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Frauen unter sich

Weil sich an Konzernspitzen kaum etwas in Sachen Gleichberechtigung tut, wurde in diesem Jahr die Frauenquote heiß diskutiert. An der Hochschule in Furtwangen studieren angehende Wirtschaftsinformatikerinnen ganz unter sich, in einem der wenigen reinen Frauenstudiengänge der Republik.

Von Jan Lehmann | 27.12.2011
    200 Frauen studieren in Furtwangen "Wirtschaftsnetze/E-Business" – Frauenquote: 100 Prozent. Insgesamt ist jeder zweite Studierende an der Fakultät für Wirtschaftsinformatik weiblich, auch das ist noch ein bemerkenswerter Schnitt für ein technisches Fach. Draußen in der Wirtschaft sieht das ganz anders aus. Hat sich da in diesem Jahr etwas bewegt? Nicht wirklich, meint die 24-jährige Mina Stanisavljevic:

    "Also bis jetzt hab ich das nicht so wahrgenommen. Aber ich hoffe, dass sich was bewegt. Ich hoffe, dass sich was ändert – spätestens bis ich fertig bin mit dem Studium, damit ich direkt einsteigen kann in ne Führungsposition."

    Eine Frauenquote wäre da nicht schlecht, meint die Studentin, zumindest übergangsweise. Solange, bis die Unternehmen gemerkt haben, dass Frauen nicht nur gute, sondern manchmal auch die besseren Chefs sind.

    "Also ich war ein halbes Jahr im Ausland, in Amerika und dort sind ganz viele Frauen in Führungspositionen und das wird halt sehr gut gesehen, weil es einfach diesen Misch gibt und man dadurch viel bessere Ergebnisse erzielt, wie wenn nur Männer dabei sind."

    Dass hierzulande die Unternehmen Frauen immerhin als Fachkräfte entdeckt haben, nehmen auch Minas Kommilitoninnen wie Corinna Stockbauer wohlwollend zur Kenntnis.

    "Wenn ich's richtig weiß, werden ja ziemlich viele Ingenieure gesucht. Finde ich eigentlich schon wichtig, dass auch Frauen das machen. Da gibt's ja auch hier viele, die das studieren, die ja dann auch in diesen Bereichen händeringend gesucht werden."

    Professorin Marianne Andres ist eine der wenigen lehrenden Frauen an der technisch orientierten Hochschule in Furtwangen. Auch sie hat die Diskussionen und Frauengipfel dieses Jahres nicht als großen Durchbruch erlebt. Im Gegenteil:

    "Eigentlich fast schon wieder ein kleiner Rückschritt, wenn ich mir anschaue, dass die Frau von der Leyen doch eigentlich die härtere Position vertritt. Ich weiß zwar nicht, ob man mit der Quotenregelung alles hinbekommt, aber es schafft Anreize, und man muss sich plötzlich was einfallen lassen, ja, wie bekomm ich die Frauen?"

    Wie man sie bekommt, hat man in Furtwangen schon vor knapp zehn Jahren herausgefunden. Nämlich mit einem eigenen, ganz auf Frauen zugeschnittenen Studiengang: Wirtschaftsnetze/E-Business. Er verbindet E-Business mit Medien- und Webdesign, mit Betriebswirtschaft, aber auch mit Sozialkompetenzen.

    "Also, Ansprechpartner wären sicherlich wichtig. Vielleicht auch, was für ein Risiko damit verbunden ist."

    20 Studentinnen sitzen in einem schlicht-modernen Seminarraum vor aufgeklappten Laptops und lauschen konzentriert. Man ist unter sich und das ist gut so, meint Anne Konzelmann, eine der Studentinnen. Obwohl ihr das anfangs eigentlich gar nicht so wichtig war.

    "Jetzt sag ich manchmal: Gut, es fehlen vielleicht so ein bisschen die Jungs drunter, aber im Grunde, am Anfang, wenn ich an den Beginn denk, war's wahrscheinlich schon besser, dass wir nur Frauen waren, und wirklich bei Null starten konnten, ohne dass wir von den wissenden Jungs verschluckt wurden oder so."

    Wie sich das anfühlt, hat ihre Kommilitonin Stella Schneider erfahren. In einem technischen Berufskolleg, als einzige Frau unter lauter Männern:

    "Klar, da melden sich immer die Jungs: Ich weiß es! Und dann hockst Du halt da, hmm, soll ich jetzt auch was sagen? Nachher sagst Du was Falsches, und dann lachen Dich alle aus."

    In Furtwangen ist das anders. Hier, beobachtet Professorin und Studiendekanin Marianne Andres, trauen sich die Studentinnen mehr als in gemischten Kursen. Und hier müssen sie keine Computerfreaks sein, sondern dürfen sogar ganz von vorne anfangen.

    "Das ist uns ganz wichtig. Weil das nämlich oft ein Hinderungsgrund ist. Die Jungs haben vielleicht doch schon mal das ein oder andere programmiert und einfach gespielt, ausprobiert. Und dann haben die Frauen oft das Gefühl: Ich hab das ja noch nie gemacht, ich kann das nicht, da komm ich ja gar nicht mit. Deshalb setzen wir eben auch ganz bewusst bei null an."

    Spätestens am Ende des Grundstudiums haben die Studentinnen aber aufgeholt und genug Selbstbewusstsein getankt, um sich mit den Jungs messen. In den höheren Semestern gibt's dann auch gemischte Kurse. Das Konzept scheint aufzugehen. Für die wissenschaftliche Mitarbeiterin Annette Peuse-Rink ist das messbar zum einen an den steigenden Erstsemesterzahlen, aber auch daran,

    "dass wir wirklich auch draußen in der Wirtschaft diese guten Connections haben, dass die Mädels gut unterkommen. Dass wenn die zurückkommen aus dem Praxissemester, die mit glänzenden Augen erzählen, wie toll es bei BMW oder bei Porsche war. Die gehen da richtig auf."

    Und auch später kommen die Absolventinnen oft bei großen Firmen unter, zum Teil auch im Ausland. Das zeigen die Rückmeldungen der letzten Jahre. Wer also meint, das Frauenstudium sei so eine Art Wohlfühloase, der irrt. Die Studentinnen müssen sich auch ganz schön behaupten. Zum Beispiel auf dem Campus und bei Studentenpartys, wenn wieder mal spöttische Kommentare aus der Männerecke kommen. Aber, betont die 24-jährige Mina, auch untereinander ist man nicht zimperlich:

    "Also ich find, man muss sich hier viel mehr behaupten. Es ist ein viel, viel stärkerer Konkurrenzkampf hier. Auch wenn man das mitkriegt von den anderen Fakultäten aus."