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Frauen-WM 2015
Aus den USA - für Mexiko

Sie sprechen englisch, sind in den USA geboren und aufgewachsen - und spielen trotzdem bei der Frauen-Fußball-WM für Mexiko. Ihre Eltern kamen oft aus Mexiko in die USA, um sich ein besseres Leben aufzubauen - sie gehen zurück, um sich einen Traum zu verwirklichen: den Traum von der Nationalmannschaft.

Von Kerstin Zilm | 13.06.2015
    Die mexikanische Nationalspielerin Veronica Perez köpft bei der Frauen-Fußball-WM 2011 den Ball.
    2010 ins mexikanische Nationalteam gekommen, 2011 schon bei der WM dabei: Veronica Perez aus Kalifornien. (picture alliance / dpa / Uwe Anspach)
    Wenn bei der WM in Kanada die mexikanische Nationalhymne erklingt, sind manche Spielerinnen eindeutig nicht textsicher. Kein Wunder: Die Hälfte des Teams kommt aus den USA. Die Sportlerinnen hatten dort im College und manche sogar mit der U-23-Frauenmannschaft Erfolg, bevor sie ins Team Mexiko wechselten.
    Zum Beispiel: Veronica Perez aus Kalifornien. Ihre Eltern stammen aus Mexiko. Die Mittelfeldspielerin schoss das Tor für Mexiko beim Eins zu Eins gegen Kolumbien. Bis 2009 spielte Perez in den USA. Bei einem College-Trainingscamp in Los Angeles kam der Assistenzcoach der mexikanischen Nationalmannschaft auf sie zu, erzählt sie: "Er hat mich zum Training eingeladen und so hatte ich zum ersten Mal Kontakt mit internationalem Profi-Niveau. Ich habe ihnen gefallen und sie haben mich immer wieder eingeladen. Seit 2010 habe ich mittrainiert."
    Die richtige Entscheidung
    Die US-Nationalmannschaft zeigte dagegen kein Interesse. So beantragte Perez die doppelte Staatsbürgerschaft und kam ins mexikanische Team. Seit Leonardo Cuellar 1998 das Training der Mannschaft übernahm, rekrutiert er Spielerinnen aus den USA. Mit Erfolg: 1999 qualifizierten sich die Frauen erstmals für eine WM. Während der Saison spielen die US-Frauen in College-Mannschaften oder in der National Women's Soccer League, der höchsten Liga im Frauenfußball in den USA. Bei internationalen Turnieren aber streifen sie sich das grün-weiße Nationaltrikot über. Nach mehr als 70 Spielen für Mexiko ist Veronica Perez sicher: Sie hat sich richtig entschieden:
    "Es ist mir auch nicht schwer gefallen. Mexiko ist auf mich zugekommen. Sie haben mir die Gelegenheit gegeben, gleich auf höchstem, internationalen Niveau zu spielen - bei der WM 2011. Das war immer mein Traum. Es war eine leichte Entscheidung."
    Nicht nur positive Reaktionen
    In den USA geborene Spielerinnen stellen seit 1999 etwa die Hälfte der Nationalmannschaft. Kein Wunder: Erstens gibt es in Mexiko keine Profiliga. Außerdem sind die Chancen groß, in den USA talentierte Sportlerinnen zu finden, die eine Mutter oder einen Vater aus Mexiko haben. Das ermöglicht die doppelte Staatsbürgerschaft und damit die Mitgliedschaft in der Nationalmannschaft. Doch unterschiedliche Kulturen, Sprachen und Stile führen zu Konflikten. Mexikanische Medien, Fans und Spielerinnen kritisieren den Fußballimport aus den USA. Es ist völlig unvorstellbar, dass ein "Gringo" für die Nationalmannschaft der Männer auflaufen würde, Stürmerin Renae Cuellar aus Kalifornien ist seit 2009 im Team Mexiko:
    "Ich habe Animositäten erlebt. Du kannst die beste Spielerin in der Mannschaft sein, aber wenn Du die Sprache nicht sprichst werden sie sauer. Sie wollen nichts mit den USA zu tun haben. Sie wollen nicht, dass wir nur Englisch reden oder unter uns bleiben. Sie sagen: Wenn wir kein Team sind, kommen wir nicht weiter."
    Für den WM-Traum nach Mexiko
    Teresa Noyola hatte ein anderes Problem. Die Stanford-Absolventin in Mathematik und Computerwissenschaften bekam mehrere Fußball-Preise, darunter die höchste Auszeichnung im College-Sport: die Hermann Trophy. Doch 2009 in einem Trainingcamp mit der U-20-Nationalmannschaft signalisierte ihr Coach Jill Ellis: "Wenn ich du wäre, würde ich mir überlegen für Mexiko zu spielen." Noyolas Verteidigungsstil passe nicht ins US-Konzept. Ein Schock, den die Spielerin inzwischen überwunden hat. Ihre Eltern kamen wie Millionen andere Mexikaner in die USA, um ein besseres Leben aufzubauen. Noyola geht - wie die anderen US-Spielerinnen im mexikanischen Trikot - zurück, um ihren Traum zu verwirklichen:
    "Fußball ist meine Priorität. Es ist meine größte Leidenschaft und mit Mexiko kann ich die auf höchstem Niveau ausleben. Ich will mein Land so gut ich kann vertreten und kann hoffentlich dabei helfen, dass Frauenfußball in Mexiko mehr Anerkennung bekommt."
    Spielerinnen, die einmal offiziell für Mexiko oder ein anderes Land gespielt haben, können nicht mehr für die USA antreten. Nicht nur Noyola sagt: Dieser Preis ist nicht zu hoch für die Chance, bei einer WM auf dem Spielfeld zu schwitzen.