sozialen Medien führte. Von rund 90.000 Objekten im virtuellen Depot des Museums seien insgesamt 70 identifiziert worden, die tatsächlich offen rassistisch oder zumindest problematisch seien, berichtet die Museumsleiterin.

Spardose mit weit aufgerissenen Augen

Dort fand sich auch eine kleine Spardose, die nach Falkenbergs Beschreibung schwarz ist und "riesige, weit aufgerissene" Augen hat: "Und wenn man Geld reinwirft, streckt sie die Zunge raus." Das referiere auf die sogenannten "Geldfresser", berichtet Falkenberg: Mit diesem abwertenden Begriff beschrieben Weiße in den USA ehemalige Sklaven, die nach dem Ende der Sklaverei nun plötzlich für ihre Arbeit bezahlt werden mussten.
Gerade bei historischen Spielsachen müsse man genau hinschauen, sagt Falkenberg. Doch auch neues Spielzeug könne rassistisch sein. Eine Puppe, die das Museum erst im vergangenen Jahr angeschafft habe, sei schwarz, habe aber europäische Gesichtszüge, sagt Falkenberg. Zudem trage sie einen Lendenschurz aus Tierfell und sonst nichts - referiere also auf die "vermeintliche Wildheit" von schwarzen Menschen und vermittele, dass Afrikaner anders gekleidet seien als Europäer. So etwas gehöre nicht in Kinderzimmer, betont Falkenberg.
Das Spielzeugmuseum in Nürnberg soll in den kommenden Jahren komplett umgebaut werden, es will sich zu einem "emotionalen Weltmuseum" entwickeln. Dabei soll auch die bisherige, europazentrierte Sichtweise hinterfragt werden, hat die Museumsleiterin kürzlich angekündigt. Problematische Objekte werden nicht mehr unkommentiert zu sehen sein - kein Schwarzer soll mehr auf Befehl für Weiße tanzen müssen.
(ahe/dpa/epd)
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