Donnerstag, 28. März 2024

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Frauenquote
"Gesetzliche Quote ist Symbolpolitik"

Kurt Lauk hat die geplante gesetzliche Frauenquote kritisiert. "Geschlecht kann kein Ersatz für Qualifikation sein, das gilt für Männer und Frauen", sagte der Präsident des CDU-Wirtschaftsrats im Deutschlandfunk.

Kurt Lauk im Gespräch mit Dirk-Oliver Heckmann | 25.03.2014
    Kurt Lauk, Präsident des Wirtschaftsrates der CDU, Portrait, sprechend, mit Hand gestikulierend
    Kurt Lauk, Präsident des Wirtschaftsrates der CDU (dpa / picture-alliance / Hannibal Hanschke)
    Dirk-Oliver Heckmann: Die Sozialdemokraten drücken derzeit ja aufs Tempo, egal ob beim Elterngeld, beim Mindestlohn oder bei der Rente mit 63. SPD-Chef Sigmar Gabriel will dafür sorgen, dass die sozialdemokratischen Ministerinnen und Minister als Reformkräfte innerhalb der Regierung dastehen. Der Union bleibt oft die Rolle des Reagierenden. Das soll auch heute so nach außen wirken. Familienministerin Manuela Schwesig stellt heute gemeinsam mit Justizminister Heiko Maas die Leitlinien zur Umsetzung der Frauenquote in der deutschen Wirtschaft vor.
    Am Telefon begrüße ich Kurt Lauk, er ist Vorsitzender des CDU-Wirtschaftsrats. Schönen guten Morgen, Herr Lauk!
    Kurt Lauk: Guten Morgen, Herr Heckmann!
    Heckmann: Herr Lauk, haben Sie es endlich eingesehen, eine Frauenquote in Deutschland ist alternativlos?
    Lauk: Zunächst mal ist festzustellen, dass hier, was die Förderung von Frauen in Führungspositionen angeht, zu lange zu wenig getan worden ist. Das hat sich aber seit einigen Jahren wirklich geändert. Wir haben mittlerweile 27 Prozent Frauenanteil in der Privatwirtschaft. Das entspricht etwa dem Frauenanteil von 30 Prozent an den Vollzeitbeschäftigten.
    Heckmann: Aber nicht in den oberen Etagen!
    Lauk: In den oberen Etagen wird beim Mittelstand, ich sage mal, mittlerweile ein Viertel der Privat- und Familienunternehmen von Frauen geführt, also auch in den oberen Etagen. In einigen Aufsichtsräten ist ja die Industrie jetzt Gott sei Dank Selbstverpflichtungen eingegangen, um bis 2017 das Thema mit einem Drittel zu erreichen. Deshalb ist eigentlich eine gesetzliche Quote mehr Symbolpolitik als inhaltlich zu sehen.
    "Qualifizierten Frauen stehen heute alle Türen offen"
    Heckmann: Aber, Herr Lauk, Pardon, dass ich da einhake. Es ist doch Tatsache, dass Frauen in Aufsichtsräten und im Management völlig unterrepräsentiert sind, und das kann doch nicht gut sein.
    Lauk: Den qualifizierten Frauen stehen heute alle Türen offen. Aber Geschlecht kann kein Ersatz für richtige Qualifikation an richtiger Stelle sein. Das gilt für Männer und für Frauen. Insofern muss man die Kirche im Dorf lassen. Dass wir hier mehr tun müssen und wenig getan haben, zu wenig getan haben, ist richtig. Wie gesagt, die Unternehmen haben das vor einigen Jahren begonnen zu erkennen und haben gegengesteuert. Wichtig ist bei der Frauenquote auch insbesondere das Thema Frauen, die Mütter sind, denn die haben es doppelt schwer und über die wird eigentlich gar nicht geredet.
    Heckmann: Sie sehen also die Gefahr, Herr Lauk, dass am Ende nicht mehr Qualifikation zählt, sondern nur noch die Frage, welches Geschlecht hat ein Bewerber oder eine Bewerberin?
