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Frauen in der Raumfahrt
Wann kommt Astro-Alexa?

Mit Alexander Gerst ist heute der elfte deutsche Mann ins All aufgebrochen. Mit der Initiative "Astronautin" will die Ingenieurin Claudia Kessler erreichen, dass 2020 erstmals eine deutsche Frau zur ISS fliegt. Langfristig hoffe sie auf eine Frauenquote in der deutschen Raumfahrt, sagte Kessler im Dlf.

Claudia Kessler im Gespräch mit Arndt Reuning | 06.06.2018
    Ein Aufnäher mit der Aufschrift "Die erste deutsche Astronautin", aufgenommen am 19.04.2017 in Berlin während der Bekanntgabe der Gewinnerinnen des Wettbewerbs "Die Astronautin".
    "Die erste deutsche Astronautin" wird auch 2018 immer noch gesucht (dpa / Michael Kappeler)
    Arndt Reuning: Der Geophysiker Alexander Gerst ist der elfte Deutsche im All. Angefangen bei Sigmund Jähn, über Ulf Merbold, Hans Schlegel, Thomas Reiter und wie sie alle heißen. Es fällt auf, dass sich in dieser Liste keine einzige Frau befindet. Die Initiative "Astronautin" möchte das ändern. Sie hat zwei Kandidatinnen gekürt für eine Reise zur Internationalen Raumstation im Jahr 2020: Die Meteorologin Doktor Insa Thiele-Eich und Doktor Suzanna Randall, Astrophysikerin bei der ESO in Garching. Doch noch fehlt es dem Projekt an Geld. Angestoßen hat die Initiative die Luft- und Raumfahrtingenieurin Claudia Kessler. Mit ihr habe ich vor der Sendung telefoniert. Ich wollte wissen: Wie stehen denn die Chancen, dass tatsächlich in zwei Jahren eine Deutsche ins Weltall fliegt?
    Claudia Kessler: Ja, das ist noch schwierig, ganz klar, haben Sie auch schon gesagt. Finanzielle Mittel, das ist eine Menge, die man dafür braucht, um den Astronauten oder die Astronautin ins All zu fliegen. Trotzdem sind wir sehr zuversichtlich und überzeugt davon und hoffen, dass der nächste deutsche Mensch im All dann endlich eine Frau sein wird.
    Reuning: Wie teuer dürfte denn die geplante Mission werden und wie viel Geld fehlt noch?
    Kessler: Die Angebote, die im Augenblick so im Raum stehen, abhängig davon, wann dann auch die kommerziellen amerikanischen Crew-Transport-Vehikel fliegen werden, liegen irgendwo zwischen 30 bis 80 Millionen. Das kommt drauf an, wie lang man dann im All bleibt. Davon fehlt der Großteil noch, aber trotz allem ist das nur ein Bruchteil von dem, was so ESA-organisierte, staatliche organisierte Raumfahrtmissionen kosten.
    "Boeing und SpaceX haben Verhandlungsbereitschaft signalisiert"
    Reuning: Sie haben die private Raumfahrt angesprochen. Gibt es denn da Raumfahrtunternehmen, die Ihre Pläne unterstützen?
    Kessler: Ja, wir waren gerade in den USA und haben uns mit Boeing und mit SpaceX getroffen, die beide sehr begeistert sind von unserer Initiative, von unserem Projekt und das auch unterstützen wollen und da durchaus auch Verhandlungsbereitschaft signalisiert haben.
    Reuning: Alexander Gerst ist heute in Richtung ISS gestartet. Er musste ja nicht vorher seine Finanzierung auf die Beine stellen. Wieso ist das offenbar nicht möglich, auch eine deutsche Astronautin auf dem konventionellen Weg zur Raumstation zu befördern?
    Kessler: Wir hoffen, dass uns in der nächsten Zeit, wenn wir weitermachen, auch die Raumfahrtagenturen, die Politik und natürlich auch die Wirtschaft unterstützen wird, um gemeinsam dann die erste deutsche Frau ins All zu bringen.
    Reuning: Wo hakt es da noch Ihrer Ansicht nach?
    Kessler: Ich denke, alle müssen ein bisschen offener werden, alle müssen ein bisschen flexibler werden und gemeinsam den richtigen Weg finden, um das möglich zu machen.
    "NASA hat schon vor vielen Jahren eine Quote eingeführt"
    Reuning: Wie sieht es denn in anderen Ländern aus mit Frauen in der Raumfahrt, zum Beispiel in den USA?
    Kessler: In den USA ist es so, dass die NASA schon vor vielen Jahren eine Quote eingeführt hatte, 50 Prozent der Astronauten weiblich auszuwählen. Die Quote ist nicht ganz erfüllt worden. Ich glaube, im augenblicklichen Team sind bei zwölf Astronauten sieben Männer und fünf Frauen, aber es ist schon immer sehr nahe dran. Die Kanadier haben letztes Jahr eine Auswahl gemacht, wo zwei Astronauten ausgewählt wurden, wo auch ganz klar die Vorgabe war, ein Mann und eine Frau werden ausgewählt.
    Reuning: Sehen Sie das auch als ein Modell für Deutschland an?
    Kessler: Ja, in Deutschland selbst werden ja keine Astronauten in dem Sinne ausgewählt. Das wird über die Europäische Raumfahrtagentur gemacht und ich hoffe, wenn dann irgendwann mal wieder eine Auswahl ansteht von der ESA, dass dann auf jeden Fall auch die Regel vorausgesetzt wird, dass 50 Prozent Frauen ausgewählt werden.
    Vorteile der Diversität
    Reuning: Wo sehen Sie die Vorteile von Raumfahrtteams, in denen beide Geschlechter vertreten sind?
    Kessler: Das ist wie in allen anderen Teams auch, da gibt es jede Menge Studien dazu, dass Teams insgesamt besser funktionieren, wenn sie divers sind, wenn sie aus verschiedenen Geschlechtern, verschiedenen Nationalitäten, verschiedenen Hintergründen, Voraussetzungen bestehen, und da ist es natürlich in der Raumfahrt ganz klar, dass das auch dafür gilt. Es gibt Dinge, die können Frauen besser, und es gibt Dinge, die können Männer besser, und bei gemischten Teams hat man einfach ein breiteres Feld, was man dann bedienen kann.
    Reuning: Inwieweit dürften Ihre beiden Kandidatinnen denn auch als Vorbild dienen für Mädchen und junge Frauen in Deutschland?
    Kessler: Das ist eines der großen Ziele unserer Initiative, mit unseren beiden Astronautinnen, aber auch mit allen Bewerberinnen, die wir hatten, mit allen 400 Bewerberinnen, gerade Mädchen in Deutschland zu zeigen, welche tollen Berufe es in der Luft- und Raumfahrt, in der Technik gibt und dass man kein Supergenie sein muss, um in der Technik, in der Wissenschaft zu arbeiten, sondern dass das auch Menschen wie Sie und ich können.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.