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"Frauen sind gut qualifiziert"

Die DAX-Konzerne haben sich verpflichtet, den Frauenanteil in Führungspositionen zu erhöhen. Für die Geschäftsführerin des Verbandes deutscher Unternehmerinnen steht jedoch fest, dass Deutschland eine Quote brauche. Frauen seien "top qualifiziert", aber sie scheitern an der "gläsernen Decke".

Carlotta Köster-Brons im Gespräch mit Jürgen Liminski | 18.10.2011
    Silvia Engels: Gestern legten bei einem Spitzentreffen die Personalvorstände von führenden DAX-Unternehmen ihre Pläne zur Förderung weiblicher Karrieren vor, aber ohne gesetzlichen Zwang, lediglich als Selbstverpflichtung. Darüber sprach mein Kollege Jürgen Liminski mit Carlotta Köster-Brons, sie ist Geschäftsführerin des Verbandes deutscher Unternehmerinnen, und er wollte wissen, ob wir eine Frauenquote in deutschen Unternehmen brauchen.

    Carlotta Köster-Brons: Ja, die brauchen wir, und das ist nicht nur meine persönliche Meinung, sondern auch die der Unternehmerinnen, die bei uns im Verband engagiert sind.

    Jürgen Liminski: Nun wollen die DAX-Konzerne den Frauenanteil in Chefetagen durchaus erhöhen, allerdings ohne Zwang oder Quote. Ist das nicht eine zwangsläufige Entwicklung? Seit dem Wintersemester 98/99 immatrikulieren sich mehr Frauen als Männer, die akademische Welt wird weiblicher. Werden da viele Führungskräfte von morgen nicht automatisch weiblich sein?

    Köster-Brons: Nein, das ist eben nicht so, weil dass Frauen top qualifiziert sind, das haben wir ja schon heute und das ist ja auch nicht eine Entwicklung, die erst in den letzten Jahren stattgefunden hat. Das Problem ist ja, dass die Frauen an der gläsernen Decke scheitern, und das werden sie auch in Zukunft, wenn es nicht zumindest für eine gewisse Zeit ein Vehikel gibt, den Frauen durch die gläserne Decke durchzuhelfen und zu sagen, okay, Frauen sind gut qualifiziert und die müssen jetzt eben auch mal auf die Positionen gesetzt werden, wo sie hingehören. Weil eine Qualifikationsfrage, die heute zum Teil diskutiert worden ist im Anschluss an das Gespräch, ist diese Frage in Deutschland definitiv nicht.

    Liminski: Was bezeichnen Sie als gläserne Decke?

    Köster-Brons: Die gläserne Decke ist die Etage, die vor dem Vorstand abgeriegelt ist sozusagen. Man kann sehen, wenn man sich Frauen- und Männerkarrieren im Vergleich anguckt, so bis Mitte 30 ziehen Frauen und Männer da gleich. Und meistens dann, wenn bei den Frauen so die Phase ins Leben tritt, wo sie Kinder kriegen und eine Familie gründen, hört für die Frauen im mittleren Management, zum Teil auch in den ersten Führungspositionen die Karriere auf und die Männer ziehen weiter und die Frauen schaffen es nachher nicht mehr, Anschluss daran zu finden.

    Liminski: Gehen wir mal davon aus, dass bei der ganzen Diskussion die Kompetenzgleichheit vorausgesetzt wird. Warum, glauben Sie, wehren sich die DAX-Vorstände gegen eine Frauenquote?

    Köster-Brons: Ja, das ist eine gute Frage, warum tun wir uns in Deutschland so schwer damit. Wenn wir ins Ausland gucken, sieht man ja auch, dass sich nicht zwangsläufig Vorstände auf der Welt immer so schwer tun. Wir liegen ja, was die Vorstände und die Aufsichtsräte angeht, in Deutschland auf dem gleichen Niveau wie Indien. Das ist bestimmt eine Mentalitätssache. Ich glaube, es ist auch ein bisschen geprägt durch das Rollenverständnis, was wir in Deutschland haben. Und ich glaube, es ist vor allem auch dadurch geprägt, dass wir in Deutschland oftmals noch denken, dass eine außerhäusige Betreuung für Kinder vielleicht eher nachteilig ist und Kinder zur Mutter gehören und dass man deshalb vielleicht Frauen das auch nicht so zutraut und gleichzeitig immer an die armen Kinder denkt, die doch eigentlich von der eigenen Mutter zu Hause betreut werden müssen.

    Liminski: Geht es bei der Frauenquote nur um Gleichstellung bei der Karriereplanung, oder gibt es auch andere, wirtschaftliche oder menschliche Gründe, die es ratsam erscheinen lassen, den Frauenanteil zu erhöhen?

    Köster-Brons: Also es gibt ganz viele Gründe. Einer ist natürlich, wie Sie sagten, eine Frage der Gleichstellung, aber es gibt mittlerweile wirklich zahlreiche Studien, die auch zeigen, dass gemischte Teams effektiver sind. Unternehmen mit gemischten Vorständen und gemischten Aufsichtsräten haben eine bessere Performance, stehen einfach besser im Markt da. Und vor dem Hintergrund, dass das nun mittlerweile auch wissenschaftlich dokumentiert ist, ist es umso verwunderlicher, warum man sich eigentlich davor so sperrt und auch nicht mal sagt, ja, wir wollen auch mit zu denen gehören, die die Gesellschaft in unseren Unternehmen abbilden, und nicht eine Monokultur haben, die bestimmt, wohin sich das Unternehmen entwickelt.

    Liminski: Ab wann oder ab welcher Unternehmensgröße sollte denn eine Frauenquote eingeführt werden?

    Köster-Brons: Wir können ja heute sehen, dass im Mittelstand eigentlich die Situation schon ziemlich gut ist. Das liegt daran, dass man im Mittelstand die Mitarbeiter noch kennt, dass Strukturen einfach anders funktionieren und dass man dann und wann einfach mal ein persönliches Gespräch führt und auch sieht, wer hat Potenzial und wer nicht, und wenn es ein Problem gibt, dann löst man das, und so macht jeder Karriere nach seiner Qualifikation. Ich denke, eine kritische Größe so ist 500 Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen, dann ist man oftmals nicht mehr so in der Lage, das alles selbst als Geschäftsführer oder Geschäftsführerin zu überschauen. Da sollte vielleicht dann eine Quote langsam ansetzen.

    Engels: Jürgen Liminski im Gespräch mit Carlotta Köster-Brons, Geschäftsführerin des Verbandes deutscher Unternehmerinnen.


    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.