    Lauk: Wenn Sie eine gesetzliche Quote einführen, besteht in der Tat diese Gefahr, nicht ausschließlich, aber sehr wohl auch. Wir haben im Ingenieurbereich ein wirkliches Problem. Es gibt ja eine ganze Reihe von Berufen, wo die Frauen mittlerweile dominieren, denken Sie an Lehrer, auch im Ärztebereich ist das mittlerweile fast mehrheitlich in vielen fachärztlichen Gebieten Frauenmehrheit, was völlig in Ordnung ist. Bei Ingenieurberufen haben wir die Situation: Sechs Prozent der Maschinen- und Fahrzeugbau-Ingenieure sind Frauen. Da können Sie kein Drittel in Führungspositionen erwarten in den nächsten zwei, drei Jahren.
    Heckmann: Da kann man sagen, das sind alles Spezialbereiche und in der Masse sieht es anders aus. - Herr Lauk, Sie haben angesprochen, dass die Wirtschaft sich eine Selbstverpflichtung auferlegt hat, die aber nicht eingehalten wurde. Sie sagen, die Wirtschaft habe gegengesteuert, aber ganz offensichtlich ja nicht genug. Da ist es doch kein Wunder, dass der Gesetzgeber irgendwann mal handelt.
    Lauk: Wir haben die Selbstverpflichtungsquote bis 2017 und wir sind auf gutem Wege, denken Sie an die Aufsichtsräte, ich sage mal, von Daimler. Dort ist es bereits erreicht. Andere Aufsichtsräte ziehen ganz konsequent nach, denken Sie an Linde. Hier gibt es wirklich gute Beispiele, dass ohne die gesetzliche Quote das Ziel erreicht wird.
    Heckmann: Die offiziellen Zahlen sehen ein bisschen anders aus.
    Lauk: Im Schnitt sind wir noch bei zu wenig, da haben Sie recht. Ich habe jetzt nur einige sichtbare große Aufsichtsräte genannt, die den Weg vorangegangen sind und Vorzeigeunternehmen sind und die Selbstverpflichtungsquote, die die Industrie sich auferlegt hat, bereits schon heute erfüllt haben.
    Heckmann: Sie haben gerade gesagt, Herr Lauk, dass da in der Tat in den vergangenen Jahren zu wenig gemacht worden ist, um Frauen zu fördern auch in Spitzenpositionen. Woran liegt das denn aus Ihrer Sicht eigentlich?
    Lauk: Es sind verschiedene Gründe. Einmal ist, ich sage mal, die Ausbildung der Frauen im Studienbereich deutlich angestiegen die letzten zehn, 20 Jahre, Gott sei Dank. Da haben wir viel erreicht. Das war ja früher in den 50er-Jahren, 60er-Jahren bei Weitem nicht der Fall. Und es ist einfach notwendig, wenn man in Führungspositionen kommt, dass man eine gewisse Berufserfahrung über Jahre sammelt, und das wird sich jetzt konsequent durchsetzen. Ich habe selber zwei Töchter, die über die Qualifikation sich jetzt ganz konsequent Positionen erarbeiten können, die früher so in dieser Geschwindigkeit nicht möglich gewesen wären.
    "Wir brauchen Spielraum"
    Heckmann: Und trotzdem bleiben die Türen oft genug zu. Jetzt kommt also die Frauenquote. Börsennotierte und voll mitbestimmungspflichtige Unternehmen, die bekommen eine feste Quote von 30 Prozent bei frei werdenden Aufsichtsratssitzen. Kleinere Unternehmen müssen sich in Zukunft verbindliche Ziele setzen. Weshalb haben Sie eigentlich so ein Problem damit, denn dieses Ziel, das muss ja nur niedrig genug angesetzt werden und schon ist das Problem gelöst für die Unternehmen?
    Lauk: Ich habe eigentlich kein Problem damit. Ich habe nur ein Problem nicht mit der Quote, sondern mit der gesetzlichen Quote. Wir brauchen Spielraum. Eigentumsunternehmer müssen auch die Möglichkeit haben, den Leuten die Führungsverantwortung zu geben über ihr Eigentum, was sie für richtig halten, die sie ausgewählt haben. Da hilft eine gesetzliche Quote sehr wenig.
