Donnerstag, 28. März 2024

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Frauenquote
"Filmemacherinnen sollen es einfacher haben"

"Es geht nicht, dass 85 Prozent der Filme von Männern inszeniert werden", kritisiert Imogen Kimmel, Produzentin, Autorin und Regisseurin. Sie ist Mitbegründerin des Vereins "Pro Quote Regie", der sich für paritätische Verhältnisse in Film und Fernsehen einsetzt.

Imogen Kimmel im Gespräch mit Antje Allroggen | 17.10.2014
    Ein blauer Stuhl mit dem weißen Schriftzug "Regie"
    "Pro Quote Regie" will die Öffentlichkeit darauf hinweisen, dass nur 15 Prozent aller deutschen Kino- und Fernsehfilme von Frauen gemacht werden. (picture alliance / dpa / Jens Kalaene)
    Antje Allroggen: Eigentlich kann Bundeskanzlerin Angela Merkel das Gerede um die Frauenquote nicht mehr hören. Es sei müßig, weiter über die Einführung der Quote zu diskutieren, sagte sie. Basta, hätte ihr männlicher Vorgänger einfach gesagt. Und auch die Welt der Kultur sähe mit einer Frauenquote garantiert anders aus. Das belegt eine Studie der University of California, die mit Unterstützung der Vereinten Nationen entstand und in der vergangenen Woche veröffentlicht wurde. Sie kommt zu dem Ergebnis, dass das Frauenbild in den Kinos eindeutig an der Realität vorbei geht.
    Fast zeitgleich zu dieser Studie hat sich in Deutschland ein neuer Verein gegründet. "Pro Quote Regie" will die Öffentlichkeit etwa darauf hinweisen, dass nur 15 Prozent aller deutschen Kino- und Fernsehfilme von Frauen gemacht werden.
    Am Telefon ist Imogen Kimmel, Produzentin, Autorin, Regisseurin und Mitgründerin des Vereins. Frau Kimmel, fehlt es den Filmen, die fast alle von Männern gemacht werden, an einem weiblichen Blick?
    Imogen Kimmel: "Pro Quote Regie" hat sich gegründet, einfach erst mal, weil es einen großen Misston mit den Zahlen gibt. Nehmen wir 2013: Bei der FFA, da gingen nur sieben von 53 Filmen in die Hände von Frauen, von Regisseurinnen. Oder der Filmförderungsbund 2013 vergab 62 Millionen Euro; davon gingen nur sechs Millionen Euro an Filme von Frauen und 56 Millionen an Filme von Männern.
    Auch im Fernsehen sieht es nicht anders aus. Wenn wir zum Beispiel die Sendeplätze vom "Tatort" nehmen: In den Jahren 2010 bis 2013 wurden nur 7,5 Prozent Frauen in der Regie engagiert. Und wenn man jetzt denkt, im anderen Programm, im ZDF, was Sonntagsabends das Herzkino zeigt, da waren es aber auch nur 13,8 Prozent.
    Wie die Leute, wie die Regisseure und Regisseurinnen ihren Blick auf die Welt inszenieren, das ist nicht unser Anliegen, sondern wir wollen erst mal überhaupt paritätische Verhältnisse schaffen und dann hinterher können wir sehen, wie die Bilder von Frauen in den Filmen dargestellt werden.
    Gesellschaft auf Missstand aufmerksam machen
    Allroggen: Man kann also sagen, bei der Verteilung von Geld schneiden die Frauen in der Film- und auch in der Fernsehbranche schlecht ab. Ich kann noch eine Zahl nachlegen: 42 Prozent der Filmhochschulabgänger sind Frauen, aber bei den Filmfördermaßnahmen, die Sie gerade ja auch angesprochen haben, kommen sie kaum noch vor. So vergab die Filmförderanstalt 2012 4,5 Millionen Euro an 17 Kinofilme komplett an männliche Regisseure. Hat das Ganze etwa System?
    Kimmel: Wir glauben, dass es eine Art stiller Benachteiligung ist. "Pro Quote Regie" hat zwei Wege. Wir wollen zum einen der Gesellschaft bewusst machen, dass es diesen Missstand gibt, und zum anderen fordern wir die Quote. Wir fordern die paritätische Besetzung von Gremien, und wir fordern Politik und Verbände, die Produzentenallianz, den Regieverband und die Filmförderung zur Zusammenarbeit auf, um diesen Missstand zu beheben. Wir sind Regisseurinnen, wir können das nicht alleine. Wir sind angewiesen auf die Mitarbeit in der Gesellschaft.
    Allroggen: Immerhin haben sich Ihrem Verein ja auch schon männliche Regisseure angeschlossen: Michael Ballhaus, Edgar Reitz, Volker Schlöndorff. An einer Blockade der männlichen Kollegen liegt das Problem also wohl nicht. Oder doch? Oder wo liegen die Gründe für diese Schieflage?
    Kimmel: Wir glauben, es ist ein strukturelles Problem. Denn seitdem wir mit Politik und den Verantwortlichen sprechen, sind alle irrsinnig erstaunt, dass so die Lage ist, und wir treffen auf unglaublich viel Bereitschaft, an dieser Schieflage etwas zu ändern. Denn es geht einfach nicht, dass, sagen wir, 85 Prozent der Filme von Männern inszeniert werden. Wo bleibt da unsere Rolle als Geschichtenerzählerinnen. Dafür versuchen wir im Augenblick miteinander eine Lösung zu finden.
    Allroggen: Aber warum, Imogen Kimmel, hat es eigentlich so lange gedauert, bis sich in der Film- und auch in der Fernsehbranche eine Initiative "Pro Quote" formiert hat? Fehlte es bislang an geeignetem Zahlenmaterial?
    1980er-Jahre: Klage der Filmemacherinnen für gerechte Geldvergabe
    Kimmel: Das stimmt nicht. Es gab ja vor uns die Filmarbeiterinnen, es gab die Klage der Filmarbeiterinnen Ende der 80er-Jahre, dass die Filmgelder gerechter vergeben werden. Und man darf nicht vergessen, dass Filmemachen ein Beruf ist von Einzelkämpfern und von Einzelkämpferinnen. Da ist man auch so damit beschäftigt, den nächsten Film zu machen, den nächsten Film durchzukriegen, dass man erst mal gar nicht links und rechts guckt.
    Es ist ja auch immer ein Arbeitskampf, den wir da führen auf eine Art. Wir müssen Geld verdienen. Das frisst auch ganz viel von der Zeit. Eine Initiative wie die Filmarbeiterinnen ist dann nach zehn Jahren irgendwann, sagen wir mal, die Puste ausgegangen, und wir sind jetzt sozusagen die neue Generation, die kleinen Schwestern, die das Thema wieder aufgreifen und auch vielleicht noch von einer etwas anderen Seite.
    Allroggen: Wäre Ihr persönliches Filmleben mit Frauenquote anders verlaufen?
    Kimmel: Kann ich nicht sagen. Das sind Hypothesen. Ich hoffe, dass es anders verlaufen wäre, und ich hoffe, dass in Zukunft die Filmemacherinnen es einfacher haben als viele von uns.
    Allroggen. Imogen Kimmel über die Benachteiligung von Frauen im Filmgeschäft.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.