Freitag, 19. April 2024

Archiv

Frauen im Wirtschaftsjournalismus
Keine weibliche Agenda

Berichten Journalistinnen anders über Wirtschaft als ihre Kollegen? Gibt es eine weibliche Agenda im Hinblick auf ökonomische Themen - oder dominiert immer noch der männliche Blick? Im Medienlabor des Deutschen Journalistinnenbunds diskutierten Vertreterinnen Antworten auf diese Fragen.

Von Brigitte Scholtes | 12.11.2016
    Lila Luftballons mit dem aufgedruckten Symbol für weiblich schweben am 14.02.2014 über den Köpfen von Demonstrationsteilnehmern in München (Oberbayern). Die Demonstration richtete sich gegen Gewalt an Frauen und warb für mehr Gerechtigkeit im Umgang mit Frauen.
    Themen, die sich mit Frauen in der Wirtschaft beschäftigen, finden meist nicht ihren Weg in die Medien. (picture alliance / dpa / Rene Ruprecht)
    Wie berichten Journalistinnen über Ökonomie? Setzen sie andere Themen, und – können sie die überhaupt durchsetzen? Spannende Fragen, auf die der Deutsche Journalistinnenbund im Medienlabor Antworten suchte. Sie selbst interessiere sich nicht zuerst für die Funktionsträger, erklärt Inge Kloepfer. Sie ist freie Autorin, war zuvor aber lange Jahre Redakteurin der FAZ und der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung:
    "Ich versuche mich eigentlich immer über den Menschen zu nähern. Ich habe das früher nicht gemacht, früher, das heißt vor zwanzig, fünfzehn Jahren. Und bin dann eigentlich dazu gekommen, dass ich versuche, mich immer zu fragen, warum ein Mensch auf eine bestimmte Art und Weise in einem Wirtschaftsunternehmen handelt, was er für Interessen hat, was er für Passionen hat, für Leidenschaften, für Ambitionen. Und ich glaube, das ist ganz aufschlussreich, wenn man versucht, sich über den Menschen zu nähern"
    Auch den Menschen in der Wirtschaft als Menschen begegnen, das können Frauen besser als ihre männlichen Kollegen. Zumindest hat Inge Kloepfer das beobachtet:
    "Sie wirken immer vertrauenswürdiger, sie wirken meistens weniger angriffslustig, und ganz, ganz viele Kolleginnen, die ich kenne, haben auch im Gespräch selbst nicht das permanente Bestreben, sich unmittelbar abzugrenzen. Sondern sie lassen sich erstmal auf die Seite des Gesprächspartners ziehen, um dann im Artikel selbst Abstand zu nehmen. Und das ist, glaube ich, ein Riesenvorteil, wenn man das beherrscht."
    Männliche Sicht auf Wirtschaft dominiert oft
    In den Redaktionen selbst herrsche aber häufig noch die männliche Sicht auf die auch von Männern dominierte Wirtschaft, hat Diana Löbl festgestellt. Sie ist freie Fernsehautorin und arbeitet seit acht Jahren für das ARD-Wirtschaftsmagazin Plusminus:
    "Spezifische Frauenthemen, die sich mit Frauen in der Wirtschaft oder Chancengleichheit oder equal pay beschäftigen, also das kann ich jetzt sagen - in Wirtschaftsmagazinen ist das wirklich nicht ganz einfach. Zu viele Männer an den entscheidenden Plätzen oder Frauen, die der Auffassung sind, dass es sozusagen von den Zuschauern her zu wenig Frauen gibt, die das interessieren würde."
    Wie man Frauen für Wirtschaftsthemen interessieren könnte, das treibt auch Alexandra Borchardt um, dabei gebe es so viele Geschichten über Frauen, die noch nicht erzählt seien, hat die Chefin vom Dienst bei der Süddeutschen Zeitung beobachtet:
    "Wir haben auch gleichzeitig festgestellt, dass sich Frauen sehr wohl für Wirtschaft interessieren, aber sich oft in der Wirtschaftspresse, wie es sie gibt, nicht zu Hause fühlen, und haben einfach uns einfach überlegt, woran liegt das? Denn wir sind doch eigentlich alle Arbeitnehmerinnen oder Gründerinnen oder Konsumentinnen oder Mieterinnen.
    Wir haben doch eigentlich alle etwas mit Wirtschaft in irgendeiner Weise zu tun. Und wie könnte man Wirtschaftsberichterstattung anders machen, daraus wurde dann die Idee: "Plan W- Frauen verändern Wirtschaft."
    Neues Magazin will mehr Frauen zu Wort kommen lassen
    Dieses Magazin liegt seit dem Sommer vergangenen Jahres mehrmals im Jahr der gedruckten Wochenendausgabe der Zeitung bei. Anders als in vielen Wirtschaftsmagazinen werden dort nicht "Heldengeschichten" von Managern erzählt, die ein Unternehmen führen. Davon gibt es natürlich auch noch zu wenige. Sondern jedes Heft hat ein Schwerpunkthema, versucht etwa Frauen als Expertinnen in einem Fachgebiet zu Wort kommen zu lassen, die in der "normalen Presse" vielleicht nicht so gehört würden.
    Die Sprache der Wirtschaftsjournalistinnen ist aber nicht immer anders als die der Männer. Oder besser gesagt: Frauen verfallen auch schnell in bestimmte Klischees, wenn sie über Frauen berichten, haben Claudia Cornelsen und Christine Gräbe von der Berliner Personality-Beratung Parnass, festgestellt. "Schreiben Sie, als wär's ein Kerl", ist einer ihrer Hauptratschläge an Wirtschaftsjournalistinnen. Christine Gräbe:
    "Bei jedem Text, bei dem man vermeiden möchte, dass man eine Zeitreise in die 50er macht, in die Klischees im eigenen Kopf, fragen Sie sich einfach: Muss da stehen, dass jemand zierlich ist oder elegant oder charmant. Ist das wirklich so nennenswert?
    Ist das das, was die Geschichte ausmacht? Oder könnte die Geschichte auch ganz anders erzählt werden? Hat sich da nur ein Klischee eingeschlichen. Und was wahnsinnig hilft, ist wenn man den Text einfach nochmal von vorne bis hinten liest und dabei einen Männernamen einsetzt."