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Frauenanteil in Vorständen stagniert
"Niemand lässt sich gerne Macht und Geld nehmen"

Immer noch sitzen nur wenige Frauen in den Vorständen großer Unternehmen. Elke Holst vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung sagte im Dlf, das werde sich hoffentlich ändern. Sonst steige der Druck, auch für Vorstände eine Frauenquote einzuführen. Bei Aufsichtsräten hatte sie gewirkt.

Elke Holst im Gespräch mit Katja Scherer | 21.12.2018
    Eine Frau hält Papiere in der Hand. Vor ihr steht ein Schild mit der Aufschrift "Chefin".
    Immer noch sitzen in Unternehmens-Vorständen wenige Frauen (dpa, Jan-Philipp Strobel)
    Katja Scherer: Der Frauenanteil in Vorstandsetagen ist kaum gewachsen - das zeigt eine Untersuchung der Boston Consulting Group. Danach lag der durchschnittliche Frauenanteil in den Vorständen der 100 größten deutschen Unternehmen nach Börsenwert in diesem Jahr bei sieben Prozent - nur ein Prozentpunkt höher als im Vorjahr. In Aufsichtsräten sieht es besser aus: Da sind im Schnitt immerhin rund 31 Prozent der Posten mit Frauen besetzt. Dort gilt in vielen Unternehmen seit 2016 eine gesetzliche Frauenquote. Ich habe vor der Sendung mit Elke Holst vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung gesprochen und sie gefragt: Das zeigt ja, die Quote wirkt - oder?
    Elke Holst: Tendenziell kann man sagen, dass die Quote in den Aufsichtsräten sozusagen wie ein externer Schock gewirkt hat, da werden von außen Anregungen gegeben, und dadurch kann sich auch etwas verändern. Das wird sicherlich nicht ganz so einfach in den Vorständen sein, aber ich kann mir gut vorstellen, dass die Lobbygruppen auch da den Druck erhöhen werden, um endlich Verbesserungen durchzusetzen.
    Scherer: Sie haben gesagt, da gibt es schon noch mal einen Unterschied zwischen Aufsichtsrat und Vorstand - warum ist es in den Aufsichtsräten leichter, Frauen in Führungspositionen zu bringen als vielleicht im Vorstand?
    Holst: Weil da nicht unbedingt die Leute auch aus derselben Branche kommen müssen. Ich will das mal an einem Beispiel im Finanzbereich verdeutlichen: Dort hat ja ganz klar die BaFin nach der Finanzkrise Regeln gesetzt, was vorhanden sein muss an Erfahrungen, um Geschäftsführerin oder Geschäftsführer beziehungsweise Vorstand, Vorständin in einem Finanzunternehmen, sprich in Banken oder Versicherungen zu werden. Die müssen ja erfüllt werden. Die werden von den Männern, die ja meistens in den Posten sind, automatisch erfüllt, wenn sie schon vorher in einem solchen Posten waren, die meisten Frauen sind allerdings nicht in so Posten, und von daher sind sie natürlich durch die Regelung, einfach durch ihre Zahl häufiger getroffen als Männer.
    "Niemand lässt sich gerne Macht und Geld nehmen"
    Scherer: Aber das bedeutet ja, wenn man das jetzt so mal übersetzt, heißt das, das ist gar nicht viel der Wille bei den Unternehmen, sondern das sind eher größtenteils ganz praktische Zwänge?
    Holst: Ich glaube das nicht, entweder oder. Sicherlich kann man sagen, dass die Entwicklung viel schneller hätte vorangehen können. Ich glaube, das würden auch manche mit mir teilen. Es ist immer eine Frage der Prioritäten. Wenn wir Unternehmen sehen, die setzen sich ja Ziele, ganz zentral, zum Beispiel Umsatzziele, Gewinnziele. Und jetzt könnten sie auch in ihrem Prioritätenziel sagen: Ja, wir wollen den Anteil der Frauen in unserer ganzen Hierarchieebene, unterhalb des Vorstands zwei, drei Ebenen, wesentlich erhöhen, einfach um auch den Pool zu vergrößern, damit wir mehr Frauen sozusagen in dem Pool haben, die dann in den Vorstand aufsteigen können. Das ist aber überhaupt nicht in ausreichendem Maße passiert, und damit das Wirklichkeit wird, müssen die Unternehmen sich natürlich diese Ziele setzen.
    Scherer: Jetzt ist es ja so, es gibt viele Studien, die zeigen, gemischte Teams funktionieren besser, scheinbar klappt es bei den Aufsichtsräten auch ganz gut. Woran liegt es denn, dass die Unternehmen dann trotzdem noch so wenig freiwillig tun?
    Holst: Ich glaube, niemand lässt sich gerne Macht und Geld nehmen. Wenn Frauen und Männer um die Posten konkurrieren, ist das ja so, wenn eine Frau den Posten bekommt, bekommt ein Mann den Posten nicht. Für Männer ist es viel wichtiger, allein schon weil die Geschlechterstereotypie ihnen ja auch das zuweisen, erfolgreich im Beruf sein zu müssen und so weiter, hat das also für sie noch mal eine stärkere Identifikation. Bei Frauen wird ja eher erwartet, dass sie sich anpassen, andere unterstützen. Sind Frauen erfolgreich, dann irritiert das häufig. Sind Frauen sogar sehr erfolgreich, dann sind sie vielleicht gar nicht mehr richtige Frauen. Ich sag immer das Beispiel "Mutti Merkel".
    Spätestens mit 40 stoßen Frauen an eine Grenze
    Scherer: Sie haben jetzt mehrmals diese alten Rollenbilder angesprochen - ist es denn tatsächlich so, dass sich da so wenig geändert hat oder dass sich das zumindest so langsam ändert?
    Holst: Ja! Es ändert sich recht langsam, auch wenn man manchmal den Eindruck haben könnte, besonders wenn man jung ist, als Frau, man kommt doch voran. Aber spätestens so um die 40, wenn der Kinderwunsch bis dahin nicht erfüllt war und dann noch sich überlegt wird, ob man Kinder bekommt, dann merken die Frauen, sie stoßen an eine Grenze, und zwar nicht erst oben, wenn es um Geschäftsführung geht, sondern das setzt schon viel früher ein, weil ihre Bedingungen dann unterschiedlich sind. Die Männer arbeiten dann häufig noch viel mehr, um den Verdienstausfall der Frau ausgleichen zu können, die dann ja eben häufig in Teilzeit arbeitet.
    Scherer: Was sagen Sie: Damit wir wirklich eine Situation von Gleichberechtigung hinbekommen, brauchen wir eine Quote in Vorständen?
    Holst: Meine große Hoffnung ist, dass die Unternehmen das selber schaffen. Ich glaube, sonst wird der Druck sehr stark steigen, dass auch in den Vorständen so etwas geschieht. Mich hat schon gewundert, dass es die Unternehmen nicht hinbekommen haben, in Aufsichtsräten diesen Weg zu gehen, weil wir sehen ja, die Frauen sind gefunden worden. Also die Hoffnung stirbt zuletzt, ich hoffe immer noch, dass die Unternehmen das selber schaffen, würde mich aber nicht wundern, wenn das nicht der Fall ist, dass dann doch tatsächlich überlegt wird, durch eine Quote mehr Frauen in Vorständen zu bekommen.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.