    Heckmann: Glauben Sie denn noch, dass Sie diesen Schritt verhindern können? Er steht ja immerhin sehr detailliert im Koalitionsvertrag.
    Lauk: Ja, der steht im Moment drin. Wir sind aber trotzdem der Meinung, dass die gesetzliche Quote eher Symbolpolitik ist, als wirklich etwas Zusätzliches bringt, insbesondere wenn dann die Aufsichtsräte durch leere Sitze glänzen, was kein anderes Land der Welt macht, die auch Frauenquoten haben, denken Sie an Norwegen. Hier werden im Grunde Unternehmensführungsorgane lahmgelegt, wenn das durchgesetzt werden sollte.
    Heckmann: Steht im Moment drin im Koalitionsvertrag, die Quote, sagen Sie. Heißt das, Sie wollen sich an den Koalitionsvertrag nicht halten?
    Lauk: Wir haben den Koalitionsvertrag als Wirtschaftsrat, das wissen Sie, von Anfang an in diesem Punkt kritisiert und ich glaube, die Diskussion, die jetzt über die Republik hinweggeht, zeigt, dass wir hier einen Punkt getroffen haben, der wirklich durchdacht werden muss und nicht mit Symbolpolitik ersetzt werden muss.
    Heckmann: Das heißt, noch mal meine Frage: Sie glauben, dass Sie diese starre, diese feste Quote von 30 Prozent bei großen Unternehmen noch verhindern können?
    Lauk: Das kommt auf den Zeitpunkt an. Diese Selbstverpflichtung ist ja da bis 2017 und ich glaube auch, dass die großen Unternehmen das hinbekommen.
    Rente mit 63: "Finger in die richtige Wunde gelegt"
    Heckmann: Schauen wir mal, wie das weitergeht. Gucken wir grundsätzlich mal auf den Kurs der Großen Koalition. Die SPD macht ja Tempo beim Elterngeld plus, beim Mindestlohn, bei der Rente. Macht die Bundesregierung in der Großen Koalition also aus Ihrer Sicht wieder sozialdemokratische Politik?
    Lauk: Es ist ganz natürlich, dass in einer Großen Koalition, in der Sozialdemokraten mit Partner sind, mehr sozialdemokratische Politik gemacht wird. Wir haben einige Punkte ganz klar kritisiert, beispielsweise die Rente mit 63. Ich sage mal, die Argumentation, wer 40 Jahre malocht hat, darüber kann man ja reden. Es ist aber jetzt so, dass bei der Rente auch derjenige in den Genuss kommt, der auch halbtags gearbeitet hat. Zum Beispiel eine halbtagstätige Bürokraft mit mehreren eingestreuten Phasen der Arbeitslosigkeit kommt auch in den Genuss der Rente mit 63. Das kann natürlich nicht der Sinn der Sache sein. Wir haben früh darauf hingewiesen, dass hier das Detail das richtig Problematische ist.
    Heckmann: Und trotzdem hat man nicht so richtig den Eindruck, Herr Lauk, dass der Wirtschaftsflügel der Union da durchdringt. Man hat den Eindruck, Sie stehen da so ein bisschen auf verlorenem Posten. Woran liegt das eigentlich?
    Lauk: Zunächst einmal ist es so, dass die Punkte von der Mütterrente bis zur Rente mit 63 und bis zum Mindestlohn die Arbeitslosigkeit erhöhen wird und insbesondere bei jungen Menschen Gefährdung für Beschäftigung ist und in der Ausbildung. Diese Themen haben wir frühzeitig genannt und jetzt sind sie Thema in der Republik und insofern, meine ich, haben wir die Finger in die richtige Wunde gelegt. Dass nun das eine oder andere im politischen Prozess dennoch sich durchsetzt, ist eigentlich selbstverständlich. So funktioniert der politische Prozess. Das bedeutet aber nicht, dass der Wirtschaftsrat sich nicht in der Sache darum kümmern muss.
    Heckmann: Wir werden sehen, welche Ergebnisse Ihr Engagement zeitigt. Kurt Lauk war das, der Vorsitzende des CDU-Wirtschaftsrates. Danke Ihnen für das Gespräch.
    Lauk: Vielen Dank, Herr Heckmann.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.